Landgericht Berlin, Urteil vom 25.05.2020, Az.: 67 S 345/18
Sachverhalt
KÜNDIGUNG AUF EIGENBEDARF EINES JAHRZEHNTELANGEN BESTEHENDEN MIETVERHÄLTNISSES
Die Vermieterin verklagte ihre Mieterin auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Die Vermieterin erklärte der Mieterin mehrfach die Kündigung aufgrund Eigenbedarfs. Die Beklagte widersprach den Kündigungen unter Hinweis auf ihres hohes Alter, ihren beeinträchtigten gesundheitlichen Zustandes sowie ihre Verwurzelung am Ort der Mietsache. Sie forderte die Vermieterin zur Beschaffung von Ersatzwohnraum auf, der ihren finanziell beschränkten Mittel entsprach. Das Amtsgericht wies die erhobene Räumungsklage nach eine eingeholten Sachverständigengutachten über die Folgen der Kündigung für die Beklagte, ab. Zudem behauptet die Klägerin die Beklagte hätte sie beleidigt, was kurz darauf zur Beendigung geführt hätte. Nun legt die Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein.
Urteil des Landgerichts Berlin
Das Urteil des Landgerichtes lautete, dass die Berufung unbegründet sei. Der Klägerin stehe kein Räumungs- oder Herausgabeanspruch zu, da keine der noch streitgegenständlichen Kündigungen das Mietverhältnis zwischen beiden Parteien beendet habe. Aufgrund des Widerspruchs der Beklagten sei eine Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit angeordnet, weil die Beendigung des Mietverhältnis für sie, ihre Familie oder einen anderen Angehörigen des Haushaltes eine besondere Härte bedeuten würde, die unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sei. Zudem kämen auch weitere Folgen wie wirtschaftliche, finanzielle, gesundheitliche, familiäre Nachteile auf, die nicht mit bestimmter Sicherheit feststehen müssen, auf die Beklagte durch die Beendigung des Mietverhältnisses zu. Vor allem der gesundheitliche Aspekt werde vorliegend in den Mittelpunkt gestellt, weil ein Umzug erheblichen Stress ausübe, der zu einem ernsthaften Eintritt einer Gesundheitsschädigung führen könne. Somit stünde auch die Notwendigkeit der Beschaffung von Ersatzwohnraum außer Frage. Was zudem auch eine besondere Härte, aufgrund des hohen Alters der Beklagten und ihrer Verwurzelung am Ort der Mietsache, darstelle.
HOHES ALTER UND EINE VERWURZELUNG AM ORT DER MIETSACHE REICHEN BEREITS AUS ZUR FESTSTELLUNG DER BESONDEREN HÄRTE
Der BGH habe klar gestellt, dass sich Mieter nicht nur aufgrund möglicher gesundheitlicher Schäden auf einen „Härtegrund“ berufen können, sondern bereits das hohe Alter des Mieters und seine langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache allein im Einzelfall geeignet seien, eine besondere Härte für den Mieter zu begründen.
TIEFERE VERWURZELUNG BEREITS DURCH LÄNGJÄHRIGES MIETVERHÄLTNIS
Zudem werde eine tieferen Verwurzelung zu Ort der Mietsache gefordert. Mithin sei dies zu bejahen, aufgrund der Dauer des Mietverhältnisses von mehrerer Jahrzehnten. Zudem seien alle notwenigen Geschäfte, Arztpraxen und auch der Freundeskreis der Beklagten fußläufig von dem Ort der Mietsache erreichbar. Somit sei eine tiefere Verwurzelung der Beklagten am Ort der Mietsache deutlich ersichtlich. Zudem gebe es umliegend keinen Wohnraum, der für die 87-jährige finanzierbar wäre.
VERSTOß GEGEN DIE MENSCHENWÜRDE
Die Beeinträchtigungen für die Beklagte im Falle des Verlustes ihrer Wohnung würden im Ausmaß der Verletzung ihrer Menschenwürde gleichstehen, die durch Art. 1 I GG geschützt werde. Der Staat sei durch das Sozialstaatsprinzip verpflichtet, grundlegende Voraussetzungen individueller und sozialer Existenz zu erhalten, somit auch ein Existenzminimum zu gewähren, um ein menschliches Dasein auszumachen.
Die Kündigung wegen der angeblichen Beleidigung der Klägerin durch die Beklagte, sei aufgrund der formellen Unwirksamkeit der Kündigungserklärung, wegen des unzureichend bestimmten Kündigungsgrund, unwirksam.
Somit ist die eingelegte Berufung seitens der Klägerin unbegründet.
Quelle: Landgericht Berlin
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