Reiserecht: Die Betreuung von Behinderten durch die Reiseleitung stellt keinen Reisemangel dar

Amtsgericht München, 01.12.2012, Az.: 223 C 17592/11

Das Reisevertragsrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch in den §§ 651a ff. geregelt. § 651c BGB wiederum ist die zentrale Vorschrift des reisevertraglichen Gewährleistungsrechts.

Gemäß § 651c BGB ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.

Zugesicherte Eigenschaften sind besonders qualifizierende Eigenschaften der Reise, die zwischen den Parteien des Reisevertrages vereinbart wurden. Die Vereinbarung kann dabei individuell erfolgen oder durch den Reiseprospekt Bestandteil des Reisevertrages werden.

Neben  der mangelfreien Unterbringung  und Verpflegung am Urlaubsort gehört zu den Hauptpflichten des Reiseveranstalters auch die mangelfreie Beförderung vom und zum Urlaubsort.

Folgende Grafik stellt die möglichen Folgen einer mangelhaften Leistung des Reiseveranstalters dar:

Maengelrechte_im_Reiserecht

In der oben genannten Entscheidung des AG München hatte dieses darüber zu entscheiden, ob die intensive Betreuung von behinderten Mitreisenden durch die Reiseleitung einen zur Reisepreisminderung berechtigenden Mangel darstellt.

Ähnliche Urteile: Landgericht Frankfurt am Main, 25.02.1980, Az.: 24 S 282/79; Amtsgericht Flensburg, 27.08.1992, Az.: 63 C 265/92; Amtsgericht Kleve, 12.03.1999, Az.: 3 C 460/98; Amtsgericht Bad Homburg, 12.08.199, Az.: 2 C 2096/99

Sachverhalt: Reise mit Hindernissen

Ein Ehepaar unternahm im November 2010 eine dreiwöchige Studienreise nach Südafrika, die sie insgesamt 9.990 Euro kostete. Bereits der Hinflug verzögerte sich um 4 Stunden und 45 Minuten. Zudem wiesen die Sanitäreinrichtungen des Hotels in Kapstadt Schimmel auf, und auf einer Fahrt nach Pretoria blieb der Reisebus aufgrund einer Panne liegen. Für diese Unannehmlichkeiten zahlte das Reiseunternehmen dem Ehepaar 285 Euro und stellte zusätzlich einen Reisegutschein im Wert von 200 Euro aus.

Beschwerden der Reisenden

Das Ehepaar forderte jedoch weitere 714 Euro Entschädigung. Sie waren der Meinung, dass die Reiseleitung aufgrund der Betreuung einer schwerstbehinderten und beinahe blinden Mitreisenden stark abgelenkt gewesen sei, was die Qualität der Reise beeinträchtigt habe. Die Reisenden argumentierten, dass das Reiseunternehmen dafür verantwortlich sei, nur solche Gäste mitzunehmen, die entweder selbstständig oder mit Hilfe einer dauerhaften Betreuungsperson zurechtkommen. Die Betreuung der behinderten Mitreisenden habe den zeitlichen Ablauf der Studienreise an mehreren Programmpunkten erheblich verzögert.

Entscheidung des Amtsgerichts München

Das Amtsgericht München wies die Klage ab und folgte nicht der Ansicht der Klägerin. Es stellte klar, dass ein Reisemangel eine Abweichung der erbrachten von der geschuldeten Leistung voraussetze. Das Reiseunternehmen sei jedoch nicht verpflichtet, nur nicht-behinderte Mitreisende auf eine Gruppenreise mitzunehmen. Zudem sei es ein allgemeines Risiko bei Gruppenreisen, dass Mitreisende unterschiedliche Bedürfnisse haben und eine intensivere Betreuung benötigen könnten. Dies stelle keinen Mangel dar, der eine Entschädigung rechtfertige.

Rechtliche Würdigung: Kein Anspruch auf „problemlose“ Mitreisende

Das Gericht argumentierte weiter, dass die Klägerin sich glücklich schätzen könne, nicht selbst auf intensive Betreuung angewiesen zu sein. Es sei nicht hinnehmbar, sich über die Anwesenheit behinderter Menschen zu beschweren, die ebenfalls das Recht hätten, an Reisen teilzunehmen. Die Betreuung eines behinderten Mitreisenden durch die Reiseleitung gehöre zum allgemeinen Risiko von Gruppenreisen und begründe keinen Anspruch auf Schadenersatz oder Reisepreisminderung.

Fazit: Die Klage der Reisenden auf weitere Entschädigung wurde abgewiesen. Das Gericht sah in der Betreuung der behinderten Mitreisenden durch die Reiseleitung keinen Reisemangel. Die bereits gewährte Entschädigung und der Gutschein deckten die restlichen Unannehmlichkeiten ab.

Quelle: Amtsgericht München

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