Bundesgerichtshof, 25.1.2011, Az.: II ZR 196/09
Gem. § 64 S. 1 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden.
Zweck dieser Regelung ist es, dass ab Insolvenzreife einzelne Gläubiger der Gesellschaft nicht mehr befriedigt werden, indem die Masse für die Befriedigung der Gläubiger erhalten bleibt.
Um dieses Ziel zu erreichen und den dafür notwendigen Druck herzustellen, kann gem. § 64 GmbHG mit dem Geschäftsführer, eine letztlich verantwortliche natürliche Person haftbar gemacht werden.
Der Anspruch nach § 64 GmbHG ist somit auch kein Schadensersatzanspruch der GmbH, sondern wird durch den BGH als Anspruch eigener Art klassifiziert, da es letztendlich nicht um den Schaden der Gesellschaft, sondern der Gläubigergemeinschaft geht.
In der oben genannten Entscheidung hatte der BGH nun darüber zu entscheiden, ob der Geschäftsführer nach § 64 Satz 1 GmbHG haftet, wenn er nach Eintritt der Insolvenzreife rückständige Umsatz- und Lohnsteuern an das Finanzamt und rückständige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle auszahlt.
Hintergrund des Falls: Insolvenz und Zahlungen des Beklagten
Der Beklagte war Geschäftsführer einer Bauingenieurgesellschaft mbH, über deren Vermögen Anfang Januar 2006 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger, der Insolvenzverwalter, forderte vom Beklagten die Erstattung von zwei Zahlungen, die dieser nach Eintritt der Insolvenzreife an das Finanzamt und die AOK geleistet hatte.
Hilfsweise stützte der Kläger seine Forderung darauf, dass nach der Insolvenzreife Überweisungen in Höhe von 121.212,50 € auf dem Geschäftskonto der GmbH gutgeschrieben worden waren.
Entscheidung des Landgerichts und des Berufungsgerichts
Das Landgericht wies die Klage in Bezug auf die Zahlungen an die AOK und das Finanzamt ab. Es verurteilte den Beklagten jedoch dazu, 18.501,07 € an den Kläger zu zahlen. Dieser Betrag entsprach der Differenz zwischen den Gutschriften auf dem Geschäftskonto und den geleisteten Zahlungen an das Finanzamt und die AOK. Den weitergehenden Antrag wies das Gericht zurück.
Das Berufungsgericht wies, auf die Berufung des Beklagten hin und unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers, die Klage in vollem Umfang ab. Der Kläger verfolgte sein Anliegen in der Revision weiter.
Urteil des Bundesgerichtshofs: Geschäftsführer handelte ordnungsgemäß
Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte die Entscheidung zugunsten des Beklagten. Er entschied, dass der Beklagte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers gehandelt habe, als er die Zahlungen an das Finanzamt und die AOK leistete.
Der BGH argumentierte, dass ein Geschäftsführer nicht in die Position gebracht werden dürfe, sich strafbar und ersatzpflichtig zu machen, indem er fällige Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht abführt. Dies gelte sowohl für nach der Insolvenzantragsfrist fällig werdende Zahlungen als auch für bereits bestehende Rückstände.
Diese Entscheidung steht in Einklang mit früheren Urteilen des BGH, in denen festgehalten wurde, dass ein Geschäftsführer auch nach Eintritt der Insolvenzreife die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns walten lässt, wenn er fällige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung entrichtet (BGH, Urteile vom 14.5.2007 – II ZR 48/06 und vom 2.6.2008 – II ZR 27/07).
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Quelle: Bundesgerichtshof
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