Verwaltungsgericht München, Urteil vom 11.05.2023, Az.: M 27 K 22.1811
Straftaten können gegen die Einbürgerung eines Ausländers verhindern. So wird ein Einbürgerungsantrag grundsätzlich immer dann abgelehnt, wenn die Strafverurteilung des Ausländers die Unbedenklichkeitsgrenze von 90 Tagessätzen in § 12a Abs. 1 StAG mehr als nur geringfügig überschreitet. Aber müssen auch Ermittlungsverfahren gegen den Ausländer grundsätzlich abgewartet werden, bis diese abgeschlossen sind? Damit hatte sich dieser Fall des Verwaltungsgerichts München zu beschäftigen.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens
US Amerikaner beantragt seine Einbürgerung in Deutschland
Der 62-jährige Kläger war US amerikanischer Staatsangehöriger. Seit den 60er Jahren lebte der Kläger in Deutschland. Der Kläger verfügt über eine Niederlassungserlaubnis.
Der Kläger hatte beim US-Amerkanischen Generalkonsulat einen Passantrag gestellt, dieser war aufgrund des Vorwurfs des Betrugs und Nichterscheinens aus dem Jahr 1994 abgelehnt worden. Danach stellte der Kläger beim örtlich zuständigen Landratsamt einen Antrag auf Einbürgerung. Dabei gab er insbesondere einen USA-Aufenthalt von Februar 1988 bis Mai 1988 sowie ein im Jahr 1988 in den USA wegen des Vorwurfs von Betrug eingeleitetes Verfahren an.
Gegen ihn lief in den USA ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges
In der Folge wurde das Verwaltungsverfahren mehrmals ausgesetzt, der Kläger versuchte unter Beauftragung von Rechtsanwälten Nachweise zum Haftbefehl sowie zum Stand des Ermittlungsverfahrens in den USA beizubringen. Diese Informationen erhielt der Kläger. So handelte es sich bei dem Verfahren um Diebstahl durch Täuschung oder falsche Darstellung gem. § 3922 Buchst. a Nr. 1 des Kapitel 18 der Zusammenfassungsgesetze des US-Bundesstaates. Beim Grad des Deliktes handele es sich um ein Verbrechen dritten Grades, der niedrigsten Stufe eines Verbrechens. Das Verfahren habe den Status „nicht aktiv“. Die maximal zu erwartende Freiheitsstrafe für das verfahrensgegenständliche Delikt betrage 7 Jahre. Eine Verjährung war nicht möglich.
Einbürgerungsbehörde lehnt Einbürgerungsantrag wegen Ermittlungsverfahren ab
Daraufhin lehnte die Beklagte (Einbürgerungsbehörde) die Einbürgerung des Klägers ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nicht vorlägen. Eine Voraussetzung nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG sei, dass keine Verurteilung zu einer Strafe aufgrund einer rechtswidrigen Tat erfolgt sei. Gegen den Kläger sei durch die US-Behörden ein Haftbefehl erlassen worden, sodass nach § 12a Abs. 3 StAG das Einbürgerungsverfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen sei.
Daraufhin klagte der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte, die Beklagte zur Einbürgerung zu verpflichten.
Urteil des Verwaltungsgerichts München:
Gericht sagt Voraussetzung sei strafrechtliche „Unbescholtenheit“
Das Verwaltungsgericht urteilte, dass der Kläger keinen Anspruch auf Einbürgerung habe. Auch wenn er nicht rechtskräftig verurteilt sei, müsse die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag nach § 12a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 StAG ausgesetzt werden
§ 12a Abs. 3 Satz 1 StAG gelte grundsätzlich auch für ausländische strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Voraussetzung für eine Einbürgerung sei grundsätzlich eine strafrechtliche „Unbescholtenheit“.
Dies sei angesichts des Ermittlungsverfahrens bei dem Kläger nicht zu erwarten
Tatbestandlich sei § 12a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 StAG somit aufgrund des in den USA nach wie vor bestehenden offenen Haftbefehls sowie des damit zusammenhängenden Strafverfahrens gegeben. In der Rechtsfolge des § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG sei somit – zwar nicht das Einbürgerungsverfahren als solches, aber – die Entscheidung über die Einbürgerung auszusetzen.
Nach § 12a Abs. 2 StAG seien ausländische Verurteilungen zu Strafen zu berücksichtigen, wenn (1.) die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, (2.) die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und (3.) das Strafmaß verhältnismäßig ist.
Insofern kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Ermittlungsverfahrens auch im Inland als strafbar anzusehen sei. Die vorgeworfene Tat eines Diebstahls durch Täuschung oder falsche Darstellung gem. § 3922 Buchst. a Nr. 1 des Kapitel 18 der Zusammenfassungsgesetze des US-Bundesstaates entspräche im Wesentlichen einem Diebstahl gem. § 242 Abs. 1 StGB bzw. einem Betrug gem. § 263 Abs. 1 StGB.
Das gerichtliche Verfahren in den USA sei auch als rechtsstaatlich einzustufen
Stichhaltige Anhaltspunkte für den klägerseitigen Einwand, dass eine Verurteilung des Klägers in den USA in einem rechtsstaatswidrigen Verfahren ergehen und damit außer Betracht bleiben könnte, seien nicht ersichtlich. Insbesondere führe allein der Umstand, dass nach den klägerseitig beigebrachten Informationen eine Verfolgungsverjährung im Fall des Klägers nach Anklageerhebung und Ausreise nicht eintrete, nicht zu einer Rechtsstaatswidrigkeit.
Auch eine Unverhältnismäßigkeit des (zu erwartenden) Strafmaßes kommt nicht in Betracht. Dass für eine diebstahls- bzw. betrugsähnliche Tat (Strafrahmen nach § 242 Abs. 1 StGB bzw. § 263 Abs. 1 StGB bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe) eine Strafe von bis zu 7 Jahren Freiheitsstrafe angedroht werde, lasse nicht erwarten, dass die Strafe dem Unrechts- und Schuldgehalt in keiner Weise gerecht werden würde.
Somit kam das Verwaltungsgericht München zu dem Ergebnis, dass eine Einbürgerung des Klägers derzeit nicht in Betracht komme. Weiteres zu dem Thema finden Sie hier: https://www.mth-partner.de/auslaenderrecht-anwalt/einbuergerung-wann-fuehren-verurteilungen-zu-einer-straftat-zur-ablehnung-der-einbuergerung/
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