Einbürgerung: Auch bei Zulassung der Mehrstaatigkeit muss der Einbürgerungsbewerber seine Identität klären

Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, 11.04.2024, Az.: 13 LA 61/23

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Einbürgerungsbewerberin hatte ungeklärte Identität

Die minderjährige, staatenlose Klägerin hatte einen libanesischen Vater und eine türkische Mutter. Dem Vater war, nachdem er im Jahr 1994 im Libanon im Rahmen einer Sammeleinbürgerung eingebürgert worden war, ein libanesischer Pass ausgestellt worden. Die Mutter war im türkischen Geburtsregister erfasst und dieser war 1988 – kurz vor der Einreise in das Bundesgebiet – ein türkischer Nationalpass ausgestellt worden.

Vater und Mutter hatten türkische und libanesische Staatsangehörigkeit

Auch dem Vater war unter anderem Namen 1988 ein türkischer Nationalpass ausgestellt worden. Das türkische Generalkonsulat in Hannover hatte mitgeteilt, dass nach Rücksprache mit dem zuständigen türkischen Standesamt feststehe, dass es sich bei der Familie um türkische Staatsangehörige handele. Dennoch hatte die Klägerin sich weder um die Erlangung eines türkischen noch um die Erlangung eines libanesischen Passes bemüht.

Klägerin war in der BRD geboren und hatte diese niemals verlassen

Das Einbürgerungsbegehren der Klägerin war deswegen wegen fehlender Identitätsklärung abgelehnt worden. Daher hatte die Klägerin in erster Instanz beim Verwaltungsgericht Oldenburg geklagt (Az.: 11 A 8783/17). Das Verwaltungsgericht hatte die Entscheidung der Einbürgerungsbehörde bestätigt. Deswegen beantragte die Klägerin die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Niedersachsen.

Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen:

Erste Instanz hatte Einbürgerung abgelehnt

Das OVG folgte der Ansicht der Vorinstanz und urteilte, dass die Berufung nicht zugelassen werde, da die Klägerin die fehlende Identitätsklärung zu verantworten habe.

Das Vorbringen der Klägerin, dass ihre Lebenssituation sich grundlegend von der Lebenssituation anderer Einbürgerungsbewerber unterscheide, die erst nach jahrelangem Leben im Ausland eingereist seien, weil sie im Bundesgebiet geboren und dort ihr gesamtes bisheriges Leben verbracht hätten, führe zu keiner anderen Beurteilung.

Klägerin habe sich nicht ausreichend um Identitätsklärung bemüht

Zurecht habe das Verwaltungsgericht die Klärung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Einbürgerungsbewerbers als eine zwingende Voraussetzung für die Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG gefordert. Allein daraus, dass mit dem Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts der bisher geltende Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit aufgegeben werde, Einbürgerungen künftig generell unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit erfolgen dürfen und eine Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit(en) daher nicht mehr notwendig sei, könne nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber habe auf die Klärung der Staatsangehörigkeit verzichten wollen.

OVG sah ebenfalls die Notwendigkeit der Identitätsklärung nach dem Stufenmodell

Denn die Klärung der Staatsangehörigkeit des Einbürgerungsbewerbers sei eine Grundvoraussetzung, um die unverändert notwendigen Status- und Sicherheitsprüfungen vornehmen zu können, beeinflussen sich doch Staatsangehörigkeit und Identität einander wechselseitig. Dabei gelte weiterhin, dass sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 23.9.2020 – BVerwG 1 C 36.19) entwickelten Stufenmodell ergebe, welche Anforderungen an die Prüfung und Klärung der Identität und an die insoweit bestehenden Mitwirkungspflichten des Einbürgerungsbewerbers zu stellen seien. Das Erfordernis der Identitätsklärung für die Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG sei somit auch weiterhin bei im Bundesgebiet geborenen Ausländern sachlich gerechtfertigt.

Eine grafische Darstellung des Stufenmodells finden Sie hier:

Ausländerbehörde Identitätsprüfung Einbürgerung Aufenthaltserlaubnis Niederlassungserlaubnis

Im Ergebnis sei die Berufung nicht zuzulassen.

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