Verwaltungsgericht Saarlouis, 23.06.2017, Az. 2 K 1999/15
Möchte ein Ausländer eingebürgert werden, muss er zunächst einige Voraussetzungen erfüllen. Dies legen das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) und das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) fest. Darüber hinaus darf auch nichts explizit gegen die Einbürgerung sprechen.
In § 11 S. 1 Nr. 1 StAG ist beispielsweise festgelegt, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen zum Ausschluss der Einbürgerung führen. Die Verfassungsfeindlichkeit muss auch nicht bewiesen werden. Es reicht aus, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Verfassungsfeindlichkeit rechtfertigen. Wann dies also wirklich angenommen werden kann ist nicht immer klar. Ob eine langzeitige verfassungsfeindliche Aktivität Voraussetzung ist oder bereits das einmalige Konsumieren verfassungsfeindlicher Inhalte, ist nicht detailliert vorgeschrieben.
Im nachstehenden Urteil hat das Verwaltungsgericht Saarlouis klargestellt, dass ein Facebook-Foto mit einem Salafisten-Prediger und das zusätzliche zeigen das Tauhid-Fingers noch nicht grundsätzlich die Annahme rechtfertigen, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:
Im vorliegenden Fall geht es um die Ablehnung der Einbürgerung eines kosovarischen Staatsangehörigen, der seit 1991 in Deutschland lebt und über eine Niederlassungserlaubnis verfügt. Der Kläger hatte 2013 einen Einbürgerungsantrag gestellt, der aufgrund angeblicher salafistischer Bestrebungen vom Beklagten abgelehnt wurde. Diese Vorwürfe basierten auf Informationen des Landesamts für Verfassungsschutz, die sich auf ein Foto stützten, das der Kläger 2013 auf Facebook gepostet hatte. Auf diesem Bild war er mit einem salafistischen Prediger zu sehen und zeigte den sogenannten Tauhid-Finger, eine Geste, die von Salafisten verwendet wird.
Vorgeschichte und Argumentation des Klägers:
Der Kläger erklärte, dass er das Foto gemacht habe, weil er sich mit dem Islam näher beschäftigen wollte, und bestritt jegliche verfassungsfeindlichen Absichten. Er betonte, dass die Geste keine tiefere Bedeutung für ihn habe und ihm die negative Interpretation nicht bekannt gewesen sei. Zudem habe er sich von dem Prediger distanziert und versichert, dass er heute keine Veranstaltungen von ihm besuchen würde. Der Kläger reichte eine Klage ein, um seine Einbürgerung zu erwirken, und wies darauf hin, dass das Foto in einem ähnlichen Kontext entstanden sei wie ein anderes Bild, auf dem er eine geballte Faust zeigte, das jedoch keine verfassungsfeindliche Interpretation nach sich zog.
Ablehnung des Einbürgerungsantrags durch den Beklagten:
Der Beklagte lehnte den Einbürgerungsantrag ab und argumentierte, dass der Kläger durch das Hochladen des Fotos verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt habe, was gemäß § 11 S. 1 Nr. 1 StAG einen zwingenden Ausschlussgrund für die Einbürgerung darstelle. Der Beklagte zweifelte an der Unwissenheit des Klägers hinsichtlich der verfassungsfeindlichen Ausrichtung des Predigers und sah im Zeigen des Tauhid-Fingers ein Indiz für die Unterstützung dieser Bestrebungen. Eine Distanzierung des Klägers von diesen Handlungen hielt der Beklagte nicht für ausreichend.
Urteil des Verwaltungsgerichts Saarlouis:
Das Verwaltungsgericht Saarlouis gab der Klage statt und verpflichtete den Beklagten, den Kläger einzubürgern. Das Gericht stellte fest, dass die allgemeinen Voraussetzungen für die Einbürgerung unstrittig vorlagen und lediglich der Ausschlussgrund nach § 11 S. 1 Nr. 1 StAG in Frage stand. Dieser liege nur vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat. Das Gericht definierte das Verfolgen als eigenes Hinwirken auf verfassungsfeindliche Ziele und das Unterstützen als Mitwirken an einem fremden Hinwirken auf diese Ziele, zum Beispiel durch finanzielle Unterstützung oder Teilnahme an verfassungsfeindlichen Aktivitäten.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Kläger selbst solche Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat. Es glaubte der Darstellung des Klägers, dass er das Foto aus Unwissenheit und Naivität gemacht habe, ohne sich der verfassungsfeindlichen Bedeutung bewusst zu sein. Zudem stellte das Gericht fest, dass eine glaubhafte Distanzierung des Klägers von etwaigen früheren salafistischen Bestrebungen vorliege. Insbesondere hob es hervor, dass der Kläger bereits vor Bekanntwerden der Vorwürfe die Klage auf Einbürgerung erhoben hatte, was darauf hindeutet, dass er sich nicht aus taktischen Gründen von verfassungsfeindlichen Aktivitäten fernhielt.
Begründung des Gerichts:
Das Gericht betonte, dass an den Nachweis einer Abwendung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen keine höheren Anforderungen gestellt werden dürfen als an den Nachweis des Ausschlussgrundes selbst. Es müsse erkennbar sein, dass eine positive Veränderung der inneren Einstellung des Einbürgerungsbewerbers stattgefunden habe. Im Fall des Klägers sah das Gericht diese Veränderung als glaubhaft an, da er sich von dem Prediger distanziert habe und seine familiären und beruflichen Verhältnisse darauf hindeuteten, dass er ein normales Leben in der deutschen Gesellschaft führe.
Schlussfolgerung:
Das Verwaltungsgericht Saarlouis lehnte daher das Vorliegen eines Ausschlussgrundes ab und verpflichtete den Beklagten, den Kläger einzubürgern. Es sah in der Distanzierung des Klägers von dem Prediger und der Glaubhaftmachung seiner inneren Abkehr von etwaigen verfassungsfeindlichen Bestrebungen ausreichend Gründe, um den Ausschlussgrund des § 11 S. 1 Nr. 1 StAG als nicht erfüllt anzusehen.
Quelle: VG Saarlouis
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