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Mietrecht: Der Mieter hat am Mietobjekt das Recht auf Einsicht in die Originalbelege

Landgericht Kempten, 16.11.2016, 53 S 740/16

Ein Blick auf das Rechenwerk reicht alleine nicht, wenn eine Betriebskostenabrechnung überprüft werden soll. Einzig die Schlüssigkeit der Abrechnung selbst und die Zulässigkeit des Ansatzes bestimmter Kosten kann geklärt werden. Will man wissen, ob die Kosten in der angegebenen Höhe aber auch tatsächlich entstanden sind, muss man in die Abrechnungsbelege hineinsehen.

Jedoch hat die Einsichtnahme in die Belege, welche der Betriebskostenabrechnung zu Grunde liegen, auch noch einen weiteren Sinn. Sie kann nämlich als Obliegenheit des Mieters für das Verhalten in einem späteren Prozess von Bedeutung sein. Das Bestreiten des Kostenansatzes ist gemäß § 138 Abs. 4 ZPO lediglich nur dann zu beachten, wenn vorher der Mieter in die Berechnungsunterlagen eingesehen hat. Soll das Bestreiten des Mieters nicht als rechtlich unerheblich angesehen werden, so muss er von dieser Möglichkeit der Einsichtnahme Gebrauch machen.

So ist beispielsweise ohne vorherige Einsichtnahme in die Unterlagen die Behauptung, dass bestimmte Betriebskosten auch dem Geschäftsraum zuzurechnen seien, nicht ausreichend substantiiert. Umstritten ist nach wie vor, ob Mieter anstelle der Originalbelege beim Vermieter auch einen Anspruch auf Zusendung der Kopien der Belege haben.

Sachverhalt: Streit um Nachzahlung und Belegeinsicht

Die Klägerin, Vermieterin einer Wohnung, forderte vom Beklagten, ihrem Mieter, eine Nachzahlung aufgrund einer Betriebskostenabrechnung. Nachdem der Beklagte die Abrechnung erhalten hatte, verlangte er Einsicht in die Unterlagen, die dieser Abrechnung zugrunde lagen. Die Klägerin weigerte sich jedoch, dem Mieter die Originalbelege zur Einsicht vorzulegen, da der Wohnort der Vermieterin zu weit von der Mietsache entfernt war. Als Alternative bot sie an, Kopien der Originalbelege zuzusenden. Der Beklagte lehnte dieses Angebot ab und verweigerte die Nachzahlung aufgrund der fehlenden Vorlage der Originalbelege.

Urteil des Landgerichts Kempten: Recht des Mieters auf Einsicht in Originalbelege

Das Landgericht Kempten entschied, dass der Mieter gemäß § 259 BGB grundsätzlich das Recht auf Einsicht in die Originalunterlagen hat. Diese Entscheidung entspricht der ständigen Rechtsprechung der Kammer und der herrschenden Meinung. Der Beklagte als Mieter durfte daher die Einsichtnahme in die Originalbelege verlangen. Dies gilt auch, wenn eine große Entfernung zwischen dem Sitz der Vermieterin und der Mietsache besteht. Der Mieter ist nicht verpflichtet, sich mit Kopien der Belege zufrieden zu geben.

Zurückbehaltungsrecht des Mieters bei verweigerter Belegeinsicht

Das Gericht stellte fest, dass der Mieter in einem solchen Fall ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Nachzahlung geltend machen kann, solange die Vermieterin ihm nicht die Möglichkeit zur ordnungsgemäßen Überprüfung der Betriebskostenabrechnung bietet. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht insbesondere dann, wenn die Belegeinsicht nicht in der gebotenen Weise ermöglicht wird. Der Beklagte konnte daher die Nachzahlung verweigern, solange die Einsicht in die Originalbelege nicht gewährt wurde.

Folgen der verweigerten Belegeinsicht und Rechtsausübung

Das Landgericht Kempten erklärte weiter, dass das Zahlungsverlangen der Klägerin als unzulässige Rechtsausübung anzusehen ist, wenn die Belegeinsicht verweigert wird. Die übliche „Zug-um-Zug-Verurteilung“ nach § 274 BGB kommt in einem solchen Fall nicht zur Anwendung. Die Fälligkeit des Nachzahlungsanspruchs der Vermieterin wurde daher verneint. Mit der Verweigerung der Belegeinsicht verletzte die Vermieterin ihre vertragliche Nebenpflicht. Bei einer ordnungsgemäßen Einsichtnahme wäre der Mieter jedoch verpflichtet gewesen, die Nachzahlung zu leisten.

Quelle: Landgericht Kempten

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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