Bundesverfassungsgericht, 25.03.2011, Az.: 2 BvR 1413/10
§ 30 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) regelt den Ehegattennachzug zu Ausländern.
Gem. § 30 kann der Ehegatte eines Ausländers grundsätzlich dann eine Aufenthaltserlaubnis beantragen, wenn
• beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben
• der Ehegatte sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann
und wenn der Ausländer eine
• Niederlassungserlaubnis
• Daueraufenthalt-EG
• Aufenthaltserlaubnis
besitzt.
Gerade die in § 30 Abs. 1 Nr. 2 geregelte Voraussetzung, dass der Ehegatte sich zumindest in einfacher Art in deutscher Sprache verständigen kann, ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen und politischer Diskussionen.
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift 30 zu § 30 AufenthG definiert in 30.1.2.1. die notwendigen sprachlichen Fähigkeiten wie folgt: „Kann vertraute, alltägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze verstehen und verwenden, die auf die Befriedigung konkreter Bedürfnisse zielen. Kann sich und andere vorstellen und anderen Leuten Fragen zu ihrer Person stellen – z. B. wo sie wohnen, was für Leute sie kennen oder was für Dinge sie haben – und kann auf Fragen dieser Art Antwort geben. Kann sich auf einfache Art verständigen, wenn die Gesprächspartnerinnen oder Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen und bereit sind zu helfen.“
Die oben genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte die Verfassungskonformität des § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zum Gegenstand.
Die Beschwerdeführer in diesem Verfahren waren türkische Staatsangehörige die sich aufgrund der Ablehnung des Ehegattennachzugs in ihren Grundrechten aus Art. 6 Abs. 1 (Schutz von Ehe und Familie), Abs. 2 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit), Art. 3 GG (Gleichheitsgrundsatz) sowie Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) verletzt sahen.
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin zu 1. war die Mutter der Beschwerdeführer zu 2. bis 6. Auf Grundlage des § 30 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) beantragte sie eine Aufenthaltserlaubnis. Da sie Analphabetin war, konnte sie die nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geforderten Sprachnachweise nicht erbringen. Der Antrag wurde von der zuständigen Behörde abgelehnt.
Entscheidungen der Verwaltungsgerichte
Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht bestätigten die Entscheidung der Behörde. In der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 136, 231) wurde die Ablehnung des Antrags durch die Behörde als rechtmäßig beurteilt.
Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin
Daraufhin erhob die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Sie machte geltend, dass ihre Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Grundgesetz (GG) sowie Art. 3 GG und Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt seien. Insbesondere kritisierte sie den geforderten Sprachnachweis als verfassungswidrig, da dieser weder zur Bekämpfung von Zwangsheiraten noch zur Integration der betroffenen Ausländer geeignet sei. Zudem führte sie an, dass die verlangten Sprachkenntnisse unzureichend seien, um den gesetzgeberischen Zielen zu dienen.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die zweite Kammer des 2. Senats erklärte § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG für verfassungskonform. Begründet wurde die Nichtannahmeentscheidung damit, dass die verfassungsrechtlichen Fragen bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt seien (vgl. BVerfGE 76, 1; 80, 81; BVerfGK 13, 26). Die angegriffenen Entscheidungen konkretisierten die entwickelten Grundsätze für den Nachweis deutscher Sprachkenntnisse gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG in einer rechtlich nicht zu beanstandenden Weise.
Quelle: Bundesverfassungsgericht
Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.
Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine Email an info@mth-partner.de
Eine Antwort