Ausländerrecht: Ausweisung eines ukrainischen Staatsangehörigen wegen schwerer Straftaten. - MTH Rechtsanwälte Köln
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Ausländerrecht
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von: Helmer Tieben

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, 19.10.2022, Az.: 11 A 272/20

Sachverhalt und Hintergrund

Der Kläger, ein ukrainischer Staatsangehöriger, wurde am 7. Januar 1982 in der Ukraine geboren. Im Dezember 1995 reiste er zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder als jüdischer Emigrant aus der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Jahr 1998 erhielt er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Trotz eines erfolgreichen Hauptschulabschlusses im Jahr 1999 und dem Beginn einer Tischlerlehre, musste er diese Ausbildung aufgrund einer Krankheit abbrechen. In der Folgezeit entwickelte der Kläger eine Drogensucht, die sein Leben in den darauffolgenden Jahren maßgeblich bestimmte. Trotz mehrerer Versuche, eine Ausbildung abzuschließen, scheiterte der Kläger wiederholt.

Ausweisungsgründe

Strafrechtliche Verurteilungen

Der Kläger wurde mehrfach strafrechtlich verurteilt, vor allem wegen Diebstahls. Sein Strafregister wies bis August 2019 insgesamt 13 Eintragungen auf, darunter mehrere Verurteilungen zu Freiheitsstrafen:

2004: Der Kläger wurde zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen Diebstahls mit Waffen verurteilt. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde später widerrufen.

2005: Eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten wegen Diebstahls in sechs Fällen, darunter ein besonders schwerer Fall.

2009: Eine weitere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten wegen Diebstahls mit Waffen und weiteren Diebstählen in besonders schweren Fällen.

2013: Der Kläger erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten auf Bewährung wegen schweren räuberischen Diebstahls.

2019: Zuletzt wurde er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie zu einer weiteren Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, unter anderem wegen schweren Diebstahls.

Drogenproblematik und Therapieansätze

Der Kläger litt unter einer langjährigen Drogensucht und unterzog sich 2008 einer stationären Behandlung, die jedoch von der Klinik abgebrochen wurde. Im Jahr 2013 absolvierte er eine weitere Therapie, nach der er drei Jahre drogen- und straffrei blieb. Trotz dieser Phase gelang es dem Kläger nicht, dauerhaft von den Drogen loszukommen oder ein stabiles Leben ohne Straftaten zu führen. Erneute Rückfälle führten zu weiteren strafrechtlichen Verurteilungen und schließlich zu einer längeren Haftstrafe, die er von November 2019 bis August 2021 in der JVA verbüßte.

In einer Stellungnahme zur Sozial- und Legalprognose im Februar 2020 stellte die JVA fest, dass der Kläger wenig sozialen Kontakt habe und eine berufliche Integration fraglich sei. Obwohl der Kläger therapiewillig war, wurde seine soziale und wirtschaftliche Integration als unsicher eingestuft.

Ordnungsverfügung und Ausweisung

Am 3. März 2020 erließ die zuständige Behörde eine Ordnungsverfügung, die den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland auswies und ein auf sieben Jahre befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängte. Die Behörde begründete die Ausweisung mit dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse, das sich aus den mehrfachen strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers ergab, insbesondere den drei Verurteilungen zu Freiheitsstrafen von jeweils über einem Jahr in den Jahren 2009, 2013 und 2019. Hinzu kamen der fortdauernde Drogenkonsum des Klägers und die nicht erfolgreichen bzw. abgebrochenen Therapien, die ebenfalls als schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gewertet wurden.

Die Behörde stellte fest, dass das Bleibeinteresse des Klägers, welches durch seine Niederlassungserlaubnis gestützt wurde, nicht ausreiche, um das Ausweisungsinteresse zu überwiegen. Die Beziehung zu seiner Mutter, die ebenfalls in Deutschland lebt, änderte daran nichts, da diese in der Vergangenheit nicht stabilisierend auf den Kläger eingewirkt habe. Das auf sieben Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot sollte dem Kläger zudem ermöglichen, in der Ukraine eine zweijährige erfolgreiche Therapie zu absolvieren und anschließend fünf Jahre zu nutzen, um sich dort ein geregeltes Leben aufzubauen.

Widerspruch und Klage

Der Kläger legte am 3. April 2020 Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung ein und führte an, dass er sich bemühe, seine Drogensucht im Rahmen einer Therapie zu bekämpfen. Er habe die Methadondosis bereits auf ein Minimum reduziert, was seine Therapiewilligkeit belege. Zudem führte der Kläger an, dass er keine Kontakte in die Ukraine habe und seit seiner Einreise nach Deutschland nur einmal, im Jahr 2012 zur Beerdigung seines Vaters, für vier Tage dort gewesen sei. Die enge Bindung zu seiner Mutter sowie die pandemiebedingten Besuchsbeschränkungen während der Haftzeit wurden ebenfalls als Argumente vorgebracht.

Im September 2020 bestätigte die JVA, dass der Kläger therapiewillig sei und sich eigenständig um einen Therapieplatz bemühe. Dennoch blieb unklar, ob eine wirtschaftliche Integration möglich sei. Die Beklagte wies den Widerspruch am 11. November 2020 zurück und argumentierte, dass eine erfolgreiche Drogentherapie nicht zu erwarten sei, da der Kläger in den vergangenen vier Jahren keine diesbezüglichen Erfolge vorweisen konnte. Zudem sei eine wirtschaftliche Integration des Klägers nicht zu erwarten, da er weder eine Ausbildung abgeschlossen noch je einer beruflichen Beschäftigung nachgegangen sei.

Daraufhin erhob der Kläger am 17. Dezember 2020 Klage.

Weiterer Verlauf und Stellungnahmen

Im Verlauf des Klageverfahrens gab es mehrere Stellungnahmen zur Sozial- und Legalprognose des Klägers. Die JVA äußerte sich erneut im April 2021 und stellte fest, dass der Kläger sein Vorhaben, eine Therapie zu absolvieren, aufgegeben habe. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger nicht in der Lage sei, sich wirtschaftlich oder sozial zu integrieren, und dass eine weitere Straffälligkeit nicht ausgeschlossen werden könne.

Nach seiner Haftentlassung im August 2021 begab sich der Kläger freiwillig in eine Selbsthilfeeinrichtung, wo er einen kalten Entzug durchführte und an einer Arbeitstherapie teilnahm. Die Einrichtung bestätigte, dass der Kläger Fortschritte gemacht habe, jedoch brach er die Therapie im Februar 2022 ab. Der Kläger legte mehrere negative Drogentests vor, jedoch wurde er im September 2022 mit einer geringen Menge Kokain angetroffen, die er konsumieren wollte.

Gerichtliche Entscheidung und Begründung

Das Gericht wies die Klage ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Ausweisung. Es stellte fest, dass die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers, insbesondere die Verurteilungen zu Freiheitsstrafen von über einem Jahr, ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1a lit. d) AufenthG begründen. Die Vielzahl der Verurteilungen zu Freiheits- und Geldstrafen stellte zudem ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse dar. Das Gericht war der Überzeugung, dass von dem Kläger weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, da er trotz Phasen der Abstinenz und Therapien nicht in der Lage war, dauerhaft drogenfrei zu bleiben und ein straffreies Leben zu führen.

In seiner Begründung führte das Gericht weiter aus, dass ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers, das sich unter anderem aus seiner Niederlassungserlaubnis und seinem langjährigen Aufenthalt in Deutschland ergibt, nicht ausreiche, um das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse zu überwiegen. Die Tatsache, dass der Kläger zwei Drittel seines Lebens in Deutschland verbracht hat und enge familiäre Bindungen in Deutschland unterhält, konnte das wiederholte und schwere Fehlverhalten des Klägers nicht aufwiegen.

Das Gericht erkannte an, dass die Ausweisung einen erheblichen Eingriff in das Leben des Klägers darstellt, jedoch wurde dies als verhältnismäßig angesehen, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Die Gefahr eines Rückfalls und die damit verbundene Begehung weiterer Straftaten wurde weiterhin als gegeben angesehen, insbesondere da der Kläger erneut beim Drogenkonsum erwischt wurde und seine Therapien nicht erfolgreich abschließen konnte.

Einreise- und Aufenthaltsverbot

Das Gericht bestätigte ebenfalls das auf sieben Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot, das zusammen mit der Ausweisung verhängt wurde. Bei der Festlegung der Dauer des Verbots wurde berücksichtigt, dass der Kläger Zeit benötigen würde, um in der Ukraine eine Therapie abzuschließen und sich dort ein neues Leben aufzubauen. Die familiären Bindungen des Klägers in Deutschland wurden ebenfalls berücksichtigt, jedoch wurden diese als nicht ausreichend gewertet, um eine kürzere Befristung des Verbots zu rechtfertigen.

Schlussfolgerung

Letztlich kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Klage des Klägers unbegründet ist und die Ausweisung sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot rechtmäßig sind. Es stellte fest, dass die Ausweisung verhältnismäßig ist und dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dient. Der Kläger war während eines

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