Arbeitsrecht: Die Berechnung/Ermittlung der Höhe des Abfindungsanspruches des Arbeitnehmers
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Arbeitsrecht
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von: Helmer Tieben

Landesarbeitsgericht Rheinland Pfalz, 09.12.2011, Az.: 9 Sa 557/11

Verliert ein Arbeitnehmer infolge einer Kündigung oder eines Aufhebungsvertrages seinen Arbeitsplatz, hat er entgegen der landläufigen Meinung keinen automatischen Anspruch auf eine Abfindung. Ein solcher Anspruch kann sich nur aus einem Sozialplan oder einem Tarifvertrag ergeben.

Trotz der Abwesenheit eines solchen Abfindungsanspruches werden durch den Arbeitgeber allerdings sehr oft dennoch Abfindungen gezahlt. Grund dafür ist in den allermeisten Fällen, dass der Arbeitgeber die Befürchtung hat, dass der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage die Kündigung vor Gericht zu Fall bringen kann. Denn dann muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ungewollt weiter beschäftigen und ist mit weiteren Lohnkosten belastet.

Eine Abfindung kann dann entweder im Rahmen eines Aufhebungsvertrages geregelt werden, oder im Laufe eines Verfahrens im Rahmen einer Kündigungsschutzklage gegen eine bereits erfolgte Kündigung. Der erste Schritt zum Erhalt einer Abfindung nach einer Kündigung ist daher die Erhebung einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht.

In dem arbeitsgerichtlichen Verfahren kann der Arbeitnehmer dann mit dem Arbeitgeber einen Vergleich schließen, in welchem die Abfindung geregelt wird. Oder der Arbeitnehmer beantragt, dass das Gericht die Abfindung festsetzt (in diesem Falle regelt § 10 KSchG die Höhe der Abfindung, wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist).

Problematisch ist jedoch die Berechnung der Abfindung bzw. die Feststellung der Höhe der Abfindung, wenn diese im Aufhebungsvertrag oder im Vergleich mit dem Arbeitgeber im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens festgelegt werden soll.

Für die Berechnung der Abfindung gibt es eine Faustformel, die „Regelabfindung“ genannt wird und ein halbes Bruttomonatseinkommen pro Beschäftigungsjahr beträgt.

Ein halbes Bruttomonatseinkommen ist allerdings nicht in jedem Fall gerechtfertigt, sondern kann in bestimmten Fällen zu hoch, aber auch zu niedrig sein. Die folgenden Kriterien sollten bei der Bemessung der Abfindung daher grundsätzlich eine Rolle spielen:

 

      • Dauer der Betriebszugehörigkeit: Hier gilt grundsätzlich, dass die Abfindung immer dann höher zu bemessen ist, wenn der Arbeitnehmer lange bei dem Unternehmen beschäftigt war. Entscheidend dabei ist nicht die Dauer der Beschäftigung in einem bestimmten Betrieb eines Unternehmens, sondern die Dauer der Unternehmenszugehörigkeit.
      • Lebensalter des Arbeitnehmers: Auch das Lebensalter des Arbeitnehmer sollte bei der Bemessung der Abfindung eine Rolle spielen. Dies ist insbesondere bei Arbeitnehmern relevant, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, denn ab diesem Zeitpunkt sinken altersbedingt die Chancen auf eine Weiterbeschäftigung. Ein hohes Alter kann allerdings auch abfindungsmindernd wirken, nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer kurz vor der Rente steht.
      • Familienstand des Arbeitnehmers: Auch der Familienstand des Arbeitnehmer ist zu berücksichtigen. Die Höhe der Abfindung für einen Arbeitnehmer der 3 Kinder zu versorgen hat, sollte naturgemäß höher bemessen werden, als die Höhe der Abfindung eines kinderlosen Arbeitnehmers.
      • Folgen der Entlassung: Auch die zu erwartenden Folgen der Entlassung sind relevant. Droht dem Arbeitnehmer eine lange Arbeitslosigkeit muss sich dies ebenfalls in der Höhe der Abfindung widerspiegeln.
      • Unberechtigte Verdächtigung durch den Arbeitgeber: Wird der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber in unberechtigter Weise und leichtfertig verdächtigt, eine Straftat begangen zu haben und bilden sich dadurch nachteilige Gerüchte zu Lasten des Arbeitnehmers, muss man auch dies bei der Berechnung der Abfindungshöhe berücksichtigen.
      • Wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers: Bedenken muss der Arbeitnehmer bei der Festlegung der Abfindungshöhe auch die eigene und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers.
      • Mobbing des Arbeitnehmers: Ist der Arbeitnehmer vor der Kündigung bzw. vor Abschluss des Aufhebungsvertrages gemobbt worden, sollte auch dies in die Beurteilung der Abfindungshöhe einbezogen werden. Gleichzeitig kann aber auch das Verhalten des Arbeitnehmers abfindungsmindernd wirken, wenn dieser ehrverletzende oder verleumderische Vorwürfe gegen den Arbeitgeber getätigt hat.

In dem hier besprochenen Urteil des Landesarbeitsgerichtes Rheinland Pfalz hatte dieses im Berufungsverfahren über die Höhe der Abfindung für die Kündigung eines Vertriebsleiters zu entscheiden.

1. Hintergrund des Falls

Der Kläger, geboren am 7. Juli 1975, war seit dem 1. Februar 2005 als Vertriebsleiter bei der Beklagten, einem Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten, angestellt. Seine monatliche Bruttovergütung betrug 2.300 EUR. Er war zudem unterhaltspflichtig für zwei Personen. Am 24. Januar 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß, was der Kläger durch einen Kündigungsschutzantrag anfechten wollte. Die Beklagte erkannte den Antrag an, woraufhin der Kläger die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses sowie eine Abfindung forderte. Das Arbeitsgericht entschied, das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2011 aufzulösen und sprach dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 4.000 EUR zu.

2. Berufung des Klägers

Mit der Höhe der Abfindung war der Kläger unzufrieden und legte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz ein. Er argumentierte, dass die Abfindung unangemessen niedrig sei und deutlich unter dem nach der „Faustformel“ zu erwartenden Betrag von 6.690 EUR liege. Zudem führte der Kläger an, dass er mit 20 Bewerbungen seit Dezember 2010 keinen Erfolg gehabt habe, was seine Behauptung stütze, dass er aufgrund seines Alters Schwierigkeiten habe, eine neue Anstellung zu finden.

3. Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Das LAG Rheinland-Pfalz folgte der Argumentation des Klägers zumindest teilweise. Das Gericht erklärte, dass dem Kläger gemäß § 9 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) eine angemessene Abfindung zustehe. Dabei berücksichtigte es insbesondere die Dauer des Arbeitsverhältnisses und das Lebensalter des Klägers. Eine endgültige Abfindung in Höhe von 6.700 EUR wurde als angemessen angesehen. Das Gericht betonte, dass die Festlegung einer höheren oder niedrigeren Abfindung durch das Alter des Klägers oder dessen Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht gerechtfertigt sei.

4. Begründung für die Höhe der Abfindung

Das Gericht führte weiter aus, dass die ursprüngliche Entscheidung des Arbeitsgerichts, dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 4.000 EUR zuzusprechen, nicht alle relevanten Faktoren ausreichend berücksichtigt habe. Insbesondere sei die Entscheidung des Klägers, das Angebot der Beklagten zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht anzunehmen, nachvollziehbar, da die Beklagte angedeutet habe, dass der Kläger in seiner ursprünglichen Vertriebsleiterposition nicht sofort weiterbeschäftigt werden könne. Dies sei auf einen behaupteten Vertrauensverlust zurückzuführen, der bereits zum Zeitpunkt der Güteverhandlung bestanden habe.

5. Zusammenfassung und Fazit

Das LAG Rheinland-Pfalz entschied, dass dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 6.700 EUR zustehe, wobei die Berufung des Klägers im Übrigen abgewiesen wurde. Die endgültige Höhe der Abfindung basierte auf der Berechnung von einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr, was bei einem monatlichen Verdienst von 2.230 EUR brutto zu dem genannten Betrag führte. Weitere Faktoren wie das Alter oder die Bemühungen des Klägers um eine neue Anstellung beeinflussten die Höhe der Abfindung nicht. Dem Kläger stand somit eine zusätzliche Abfindung in Höhe von 2.700 EUR zu, über den bereits festgesetzten Betrag von 4.000 EUR hinaus.

Quelle: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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