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Ausländerrecht: Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung des Umgangsrechts mit einem deutschen Sohn nur bei tatsächlicher Eltern-Kind-Beziehung

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 26.09.2016, Az.: 10 B 13.1318

Auch im Ausländerrecht ist das Recht des Vaters oder der Mutter auf Umgang mit dem Kind zu berücksichtigen

Art. 6 Abs. 2 und 3 GG garantieren den Vorrang der Eltern, ihre Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit bei der Pflege und Erziehung der Kinder, bestellen aber zugleich die staatliche Gemeinschaft zum Wächter. Das Umgangsrecht eines Elternteils steht ebenso wie die elterliche Sorge demnach unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Beide Rechtspositionen erwachsen aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Verantwortung der Eltern und müssen von den Rechtsinhabern (den beidem Elternteilen) im Verhältnis zueinander respektiert werden.

Der deutsche Staat darf nur zum Vorteil des Kindes in das Umgangsrecht der Eltern eingreifen

Daraus folgt, dass auch der Staat nur zum Wohle des Kindes das Umgangsrecht der Eltern begrenzen darf. Eine Berücksichtigung hat insbesondere im Bereich der Jugendhilfe, aber auch im Bereich der Aufenthaltsregelungen zu erfolgen. So hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei seinen Bescheiden bezüglich Aufenthaltserlaubnissen zu prüfen, ob ein Sorgerecht oder Umgangsrecht besteht und ob in diesem Zuge von einer familiären Eltern-Kind-Beziehung auszugehen ist.

 

Im gleichen Zuge ist Art. 8 EMRK zu berücksichtigen, der ebenfalls ein Umgangsrecht der Eltern gewährt und einen besonderen Schutz der Familie vorsieht.

Im nachfolgenden Urteil hat sich der Kläger gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausübung seines Umgangsrechts mit seinem Sohn gewandt.

Der Hintergrund: Asyl unter falscher Identität und erneute Einreise

Der Kläger, ein am 01.10.1964 geborener Mann, reiste erstmals im Mai 1997 nach Deutschland ein und stellte beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Asylantrag. Dabei gab er fälschlicherweise an, sudanesischer Staatsangehöriger zu sein. Zudem behauptete er, sein Herkunftsland bereits 1955 verlassen zu haben, was angesichts seines Geburtsdatums offensichtlich falsch war. Nach einer Überprüfung seiner Angaben stellte sich heraus, dass er nicht aus dem Sudan stammte, woraufhin sein Asylantrag abgelehnt wurde. Er tauchte daraufhin unter und verließ Deutschland.

Im März 2004 reiste der Kläger erneut nach Deutschland ein, diesmal als nigerianischer Staatsangehöriger mit einem spanischen Aufenthaltstitel. Am 29.03.2004 beantragte er eine Aufenthaltserlaubnis, gestützt auf eine Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen, die in Dänemark vollzogen worden war. Die deutschen Behörden erteilten ihm daraufhin am 18.05.2004 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AuslG, die zunächst bis zum 17.05.2005 gültig war. Diese wurde später bis 17.05.2007 verlängert, diesmal nach § 28 Abs. 1 AufenthG.

Die Geburt des Sohnes und der Antrag auf Niederlassungserlaubnis

Am 06.01.2007 wurde der gemeinsame Sohn des Klägers und seiner deutschen Ehefrau geboren. Aufgrund dieses Ereignisses stellte der Kläger am 18.05.2007 einen Antrag auf eine unbefristete Niederlassungserlaubnis. Da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt waren, nahm er den Antrag am 27.09.2007 zurück. Er erhielt stattdessen eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG, gültig bis zum 11.02.2009.

Kurz darauf, im Oktober 2007, trennte sich der Kläger von seiner Ehefrau und zeigte dies den Behörden am 06.12.2007 an. Trotz der Trennung beantragte er am 11.02.2009 die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Abs. 1 AufenthG, um weiterhin das Umgangsrecht mit seinem Sohn ausüben zu können. Die Behörden genehmigten ihm eine bis zum 24.06.2010 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG.

Schwierigkeiten mit dem Umgangsrecht und die Scheidung

Die Ehe des Klägers wurde am 21.09.2009 geschieden. Nach der Scheidung stellte die Ex-Frau fest, dass der Kläger die vereinbarten Besuchstermine nicht einhielt und auch keinen Unterhalt zahlte. Der Stiefvater des Kindes übernahm zunehmend die Rolle des Vaters. Im April 2010 beantragte der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis für einen Sprachkurs, zog diesen Antrag jedoch zurück, da er Sozialleistungen bezog und daher die Genehmigung unwahrscheinlich war. In den folgenden Jahren erhielt er mehrere Fiktionsbescheinigungen, bis ihm im Juli 2011 eine bis zum 17.06.2012 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG erteilt wurde.

Am 01.03.2012 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Diesmal berief er sich auf völkerrechtliche, humanitäre und politische Gründe und gab an, inzwischen eine Beschäftigung gefunden zu haben. Die zuständige Behörde lehnte diesen Antrag jedoch am 29.11.2012 ab, mit der Begründung, dass der Kläger nicht die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 S. 1 AufenthG erfülle. Insbesondere sei keine familiäre Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn vorhanden, was aus den Aussagen seiner Ex-Frau und weiteren Ermittlungsergebnissen hervorging.

Gerichtliche Klage und Begründung der Ablehnung

Der Kläger klagte gegen die Entscheidung der Behörde, jedoch wies das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg die Klage am 5. März 2013 ab. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und § 28 Abs. 1 S. 4 AufenthG habe, da er nicht die Personensorge für seinen Sohn ausübe und auch nicht mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebe. Seit der Trennung von seiner Ehefrau im Oktober 2007, als der Sohn erst neun Monate alt war, habe nie eine längere häusliche Gemeinschaft bestanden. Das alleinige Sorgerecht liege seit einer gerichtlichen Entscheidung vom 30.10.2008 bei der Mutter des Kindes. Darüber hinaus sei der Kläger nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbst zu sichern, was eine weitere Voraussetzung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG darstellt.

Das Gericht stellte außerdem fest, dass der Kläger weder regelmäßig noch ernsthaft Anteil am Leben seines Sohnes nehme. Es habe nur seltene Besuche gegeben, und der Kläger habe bis auf wenige Ausnahmen keinen Unterhalt gezahlt. Daher sei kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG gegeben.

Berufungsverfahren: Bestätigung der ersten Instanz – Kläger kümmert sich nicht genug

Der Kläger legte gegen das Urteil Berufung ein und argumentierte, dass das Verwaltungsgericht Augsburg das Umgangsrecht falsch eingeschätzt habe. Er habe durchaus Interesse am Leben seines Kindes und bemühe sich um den Kontakt. Eine Umgangspflegerin sei eingesetzt worden, um den Kontakt zwischen ihm und seinem Sohn zu fördern. Der Kläger verwies auf sein grundgesetzlich geschütztes Umgangsrecht gemäß Art. 6 Abs. 1 GG, das nicht von weiteren Bedingungen wie etwa Unterhaltszahlungen abhängig gemacht werden dürfe. Zudem machte er geltend, dass die Mutter des Kindes gegen das Umgangsrecht arbeite und den Kontakt bewusst behindere.

Trotz dieser Argumente entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof München gegen den Kläger. Das Gericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil und wies die Berufung ab. Es kam zu dem Schluss, dass kein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis bestehe, da keine familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Sohn vorliege. Der Kontakt sei auf gelegentliche Briefe beschränkt, und es bestehe keine kontinuierliche emotionale Bindung.

6. Keine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen

Auch ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG wurde abgelehnt. Das Gericht stellte fest, dass die Ausreise des Klägers rechtlich nicht unmöglich sei und kein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Familien- oder Privatleben vorliege. Es gäbe keine schützenswerte Beziehung zu seinem Sohn, die einen Aufenthalt in Deutschland rechtfertigen würde. Selbst die Berufung auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) konnte dem Kläger nicht helfen, da sein Umgangsrecht nicht zum Wohl des Kindes beitrage und daher nicht schützenswert sei.

Fazit – Für Aufenthaltserlaubnis muss der Kläger regelmäßigen Umgang mit dem Kind haben

Der Fall unterstreicht, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen eines deutschen Kindes weitreichende Anforderungen stellt. Ein Elternteil muss nicht nur formell, sondern auch tatsächlich regelmäßig Kontakt zu seinem Kind pflegen, um eine familiäre Lebensgemeinschaft nachweisen zu können. Gelegentliche Treffen oder sporadische Kontakte reichen nicht aus, um ein Aufenthaltsrecht zu begründen. Das Gericht bestätigte, dass das Kindeswohl und die tatsächliche Ausübung der Elternrechte entscheidend sind. Daher wurde dem Kläger zu Recht die Aufenthaltserlaubnis verweigert.

Quelle: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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