Arbeitsrecht: Eine Verdachtskündigung ist nur bei der Erfüllung strenger Voraussetzungen möglich

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 17.02.2012, Az.: 17 Sa 252/11

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (fristlose Kündigung) gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage somit in zwei Stufen zu prüfen.

1. Zunächst ist zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist.

2. In der zweiten Stufe bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.

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Insbesondere bei einer Verdachtskündigung ist allerdings eine besondere Vorgehensweise des Arbeitgebers nötig, damit die fristlose Kündigung wirksam wird.

Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn demArbeitnehmer wegen des Verdachts auf eine im Betrieb begangene Verfehlung gekündigt wurde.

In den allermeisten Fällen geht es dabei um Diebstahl oder Unterschlagung.

In dem oben genannten Urteil stritten sich die Parteien über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, hilfsweise fristgerechten Kündigung mit einer Auslauffrist zum 31.12.2010 wegen Unterschlagung bzw. des dringenden Verdachts einer Unterschlagung.

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Sachverhalt und Kündigung

Im vorliegenden Fall klagte ein 1972 geborener, verheirateter Mann, der für seine Familie unterhaltspflichtig war, gegen die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten, bei der er seit 1997 als Kassenführer beschäftigt war. Sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 3.239,70 €. Die Beklagte warf ihm vor, am 1. Juni 2010 von einem Kunden 14,99 € erhalten zu haben, ohne dafür eine Quittung auszustellen, und den Betrag einbehalten zu haben.

Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis am 15. Juni 2010 fristlos und hilfsweise mit einer sozialen Auslauffrist von sechs Monaten bis zum 31. Dezember 2010. Der Kläger legte gegen diese Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein.

Entscheidung des Arbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht entschied zugunsten des Klägers. Es stellte fest, dass der Kläger als Wahlbewerber gemäß § 15 Abs. 3 S. 2 KSchG unter Sonderkündigungsschutz stand. Eine fristlose Kündigung sei nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig. Die Beklagte konnte jedoch nicht ausreichend nachweisen, dass der Kläger den Betrag von 14,99 € rechtswidrig einbehalten hatte.

Berufung beim Landesarbeitsgericht

Die Beklagte legte Berufung beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf ein, welches die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigte. Das LAG stellte fest, dass weder die fristlose Kündigung noch die hilfsweise ausgesprochene Kündigung mit sozialer Auslauffrist wirksam waren. Die Beklagte hatte die Kündigung auf den Verdacht einer Unterschlagung gestützt, konnte jedoch nicht nachweisen, dass der Kläger den Betrag tatsächlich für sich behalten hatte.

Grundsätze zur Verdachtskündigung

Das LAG wies darauf hin, dass eine Verdachtskündigung nur dann gerechtfertigt ist, wenn starke Verdachtsmomente auf objektiven Tatsachen basieren und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung unternommen hat. Die Beklagte konnte keine konkreten Tatsachen vorlegen, die den Verdacht einer rechtswidrigen Aneignung des Geldbetrags begründeten. Zudem betonte das Gericht, dass die strafrechtliche Bewertung für die kündigungsrechtliche Beurteilung nicht maßgebend sei.

Insgesamt wurde das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet, da die Beklagte die erforderlichen Nachweise und Begründungen für eine fristlose Kündigung nicht erbracht hatte.

Quelle: Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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