Landesarbeitsgericht Köln, 07.02.2017, Az.: 12 Sa 745/16
Gemäß § 626 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Demnach ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt ein wichtiger Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung vorliegt. Im Weiteren ist zu klären, ob dem Kündigenden aufgrund einer vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung und unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit gegebenenfalls. trotz Vorliegen eines an sich zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung geeigneten wichtigen Grundes die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten ist. Liegt eine der Voraussetzungen nicht vor, ist die außerordentliche Kündigung unwirksam und sie kann mit einer Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen angegriffen werden.
Einleitung des Rechtsstreits
Im vorliegenden Fall streiten der Kläger und die Beklagte über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger war seit dem 1. Januar 2014 als Sachbearbeiter im Bereich Steuerberatung bei der Beklagten, einer Steuerberatungsgesellschaft, angestellt. Der Streitpunkt entstand, als der Kläger während einer Freistellungsphase sein berufliches Profil auf der Plattform XING änderte. Die Beklagte sah darin einen Verstoß gegen das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot und sprach daraufhin eine außerordentliche Kündigung aus.
Kündigungsgrund und Arbeitsvertrag
Zwischen den Parteien bestand ab 2015 eine Vereinbarung über Fortbildungskosten, in der der Arbeitgeber dem Kläger ein Darlehen für die Fortbildung gewährte. Dieses Darlehen sollte im Falle einer Kündigung durch den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zurückgezahlt werden. Im Jahr 2016 schlossen die Parteien zudem eine Aufhebungsvereinbarung, die das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2016 beenden sollte. Die Vereinbarung beinhaltete bis zum Beendigungstermin ein Wettbewerbsverbot, nach dem dem Kläger untersagt war, für ein konkurrierendes Unternehmen tätig zu werden. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot war jedoch nicht vorgesehen.
Nach seiner Freistellung am 15. Februar 2016 änderte der Kläger auf seinem XING-Profil seinen beruflichen Status von „Angestellter“ zu „Freiberufler“, während die Beklagte weiterhin als Arbeitgeber bis März 2016 aufgeführt war. Dies nahm die Beklagte zum Anlass, ihm mit Schreiben vom 9. März 2016 außerordentlich zu kündigen, da sie darin eine unzulässige Konkurrenztätigkeit sah. Sie argumentierte, der Kläger habe durch die Darstellung als Freiberufler potenziell neue Mandanten akquirieren wollen, was gegen das Wettbewerbsverbot verstoße.
Klage vor dem Arbeitsgericht Aachen
Gegen die Kündigung erhob der Kläger am 22. März 2016 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Aachen. Gleichzeitig erhob die Beklagte Widerklage auf Rückzahlung des Fortbildungsdarlehens. Das Arbeitsgericht Aachen entschied am 7. Juli 2016 zugunsten des Klägers. Es urteilte, dass kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB vorliege. Die Änderung des XING-Profils stelle keine Wettbewerbshandlung dar. Es sei vielmehr naheliegend, dass der Kläger lediglich seine berufliche Selbstpräsentation anpasste, um nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses einen neuen Job zu finden. Zudem habe der Kläger keine konkrete Konkurrenzhandlung, wie etwa das Abwerben von Mandanten, unternommen.
Infolgedessen wies das Gericht auch die Widerklage der Beklagten ab, da es an einem wirksamen Kündigungsgrund fehlte und somit keine Rückzahlungsverpflichtung des Darlehens bestand.
Berufung der Beklagten vor dem Landesarbeitsgericht Köln
Die Beklagte legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen Berufung ein. Sie argumentierte, dass die Änderung des XING-Profils und der Status „Freiberufler“ während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Vorbereitungshandlung darstellten, die unzulässig sei. Selbst die Möglichkeit, dass der Kläger potenzielle Kunden durch seine Profiländerung ansprechen könnte, sei ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln
Das Landesarbeitsgericht Köln wies die Berufung der Beklagten als unbegründet zurück. Das Gericht stellte fest, dass kein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vorlag, da keine unzulässige Wettbewerbshandlung durch den Kläger nachweisbar war. Es betonte, dass Vorbereitungshandlungen zur Aufnahme einer neuen Tätigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich erlaubt seien. Der bloße Hinweis auf eine freiberufliche Tätigkeit in einem sozialen Netzwerk wie XING sei nicht ausreichend, um eine Konkurrenztätigkeit zu begründen. Die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, dass der Kläger Mandanten der Beklagten während der Freistellung abgeworben habe. Zudem habe der Kläger im XING-Profil weiterhin die Tätigkeit bei der Beklagten bis einschließlich März 2016 angegeben.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Entscheidung war die fehlende Verhältnismäßigkeit der außerordentlichen Kündigung. Nach Ansicht des Gerichts hätte die Beklagte vor der Kündigung eine Abmahnung aussprechen müssen. Diese Abmahnung sei im vorliegenden Fall nicht entbehrlich gewesen, da keine besonderen Umstände vorlagen, die eine sofortige Kündigung gerechtfertigt hätten. Eine Aufforderung zur Änderung des XING-Profils wäre ausreichend gewesen.
Fazit und Auswirkungen auf die Widerklage
Da die außerordentliche Kündigung unwirksam war, blieb auch die Widerklage der Beklagten auf Rückzahlung des Fortbildungsdarlehens erfolglos. Die Rückzahlung wäre nur bei einer rechtmäßigen Kündigung fällig geworden. Da jedoch die Kündigungsschutzklage des Klägers Erfolg hatte, konnte die Beklagte auch keinen Anspruch auf die Rückzahlung des Darlehens geltend machen. Insgesamt wurde die Berufung der Beklagten abgewiesen, und das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen bestätigt.
Quelle: Landesarbeitsgericht Köln
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