Krankenversicherungsrecht: Zur Übernahmeverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung hinsichtlich des Eigenanteils

Sozialgericht Oldenburg, 01.06.2011, Az.: S 61 KR 354/09

Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung müssen bei Inanspruchnahme von ärztlich verordneten Heilbehandlungen oftmals Zuzahlungen leisten, § 61 SGB V.

Pro Familie beträgt die jährlich zugemutete Belastungsgrenze derzeit zwei Prozent des Familienbruttoeinkommens. Bei Versicherten, die wegen einer schwerwiegenden chronischen Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt die zugemutete Belastungsgrenze nur ein Prozent.

Von den Zuzahlungen zu unterscheiden ist die Zahlung des Eigenanteils durch den Versicherten. Hintergrund dieses Eigenanteils ist die Tatsache, dass manche ärztlich verordnete Hilfsmittel Gebrauchsgegenstände sind, die auch gesunde Menschen benutzen. Für diesen Anteil des Hilfsmittels ist dann der Eigenanteil durch den Versicherten zu zahlen. Bei orthopädischen Schuhen sind beispielsweise die Schuhe ein Gebrauchsgegenstand, die orthopädische „Zurichtung“ jedoch das Hilfsmittel.

In der oben genannten Entscheidung des Sozialgerichts Oldenburg hatte dieses darüber zu entscheiden, ob die beklagte Krankenkasse zur Übernahme des Eigenanteils des Klägers für sogenannte Orthesenschuhe verpflichtet war.

Hintergrund des Falls

Der Kläger, geboren im Jahr 2006, war aufgrund einer Behinderung auf Orthesenschuhe angewiesen und bei der Beklagten versichert. Diese hatte die Kosten für die speziellen Schuhe bewilligt, jedoch musste der Kläger einen Eigenanteil von 45 Euro pro Paar Schuhe tragen, was insgesamt 90 Euro ausmachte. Die Mutter des Klägers bat die Versicherung, den Eigenanteil zu überprüfen, da ihr Sohn aufgrund seiner Erkrankung häufig neue Schuhe benötigte. Die Beklagte lehnte eine vollständige Kostenübernahme ab und verwies darauf, dass der Versicherte einen Eigenanteil für den Gebrauchsgegenstand, in diesem Fall Schuhe, zu tragen habe.

Widerspruch und Klage des Klägers

Nach der Ablehnung durch die Versicherung legte der Kläger Widerspruch ein, der ebenfalls abgelehnt wurde. Die Begründung der Beklagten stützte sich darauf, dass der Eigenanteil für orthopädische Straßenschuhe gemäß der gemeinsamen Empfehlung der Spitzenverbände bei 45 Euro liege. Daraufhin erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Oldenburg mit der Begründung, es handle sich um einen Rehabilitationsfall nach SGB IX und die Beklagte habe den Fall zu Unrecht nach den Vorschriften des SGB V geprüft. Der Kläger argumentierte, dass die Beklagte den Fall an den Sozialhilfeträger hätte weiterleiten müssen.

Urteil des Sozialgerichts Oldenburg

Das Sozialgericht entschied zugunsten der Beklagten und erklärte, dass die Bescheide rechtmäßig seien. Als Grundlage für die Übernahme des Eigenanteils sei allein § 13 Abs. 3 SGB V anzuwenden, wonach die Krankenkasse nur dann verpflichtet sei, Kosten zu erstatten, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Da die Ablehnung des Eigenanteils als korrekt angesehen wurde, lagen diese Voraussetzungen nicht vor. Der Kläger habe zwar Anspruch auf Orthesenschuhe als Hilfsmittel, müsse sich aber den allgemeinen Gebrauchsvorteil der Schuhe anrechnen lassen, da diese auch von gesunden Menschen genutzt werden.

Rechtliche Begründung und Eigenanteil

Das Gericht führte aus, dass bei Hilfsmitteln, die gleichzeitig Gebrauchsgegenstände sind, eine wirtschaftliche Trennung notwendig sei. Der Eigenanteil des Versicherten solle dem Wert des allgemeinen Gebrauchsgegenstandes entsprechen, hier den normalen Kinderschuhen. Das Gericht bestätigte, dass der Eigenanteil von 45 Euro angemessen sei und eher am unteren Ende der üblichen Kosten für Kinderschuhe liege. Eine vollständige Kostenübernahme durch die Beklagte sei daher nicht gerechtfertigt, da der Versicherte nicht von Aufwendungen entlastet werden solle, die jeder Mensch zu tragen habe. Eine Übertragung des Falls an den Sozialhilfeträger sei ebenfalls nicht erforderlich, da die Beklagte als Rehabilitationsträger korrekt gehandelt habe.

Quelle: Sozialgericht Oldenburg

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Eine Antwort

  1. Wie sieht das denn aus bei Volljährigen. Unsere Krankenkasse ist der Überzeugung, das Behinderte mit Erreichen der Volljährigkeit auch die vollen Kosten für Orthesenschuhe übernehmen müssen. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen würde die Krankenkasse die Kosten für die Schuhe (abzgl.Eigenanteil) übernehmen.

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