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Ausländerrecht: Zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerung müssen alle Anspruchsvoraussetzungen des § 10 StAG vorliegen

Hinweis: Wegen der Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2024 würde dieses Urteil nicht mehr so entschieden werden

Verwaltungsgericht Stuttgart, 24.05.2016, Az.: 11 K 5952/15

Die Einbürgerungsvoraussetzungen sind in § 10 StAG niedergelegt.

Die in § 10 StAG genannten Voraussetzungen müssen zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerung kumulativ vorliegen. Eine Abweichung hiervon ist nicht möglich – weder durch Nebenbestimmungen noch durch Verwaltungsvorschriften.

Liegt eine der vorgenannten Voraussetzungen demnach nicht vor, darf die Einbürgerung nicht erteilt werden. So darf zum Beispiel eine Einbürgerung nicht erteilt werden, wenn Leistungen vom Staat nach dem SGB II oder SGB XII bezogen werden, wie Hartz IV oder Sozialhilfe.

In dem nachstehenden Urteil geht es einerseits um die Frage, inwiefern eine Behörde Nebenbestimmungen als Auflagen in Bezug auf die Einbürgerung treffen kann und anderseits um die Frage der Voraussetzungen einer Einbürgerung.

Hintergrund der Einbürgerung und erteilte Auflagen

Die Kläger, geboren 1999 und 2001 in Deutschland, besitzen die dschibutische Staatsangehörigkeit. Beide beantragten am 14. August 2014 die deutsche Einbürgerung. Zu diesem Zeitpunkt waren sie noch minderjährig. Ihre Einbürgerung erfolgte am 10. Juli 2015, verbunden mit der Auflage, dass sie nach Erreichen der Volljährigkeit den Verlust ihrer dschibutischen Staatsangehörigkeit herbeiführen müssen. Diese Auflage beinhaltete, dass die Kläger alle notwendigen Handlungen vornehmen müssen, um eine Entlassungsurkunde von den Behörden in Dschibuti zu erhalten. Dazu zählte auch, das Verfahren ernsthaft und nachhaltig zu betreiben und dem Landratsamt zu erlauben, direkt mit der zuständigen Auslandsvertretung zu kommunizieren. Außerdem wurde von den Klägern verlangt, den Ausgang des Verfahrens durch Vorlage der entsprechenden Unterlagen zu dokumentieren. Das Landratsamt stellte klar, dass die Einbürgerung unter der Bedingung erfolgte, dass die Kläger mit Erreichen der Volljährigkeit ihre dschibutische Staatsangehörigkeit ablegen.

Widerspruch der Kläger gegen die Auflagen

Am 17. Juli 2015 legten die Kläger Widerspruch gegen die erteilten Auflagen ein. Ihr Widerspruch richtete sich insbesondere gegen die Aufforderung, das Verfahren zum Verlust der dschibutischen Staatsangehörigkeit ernsthaft zu betreiben, und gegen die Pflicht, den Nachweis über die Entlassung aus der dschibutischen Staatsangehörigkeit zu erbringen. Nach Auffassung der Kläger sei es nach den dschibutischen Gesetzen ausreichend, eine einfache Verzichtserklärung abzugeben. Ein umfassendes Verfahren, wie es von den deutschen Behörden gefordert wurde, sei nicht notwendig. Die Kläger argumentierten, dass die Einbürgerung nicht von der Abgabe weiterer Nachweise abhängig gemacht werden sollte, insbesondere da das dschibutische Recht keine weitergehenden Handlungen verlange.

Der Widerspruch wurde jedoch am 20. November 2015 vom Regierungspräsidium zurückgewiesen. In der Begründung führte das Präsidium aus, dass gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG für die Einbürgerung der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit erforderlich sei. Das Regierungspräsidium erläuterte weiter, dass das dschibutische Recht vom islamischen Recht geprägt sei und Kinder bis zu ihrem 18. Lebensjahr durch ihren Vater als Vormund vertreten würden. Daher könne die dschibutische Staatsangehörigkeit erst nach Erreichen der Volljährigkeit wirksam abgelegt werden. Das Präsidium verwies auf die Verwaltungsvorschrift Nr. 10.1.1.4 VwV-StAG und den Erlass des Ministeriums für Integration vom 13. September 2013, die vorsehen, dass in Fällen, in denen die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit erst nach Erreichen eines bestimmten Alters möglich ist, die Einbürgerung unter der Bedingung erfolgen kann, dass der Einbürgerungsbewerber nach Erreichen dieses Alters unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergreift.

Klageerhebung und Positionen der Parteien

Am 15. Dezember 2015 erhoben die Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Sie machten geltend, dass es für den Verlust der dschibutischen Staatsangehörigkeit ausreiche, wenn sie freiwillig auf diese verzichten. Ein weitergehendes Verfahren sei nach ihrer Auffassung nicht erforderlich. Die Kläger argumentierten, dass die Einbürgerung nicht von der Erfüllung zusätzlicher Auflagen abhängig gemacht werden könne, die im dschibutischen Recht keine Entsprechung hätten. Der Beklagte, vertreten durch das Landratsamt, beantragte die Abweisung der Klage und argumentierte, dass die Einbürgerung nach § 10 StAG korrekt erfolgt sei und dass die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit zwingende Voraussetzungen für die Einbürgerung seien. Das Landratsamt betonte, dass die Auflage, die pass- und personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu klären, notwendig sei, um einen wirksamen Antrag auf Verzicht der dschibutischen Staatsangehörigkeit stellen zu können. Ohne die Ausstellung eines Nationalpasses durch Dschibuti, den die Kläger jedoch nicht besaßen, sei eine bloße Verzichtserklärung unzureichend. Zudem wurde hervorgehoben, dass die Eltern der Kläger sich weigerten, einen Nationalpass zu beantragen, was Zweifel am tatsächlichen Willen der Kläger aufkommen ließ.

Einschätzung der dschibutischen Botschaft

Am 19. Januar 2016 informierte die dschibutische Botschaft in Berlin das Landratsamt darüber, dass eine Verzichtserklärung ausreichend sei, um die dschibutische Staatsangehörigkeit zu verlieren. Eine persönliche Vorsprache der Kläger bei der Botschaft sei nicht erforderlich, und auch eine anwaltliche Erklärung würde genügen. Nach Abgabe dieser Erklärung müssten alle dschibutischen Dokumente wie Reisepass, Identitätskarte und Führerschein zurückgegeben werden. Die Botschaft erklärte weiter, dass sie die Verzichtserklärung an die zuständigen Behörden in Dschibuti weiterleiten würde, wo dann eine Entscheidung über den Verlust der Staatsangehörigkeit getroffen werde. Diese Auskunft widersprach der Auffassung des Regierungspräsidiums, das eine umfassendere Mitwirkung der Kläger an dem Verfahren gefordert hatte.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart

Das Verwaltungsgericht Stuttgart entschied, dass die erhobene Anfechtungsklage gegen die Auflagen zulässig und begründet sei. Das Gericht erklärte, dass der Auflagenbescheid des Landratsamts vom 9. Juli 2015 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 20. November 2015 rechtswidrig seien und die Kläger in ihren Rechten verletzten. Das Gericht stellte fest, dass die Einbürgerung nach § 10 StAG in diesem Fall rechtswidrig erfolgt sei, da die Kläger ihre dschibutische Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Einbürgerung nicht verloren hätten. Nach Ansicht des Gerichts hätten die Voraussetzungen für die Einbürgerung zum Zeitpunkt der Entscheidung vollständig vorliegen müssen. Der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit sei nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG eine zwingende Voraussetzung, die hier nicht erfüllt gewesen sei. Ein Absehen von dieser Voraussetzung sei nicht möglich, da die Voraussetzungen des § 12 StAG bezüglich einer dauerhaften Hinnahme von Mehrstaatigkeit nicht vorlagen.

Unzulässigkeit der Nebenbestimmungen und Urteilsauswirkung

Das Gericht urteilte, dass die Beklagte die Auflagen nicht auf § 36 Abs. 1 LVwVfG stützen könne. Der § 36 Abs. 1 LVwVfG sieht vor, dass ein Verwaltungsakt mit Nebenbestimmungen versehen werden kann, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder sicherstellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Verwaltungsakt erfüllt sind. Eine Rechtsvorschrift, die eine Einbürgerung unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit erlaubt, existiert jedoch nicht. Da § 10 Abs. 1 StAG den Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit als zwingende Voraussetzung definiert, können die Behörden davon nicht abweichen, indem sie Nebenbestimmungen erlassen. Das Gericht stellte fest, dass die Auflage, nach Erreichen der Volljährigkeit die dschibutische Staatsangehörigkeit aufzugeben, unzulässig sei, da sie einem unzulässigen Verzicht auf eine zwingende Voraussetzung gleichkäme. Folglich erklärte das Gericht die Auflagen für rechtswidrig und hob sie auf, auch wenn die Einbürgerung selbst rechtlich problematisch war. Das Gericht konnte jedoch nur über das Klagebegehren entscheiden und nicht über den gesamten Einbürgerungsprozess hinausgehen. Daher wurde die Klage in Bezug auf die Auflagen erfolgreich abgewickelt, während die grundsätzliche Frage der Einbürgerung unberührt blieb.


 

Wie kann ich eingebürgert werden? Arten der Einbürgerung. Ermessenseinbürgerung und Anspruchseinbürgerung

Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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