Sozialrecht: Bestandsrentnern ist der Wechsel in die abschlagsfreie Altersrente verwehrt.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 12.08.2015, Az.: L 6 R 114/15

Durch eine Sonderregelung in § 236b SGB VI können besonders langjährig Versicherte bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze vorübergehend eine abschlagsfreie Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahres beziehen.

Voraussetzung für den Bezug dieser Rente sind 45 Pflichtbeitragsjahre aus Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Berücksichtigt werden auch Zeiten der Kindererziehung bis zum vollendeten 10. Lebensjahr des Kindes und Zeiten der Pflege.

Rentner, die bereits vor Einführung dieser Sonderregelung eine Rente mit Abschlägen wegen vorzeitiger Inanspruchnahme erhalten haben, können allerdings nicht in die abschlagsfreie Rente wechseln. Das entschied unter Anderem das Sozialgericht Dortmund mit Urteil vom 12.06.2015, Az.: S 61 R 108/15.

Auch in dem hier vorgestellten Fall hatte sich das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz mit dem Wechselwunsch eines Rentners in die abschlagsfreie Altersrente zu beschäftigen.

Sachverhalt: Der 1951 geborene Kläger in diesem Rechtsstreit war bis Ende 2012 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.

Im Oktober 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit (§ 237 SGB VI). Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 31.1.2013 eine Altersrente nach Altersteilzeitarbeit ab dem 01.01.2013.

Der laufende Zahlbetrag belief sich zunächst auf monatlich netto 1.085,74 EUR. Dabei berücksichtigte die Beklagte wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente einen verminderten Zugangsfaktor.

Der auf Gewährung eines höheren Auszahlungsbetrages gerichtete Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2013 zurückgewiesen. Dieser Bescheid war bestandskräftig geworden. In der Folgezeit bezog der Kläger laufend die ihm bewilligte Altersrente mit vermindertem Zugangsfaktor.

Mit einem bei der Beklagten am 21.7.2014 eingegangenen Schreiben vom 15.7.2014 stellte der Kläger dann einen Antrag auf Wechsel in die abschlagsfreie Rente mit 63 für besonders langjährig Versicherte.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2014 ab, weil der Kläger bereits eine Altersrente nach Altersteilzeitarbeit beziehen würde. Nach geltendem Recht (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI) sei ein Wechsel in eine andere Altersrentenart ausgeschlossen.

Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.9.2014 ebenfalls zurückgewiesen.

Dagegen klagte der Kläger zunächst beim Sozialgericht Speyer. Das SG Speyer wies die Klage mit der Begründung ab, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte habe. Zwar erfülle der Kläger die Voraussetzungen der Altersrente für besonders langjährig Versicherte auf Grundlage der zum 01.07.2014 in Kraft getretenen Vorschrift des § 38 SGB VI i. V. m. § 236b Abs. 1 SGB VI.

Allerdings würde bei ihm die Ausschlussregelung des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI greifen, da er bereits die Altersrente nach Altersteilzeitarbeit beziehen würde.

Gegen den dem Kläger am 7.3.2015 zugestellten Gerichtsbescheid legte der Kläger dann Berufung zum Landessozialgericht Rheinland-Pfalz ein und begründete diese damit, dass er das umlagefinanzierte Rentensystem ebenso getragen habe wie andere und keinen sachlichen Grund sehe, nicht die abschlagsfreie Rente auch für sich zu erhalten.

Die Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Rentnern halte er für eine ungerechtfertigte Diskriminierung, so dass er sich durch die Ablehnung in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt sehe.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz: Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz folgte der Ansicht des Sozialgerichts und urteilte, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen würden.

Gemäß § 34 Abs. 4 SGB VI sei nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente der Wechsel in eine 1. Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 2. Erziehungsrente oder 3. andere Rente wegen Alters ausgeschlossen.

Die für den vorliegend streitigen Wechsel von der Altersrente nach Altersteilzeit in eine Altersrente nach Altersteilzeit für besonders langjährig Versicherte maßgebliche Vorschrift des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI sehe folglich vor, dass ein Altersrentner dauerhaft Bezieher dieser Altersrente bleiben solle.

34 Abs. 4 SGB VI schließe als Ausschlusstatbestand die Möglichkeit des Wechsels in eine andere Altersrentenart nach bindender Bewilligung oder für Zeiten des Bezugs der Altersrente ausdrücklich aus und zwar auch dann, wenn sich bei einem Wechsel von einer Altersrente, ggf. mit erheblichen Rentenabschlägen wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente, in eine andere ein günstigerer Zugangsfaktor ergeben würde. Mit der Regelung werde sichergestellt, dass der Versicherte, der sich für eine vorzeitige Altersrente entschieden und zumindest vom Vollzeitarbeitsmarkt abgewandt habe, dauerhaft Bezieher dieser Leistung bleibe.

34 Abs. 4 SGB VI solle Dispositionen zu Lasten der Versichertengemeinschaft ausschließen. Die Versicherten würden folglich an ihrer Disposition festgehalten und hätten deren Folgen, nämlich die Reduzierung des Zugangsfaktors wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente, zu tragen.

Gegen die Regelung des § 34 Abs. 4 SGB VI bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG, Urteil vom 26.7.2007 – B 13 R 44/06 R). Daher sei die vom Kläger begehrte Umwandlung der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit ab Antragstellung in eine abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI ausgeschlossen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI würden auch vorliegen. Die Beklagte habe dem Kläger durch bestandskräftigen Bescheid vom 31.1.2013 zum 1.1.2013 eine Altersrente nach Altersteilzeit bewilligt. Dieser habe die Altersrente seit diesem Tag auch tatsächlich bezogen und würde sie auch weiterhin beziehen. Die begehrte Umwandlung stelle einen Wechsel i.S. des § 34 Abs. 4 SGB VI dar, weil die Anspruchsvoraussetzungen für die gewünschte abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte erst nach der Bewilligung und während des Bezugs dieser Altersrente eingetreten seien.

Dass die Absenkung des Zugangsfaktors bei vorgezogenen Altersrenten, die längere Rentenlaufzeiten infolge eines vorgezogenen Rentenbeginns ausgleichen und die Kostenneutralität vorgezogener Rentenleistungen sicherstellen solle, verfassungsgemäß sei und zur Sicherung der Finanzierung des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung und damit zur Erhaltung dessen Funktionsfähigkeit gerechtfertigt sei, habe das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (BVerfG, Beschluss vom 7.2.2011 – 1 BvR 642/09 m.w.N.).

Rentenabschläge an sich seien nach Auffassung des BVerfG zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen i. S. d. Art. 14 GG. Der Versicherte, der sich in Kenntnis des konkreten Abschlags wegen des vorzeitigen Rentenbezugs, d.h. also sehenden Auges für eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente entschieden und die damit verbundenen Vorteile in Anspruch genommen habe, habe für diesen Zuwachs an individueller Freiheit im Alter mit einer dauerhaften Rentenkürzung für den früheren Renteneintritt zu rechnen.

Quelle: Sächsisches Landessozialgericht

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