Einbürgerung: Eigene Angaben des Antragstellers können zur Klärung der Identität für die Einbürgerung genügen

Verwaltungsgericht Bremen, Urteil vom 24.01.2022, Az.: 4 K 461/20

Wenn die für eine Einbürgerung erforderliche Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit eines Einbürgerungsbewerbers weder durch Vorlage amtlicher Dokumente noch sonstiger Beweismittel möglich ist, können auch Angaben des Antragstellers ausreichen, wenn dadurch in der Gesamtbetrachtung die Identität und Staatsangehörigkeit zur Überzeugung des Gerichts hinreichend geklärt sind.

Im vorliegenden Fall hatte der seit 1985 in Deutschland lebende Kläger, der nicht über eine Geburtsurkunde verfügt und dessen Staatsangehörigkeit nicht bekannt ist, 2016 und erneut 2018 die Einbürgerung auf Grundlage des § 10 Abs.1 StAG beantragt, diese Anträge wurden mit im Jahr 2020 ausgestelltem Bescheid unter Berufung auf die Fehlende Klärung der Staatsangehörigkeit und Identität des Antragstellers abgelehnt. Am 09.03.2020 erhob dieser Klage gegen den Ablehnungsbescheid.

BVerwG Identitäsprüfung

Sachverhalt:

Der im Jahr 1983 in Beirut geborene Kläger reiste 1985 mit seinen Eltern mit gefälschten Pässen in die Bundesrepublik ein. Sein Vater teilte der zuständigen Behörde sodann den wohl tatsächlich zutreffenden Nachnamen der Familie mit. Beide Elternteile waren staatenlos, der Kläger verfügte nicht über eine Geburtsurkunde.

1991 erhielt der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis, die seitdem fortlaufend verlängert wurde. Im Jahr 1998 trug die Stadt Hannover für den Kläger ein, nicht geklärtes, Geburtsdatum im Jahr 1983 in seine Ausländerakte ein. Nachdem der Kläger 2007 zur Klärung seiner Identität bei der palästinensischen Genrealdirektion in Berlin vorsprach, bestätigte diese schriftlich, dass er palästinensischer Herkunft sei. Ein Pass oder eine Geburtsurkunde wurden ihm nicht ausgestellt, da er nie in Palästina registriert gewesen war und dort auch nicht gelebt hatte.

Ausländerbehörde hatte die Identitätsangaben des Antragstellers für die Niederlassungserlaubnis akzeptiert

Dennoch wurde ihm 2011 eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Die Behörde führte dazu aus, alle Möglichkeiten zur Klärung der Identität des Klägers seien bereits ausgeschöpft. Im Oktober 2015 erhielt er einen deutschen Reiseausweis für Ausländer. Nach der Eheschließung mit seiner Frau deutscher Staatsangehörigkeit beantragte der Kläger 2016 erstmalig die Einbürgerung in die deutsche Staatsbürgerschaft auf Grundlage des § 10 Abs.1 StAG. Die Beklagte wandte ein, dass bei dem Kläger Hinweise auf verschiedene Staatsangehörigkeiten bestünden. Im Jahr 2018 stellte der Kläger einen zweiten Antrag auf Einbürgerung.

Die Behörde forderte ihn daraufhin dazu auf, an der Beschaffung seiner Geburtsurkunde bzw. dem Erhalt von Negativbescheinigungen von allen nach Ansicht der Behörde für eine Staatsangehörigkeit in Frage kommenden Ländern mitzuwirken.

Am 05.03.2020 wurde dem Kläger der Ablehnungsbescheid bezüglich seiner Anträge von 2016 und 2018 zugestellt. Die Behörde begründete die Ablehnung damit, dass die Identität des Antragstellers immer noch nicht hinreichend geklärt sei und dieser auch nicht nachgewiesen hätte, dass er sich ausreichend um eine Klärung bemüht hätte.

Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen:

Das Verwaltungsgericht Bremen folgte der Ansicht des Einbürgerungsbewerbers

Die Klage hat Erfolg, das Gericht verpflichtete die Behörde, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids, den Kläger in die deutsche Staatsangehörigkeit einzubürgern. Er habe einen Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 Abs.1 StAG. Er habe bereits alle ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Klärung ausgeschöpft und seine Identität und Staatsbürgerschaft seien nach seinen Angaben zur Überzeugung des Gerichts hinreichend geklärt.

Alle Voraussetzungen der Einbürgerung nach § 10 Abs.1 StAG seien erfüllt, deshalb verpflichtet das Gericht die Beklagte, den Kläger in die deutsche Staatsbürgerschaft einzubürgern. Fraglich war in der vorliegenden Entscheidung lediglich, ob die Identität und die Staatsangehörigkeit des Klägers hinreichend geklärt sind, um den Anforderungen des § 10 Abs.1 StAG zu genügen. Alle anderen Voraussetzungen einer Einbürgerung nach § 10 Abs.1 StAG lagen unproblematisch vor.

Zur Überzeugung des Gerichts sind auch die Identität und Staatsangehörigkeit des Klägers hinreichend geklärt.

Die Erwägungen des Gerichts beruhen zunächst auf einem Urteil des BVerwG vom 23.09.2020, Az.: 1 C 36/19. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass dem Erfordernis der geklärten Identität und Staatsangehörigkeit iSd § 10 Abs.1 StAG nicht lediglich durch Vorlage eines Passes entsprochen werden kann. Vielmehr komme es darauf an, die sicherheitsrechtlichen Belange der Bundesrepublik mit den Interessen und Rechten des Einbürgerungsbewerbers in Ausgleich zu bringen. So sei vorrangig zwar ein Pass vorzulegen, sei dies nicht möglich, seien jedoch auch andere öffentliche Urkunden, und alle nach § 26 Abs.1 S.1,2 VwVfG zugelassenen Beweismittel, insbesondere nichtamtliche Urkunden oder andere Dokumente ausreichend. Als letzte Stufe könne die Identität ausnahmsweise auch lediglich durch das Vorbringen des Einbürgerungsbewerbers nachgewiesen werden.

Gericht war von der Richtigkeit der Angaben des Antragstellers überzeugt

Voraussetzung dafür sei, dass „dessen Angaben auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls und des gesamten Vorbringens des Einbürgerungsbewerbers feststehen“. Dies sei der Fall, wenn das Gericht iSd § 108 VwGO davon mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen überzeugt ist. Dafür sei es notwendig, dass die vorhandenen Beweismittel in sich stimmig sind und in der Gesamtschau mit den Angaben des Einbürgerungsbewerbers in Einklang stehen.

Von der Notwendigkeit des Vorlegens offizieller Dokumente kann jedoch nur abgesehen werden, wenn der Einbürgerungsbewerber gemäß § 37 Abs.1 S.2 StAG iVm § 82 Abs.1 AufenthG an der Klärung seiner Identität und Staatsangehörigkeit mitgewirkt hat, er hat die Obliegenheit, bis zur Grenze des objektiv Möglichen und subjektiv Zumutbaren mitzuwirken.

Die in diesem Urteil dargestellten Voraussetzungen sah das Gericht im vorliegenden Fall als gegeben an, eine über das bereits Geschehene hinausgehende Mitwirkung sei dem Kläger nicht zumutbar.

In der mündlichen Verhandlung habe er glaubhaft erklärt, dass seine Eltern ihn nach der Geburt nie staatlich registriert hätte, eine Geburtsurkunde kann daher nicht existieren.  Der Kläger habe zudem nachgewiesen, dass er die palästinensische Generaldirektion erfolglos kontaktiert habe, eine zum Erhalt eines palästinensischen Reisepasses notwendige Registrierung in Palästina sei dem Kläger aufgrund der dortigen Sicherheitslage nicht zuzumuten. Die Aussage der Beklagten, es bestünden Hinweise auf andere Staatsangehörigkeiten des Klägers, sei nicht auf tatsächlichen, belegten Anhaltspunkten begründet und verpflichte den Kläger daher auch nicht, den erheblichen Aufwand weiterer Nachforschungen auf sich zu nehmen. Insbesondere hat er sogar bereits erfolglos versucht, Negativbescheinigungen dieser Staaten zu erhalten.

Bezüglich der Identität des Klägers nutze dieser bereits seit seiner Einreise den von seinem Vater angegebenen Nachnamen und habe von der Behörde in Deutschland ein Geburtsdatum zugewiesen bekommen, dass er seitdem auch nutze. Dadurch habe er von der deutschen Behörde eine Art Identität erhalten, die damit auch geklärt sei.

Das Gericht sieht daher keine Notwendigkeit oder Möglichkeit für eine weitergehende Klärung der Identität des Klägers und sieht diese als hinreichend geklärt iSd § 10 Abs.1 StAG an.

Quelle: VG Bremen

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