Landesarbeitsgericht Köln, 14.09.2011, Az.: 3 Sa 597/11
Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) regelt gem. § 1 EFZG die Zahlung des Arbeitsentgelts an gesetzlichen Feiertagen und die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall an Arbeitnehmer sowie die wirtschaftliche Sicherung im Bereich der Heimarbeit für gesetzliche Feiertage und im Krankheitsfall.
Gem. § 3 EFZG hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber für 6 Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.
Die Anzeige- und Nachweispflichten des Arbeitnehmers sind in § 5 EFZG geregelt. Danach ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen.
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer nach dieser Regelung eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen.
Nach § 5 Abs. 1 EFZG ist der Arbeitgeber berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen.
Das oben genannte Urteil des LAG Köln hatte nun genau die Frage zum Gegenstand, ob der Arbeitgeber ein Attest bereits am ersten Krankheitstag verlangen kann.
Sachverhalt: Die 1953 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit 1982 beschäftigt. Für den 30.11.2010 stellte die Klägerin bei dem Leiter ihres Arbeitsbereichs einen Dienstreiseantrag. Dieser wurde abgelehnt.
Auch eine weitere Nachfrage der Klägerin wurde abschlägig beschieden. Daraufhin meldete sich die Klägerin für den beabsichtigten Tag ihrer Dienstreise krank.
Die Beklagte forderte die Klägerin daraufhin schriftlich auf, künftig am ersten Tag der Krankmeldung ein ärztliches Attest einzuholen und vorzulegen. Dieses Schreiben hatte folgenden Wortlaut:
„Krankschreibungen
Liebe S ,
ich möchte kurz die Vorgänge der zurück liegenden Woche rekapitulieren.
Für Mittwoch, den 30. November 2010 hattest du einen Dienstreiseantrag gestellt, dem ich nicht entsprochen habe. Dies wurde dir vertretungsweise von S Ende der Vorwoche schriftlich mitgeteilt. Noch am Montag, den 29. November ließest du erneut nachfragen, ob die Reise für den Folgetag nicht doch genehmigt werden könne (was ich nicht getan habe). Am 30. November nun meldetest du dich krank. Ich bat um unverzügliche Lieferung eines ärztlichen Attestes. Dieses Attest, ausgestellt am 1. Dezember, ging mir am Folgetag zu, an dem du dich allerdings auch bereits wieder gesund meldetest.
Diese Abläufe erschüttern mein Vertrauen in diese Krankmeldung.
Ich bitte dich daher, bei zukünftigen Krankheitsfällen schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest zu liefern.“
Mit Schreiben ihres späteren Prozessbevollmächtigten teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass ihrer Ansicht nach keinerlei Anhaltspunkte für einen Missbrauchsverdacht gegeben seien und insbesondere kein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem abgelehnten Dienstreiseantrag bestünde.
Gleichzeitig forderte sie die Beklagte auf, das im Schreiben vom 10.12.2010 geäußerte Verlangen nachvollziehbar zu begründen oder dieses ausdrücklich zurückzunehmen.
Die Beklagte wies ihrerseits mit Schreiben ihres späteren Prozessbevollmächtigten darauf hin, dass die Aufforderung zur Vorlage der ärztlichen Bescheinigung ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit nach ihrer Auffassung keiner Begründung bedürfe.
Die Klägerin erkundigte sich daraufhin beim Betriebsarzt der Beklagten per E-Mail danach, wie viele Mitarbeiter des Beklagten verpflichtet seien, am ersten Tag ihrer Erkrankung ein ärztliches Attest vorzulegen und ob er das in ihrem Fall für berechtigt halte. Erläuternd hieß es in dieser vom
Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgelegten E-Mail weiter:
„… Ich bin einmal ein halbes Jahr wegen einer OP, war aber ansonsten in den ersten 30 Jahren meines W -Lebens so gut wie nie krank. Erst jetzt fange ich an, auf Signale meines Körpers intensiver zu hören und entziehe mich hin und wieder den Anfeindungen durch Auszeiten. Ich habe mich früher oft in den W geschleppt, obwohl ich mich anders gefühlt habe. …“
Mit ihrer am 30.03.2011 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage wendete sich die Klägerin gegen die vorgenannte Anweisung der Beklagten vom 10.12.2010.
Landesarbeitsgericht Köln: Das LAG Köln widersprach der Ansicht der Klägerin und urteilte, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Widerruf der streitgegenständlichen Anweisung vom 10.12.2010 habe.
Sowohl für einen schuldrechtlichen Anspruch aus §§ 611, 242 BGB als auch einen quasinegatorischen Anspruch aus analoger Anwendung des § 1004 BGB fehle es an der erforderlichen fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung. Denn die Beklagte sei zur Erteilung der streitgegenständlichen Anweisung berechtigt gewesen.
Die Rechtmäßigkeit der Anweisung folge insofern aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG. Nach dieser Vorschrift sei der Arbeitgeber berechtigt, vom Arbeitnehmer die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung früher als nach drei Kalendertagen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG) zu verlangen.
Die Aufforderung des Arbeitgebers nach § 5 Abs. 1 EFZG bedürfe weder einer Begründung noch eines Sachverhalts, der Anlass für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Arbeitnehmers gebe. Das folge aus dem insoweit eindeutigen Normwortlaut und der Gesetzessystematik.
Die Rechtmäßigkeit der Anweisung scheitere auch nicht am Vorliegen einer gegenteiligen betrieblichen Übung der Beklagten. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergebe sich eine solche Übung nämlich nicht aus der Stellungnahme des Betriebsarztes in dem von ihr vorgelegten E-Mail-Schriftwechsel. Denn dort habe der Betriebsarzt lediglich erklärt, dass „das Instrument immer dann eingesetzt werde, wenn deutliche Unter-Dreitagesfehlzeiten aufträten, also z.B. bei einem Fehlen jede zweite Woche, immer montags, immer freitags, immer an Brückentagen, immer zu bestimmten disponierten Diensten oder sonstigen disponierten Terminen sowie bei Suchtkranken“.
Gleichzeitig habe er aber darauf hingewiesen, dass diese Aufzählung nicht vollzählig sei, er keine Informationen über die Anzahl der Mitarbeiter habe, die eine Aufforderung der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG erhalten hätten und er über die arbeitsrechtliche Seite keine Auskunft geben könne.
Quelle: Landesarbeitsgericht Köln
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