Ausländerrecht: Kann eine wohl missbräuchlich anerkannte Vaterschaft durch einen Deutschen zu einem Aufenthaltsrecht einer ausländischen unverheirateten Mutter führen?

Verwaltungsgerichtshof München, 11.03.2019, Az. 19 BV 16.937

Ehen oder Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Deutschen und Nicht-EU-Ausländern werden manchmal nur geschlossen, um dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu ermöglichen. Das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) regelt, wann ein Ausländer sich legal in Deutschland aufhalten darf. Familiennachzug zu Deutschen ist nach § 28 AufenthG möglich, kann aber bei missbräuchlichen Ehen oder Verwandtschaftsverhältnissen nach § 27 Ia AufenthG verweigert werden. Der Verwaltungsgerichtshof München (VGH München) entschied jedoch, dass die missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft durch einen Deutschen keinen Fall des § 27 Ia Nr. 1 AufenthG darstellt.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Klägerin verklagte Ausländerbehörde auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen eines deutschen Kindes

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Klägerin, eine vietnamesische Staatsangehörige, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 I Nr. 3 AufenthG hat. Die Klägerin lebt seit 2005 ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland. 2006 bringt sie ein Kind zur Welt, dessen Vater, ein deutscher Staatsangehöriger, bereits vor der Geburt die Vaterschaft anerkannt hat. Dies führt dazu, dass das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt. Die Klägerin erhält in den Folgejahren mehrfach befristete Aufenthaltserlaubnisse, bis die Ausländerbehörde das Verfahren wegen Zweifeln an der biologischen Vaterschaft aussetzt.

Wegen Zweifeln an der biologischen Vaterschaft wurde diese durch die Ausländerbehörde angefochten

Die Zweifel an der biologischen Vaterschaft veranlassen die Behörde, die Vaterschaft anzufechten. Die Klägerin lehnt einen DNA-Test ab. Letztlich wird die Anfechtung zurückgezogen, weil die entscheidende Norm verfassungswidrig ist. Die Klägerin beantragt daraufhin die Wiederaufnahme des Aufenthaltserlaubnisverfahrens und beruft sich auf § 28 I Nr. 3 AufenthG. Sie argumentiert, dass der zwischenzeitlich eingeführte Versagungsgrund gemäß § 27 Ia AufenthG nicht anwendbar sei, da nicht feststehe, dass das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zur Erlangung eines Aufenthaltstitels geschlossen wurde.

Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht wies die Klage ab

Das Verwaltungsgericht weist die Klage am 24. März 2016 ab. Es sieht den Versagungsgrund des § 27 Ia AufenthG als erfüllt an. Dagegen legt die Klägerin Berufung ein und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Ausländerbehörde zu verpflichten, ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Daraufhin legt die Klägerin Berufung ein

Die Ausländerbehörde beantragt die Abweisung der Klage und beruft sich auf § 27 Ia Nr. 1 AufenthG, da sie die Vaterschaft des deutschen Staatsangehörigen W. nicht anerkennt.

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes München

VGH München verpflichtete die Ausländerbehörde zur Einbürgerung der Klägerin

Der Verwaltungsgerichtshof München gibt der Berufung der Klägerin statt, ändert das Urteil des Verwaltungsgerichts ab und verpflichtet die Ausländerbehörde, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Der VGH stellt fest, dass die Voraussetzungen des § 28 I Nr. 3 AufenthG erfüllt sind und keine sonstigen Bestimmungen entgegenstehen.

Gericht sah Regelungslücke und forderte Gesetzgeber zum Handeln auf

Der VGH München analysiert, ob § 27 Ia Nr. 1 AufenthG anwendbar ist, was er verneint. Diese Norm zielt darauf ab, Missbrauch bei der Anerkennung der Vaterschaft zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts zu verhindern. Der VGH stellt fest, dass sie in Fällen wie dem vorliegenden, bei dem das Verwandtschaftsverhältnis nicht durch Vaterschaftsanerkennung, sondern durch eine gelebte Mutter-Kind-Beziehung begründet wird, nicht zur Anwendung kommen kann.

Das Gericht erklärt, dass eine direkte oder analoge Anwendung der Norm nicht möglich sei, da dies den Grundsatz verletzen würde, dass eine Vaterschaftsanerkennung nur dann unberücksichtigt bleiben könne, wenn sie erfolgreich angefochten wurde. Zudem fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke, die eine analoge Anwendung rechtfertigen könnte.

Da § 27 Ia Nr. 1 AufenthG für die streitgegenständliche Konstellation unanwendbar ist, fordert der VGH den Gesetzgeber auf, tätig zu werden, wenn er auch solche Fälle erfassen möchte.

Quelle: VGH München

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine Email an info@mth-partner.de

Rechtsanwälte in Köln beraten und vertreten Mandanten bundesweit im Ausländerrecht

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert