Europäischer Gerichtshof, 08.03.2011, Az.: C – 34/09
Gem. Art. 20 Abs. 1 AEUV („Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“) besteht in der Europäischen Union eine Unionsbürgerschaft. Danach ist Unionsbürger, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt dabei zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt sie aber nicht.
Gem. Art. 20 Abs. 2 AEUV haben Unionsbürger die in den Verträgen der EU vorgesehenen Rechte und Pflichten. Nach Abs. 2 haben Sie unter anderem
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- das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten
- in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und bei den Kommunalwahlen, wobei für sie dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats;
- im Hoheitsgebiet eines Drittlands, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, nicht vertreten ist, Recht auf Schutz durch die diplomatischen und konsularischen Behörden eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates;
- das Recht, Petitionen an das Europäische Parlament zu richten und sich an den Europäischen Bürgerbeauftragten zu wenden, sowie das Recht, sich in einer der Sprachen der Verträge an die Organe und die beratenden Einrichtungen der Union zu wenden und eine Antwort in derselben Sprache zu erhalten.
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Diese Regelung war nun Gegenstand des oben genannten gerichtlichen Verfahrens des Europäischen Gerichtshofes.
Betroffen war das drittstaatsangehörige Ehepaar Zambrano (Kolumbien) dem in Belgien Asyl gewährt wurde.
Während ihres Aufenthalts in Belgien bekam das Paar zwei Kinder, welche aufgrund der dortigen Gesetze mit ihrer Geburt belgische Staatsangehörige wurden.
Das Gericht hatte deswegen zu entscheiden, ob den drittstaatsangehörigen Eltern aufgrund der Unionsbürgerschaft des Kindes ein Aufenthaltsrecht und Arbeitsrecht in Belgien zu gewähren war.
Arbeitsaufnahme ohne Arbeitserlaubnis in Belgien
Während seines Aufenthaltes in Belgien schloss der Vater trotz fehlender Arbeitserlaubnis einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit einem belgischen Unternehmen ab. Durch diese Tätigkeit war der Lebensunterhalt der Familie gesichert. Die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge wurden ordnungsgemäß einbehalten, und die entsprechenden Arbeitgeberbeiträge wurden fristgerecht entrichtet.
Ablehnung des Arbeitslosengeldes und Niederlassungserlaubnis
Als der Vater arbeitslos wurde, stellte er Anträge auf Arbeitslosengeld, die jedoch von den belgischen Behörden mit der Begründung abgelehnt wurden, dass er keine Arbeitserlaubnis besitze. Darüber hinaus stellten Herr und Frau Zambrano, als Verwandte eines belgischen Staatsangehörigen (ihres Kindes), einen Antrag auf Niederlassungserlaubnis in Belgien. Auch dieser Antrag wurde von den belgischen Behörden abgelehnt. Die Begründung lautete, dass die Eheleute es bewusst unterlassen hätten, die kolumbianische Staatsangehörigkeit für ihre Kinder in Kolumbien zu beantragen.
Klage gegen die Entscheidungen und Vorlage an den EuGH
Herr Zambrano erhob gegen beide ablehnenden Entscheidungen Klage und argumentierte, dass er als Verwandter aufsteigender Linie eines minderjährigen belgischen Kindes einen Anspruch darauf habe, sich in Belgien aufhalten und dort arbeiten zu dürfen. Das belgische Gericht legte daraufhin dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Eheleute das Recht hätten, sich in Belgien aufzuhalten und dort zu arbeiten. Es sollte insbesondere geklärt werden, ob das Unionsrecht anwendbar ist, obwohl die belgischen Kinder ihr Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU-Mitgliedstaaten niemals ausgeübt hatten.
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
Der Europäische Gerichtshof entschied, dass der Unionsbürgerstatus der grundlegende Status der Angehörigen der EU-Mitgliedstaaten sei. Artikel 20 AEUV stehe grundsätzlich nationalen Maßnahmen entgegen, die dazu führen, dass Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands ihrer Rechte verwehrt wird. Eine solche nationale Maßnahme liege vor, wenn einer Person aus einem Drittstaat, die minderjährige Kinder in einem EU-Mitgliedstaat hat, die diesem Mitgliedstaat angehören und von ihr unterhalten werden, der Aufenthalt und die Arbeitserlaubnis verweigert werden. Artikel 20 AEUV vermittle daher ein eigenständiges Aufenthaltsrecht, das auf dem Unionsbürgerstatus beruht.
Quelle: Europäischer Gerichtshof
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