Verwaltungsgericht Stuttgart, 01.03.2010, Az. 11 K 223/09
Möchte ein Ausländer deutscher Staatsbürger werden, muss er sich einbürgern lassen. Die Voraussetzungen hierfür sind zum einen im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) und im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelt. Neben verschiedenen anderen in den Gesetzen aufgelisteten Voraussetzungen bedarf es immer auch des Nachweises der Identität. Dies ist zwar beispielsweise aus § 10 Abs. 1 S.1 StAG nicht direkt herauszulesen.
Es ergibt sich jedoch daraus, dass die Personalien Grundlage für die Überprüfung der anderen Voraussetzungen sind. So muss zum Beispiel für die Prüfung des § 10 I 1 Nr. 5 StAG, also ob die Person schonmal straffällig geworden ist, klar sein, wer die Person überhaupt ist. Außerdem soll allgemein verhindert werden, dass eine Person unter mehreren Identitäten im Alltag agiert. Der Nachweis seiner Identität ist jedoch nicht immer einfach. So gilt im Allgemeinen der nationale Reisepass als Nachweis. Das folgende Schaubild gibt eine Übersicht darüber, wie ein Einbürgerungsbewerber seine Identität nachwesien kann:
Im nachstehenden Urteil stellt das Verwaltungsgericht Stuttgart klar, dass die Behörde nicht in jedem Fall auf eine Legalisierung von Dokumenten bestehen darf, die die Identität nachweisen soll. So soll dies im Einzelfall entschieden werden, wobei die Glaubwürdigkeit der sonstigen Dokumente mit einbezogen werden muss. Auch eine nicht legalisierte Urkunde kann im Rahmen der freien Beweiswürdigung verwendet werden.
Sachverhalt des gerichtlichen Urteils
Im vorliegenden Fall streiten sich die Parteien um den Einbürgerungsanspruch eines Familienvaters. Der aus dem Sudan stammende Mann ist der Kläger, die Beklagte eine Ausländerbehörde.
Der Mann kommt 1996 als Flüchtling nach Deutschland, wo ihm Asyl gewährt und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt wird. Im Jahr 1998 folgt seine Ehefrau im Rahmen des Familiennachzugs. In diesem Verfahren legt der Mann einen sudanesischen Arbeitsausweis und einen Heiratsvertrag vor, aus denen seine Personalien hervorgehen.
Kläger hatte Antrag auf Einbürgerung gestellt
Im Jahr 2006 stellt der Mann einen Antrag auf Einbürgerung bei der Ausländerbehörde und reicht hierzu die erforderlichen Dokumente ein. Außerdem versichert er vor einem Notariat eidesstattlich, dass seine angegebenen Daten richtig sind.
Die Ausländerbehörde teilt daraufhin mit, dass sie den Antrag nicht bearbeiten könne, da die Identität des Mannes nicht vollständig geklärt sei. Daraufhin reicht der Mann zusätzlich seine sudanesische Geburtsurkunde im Original nach.
Das Verfahren verzögert sich mehrfach, da die Behörde prüft, ob ein Widerruf des Asyls des Mannes möglich sei.
Die Ausländerbehörde erkennt die Geburtsurkunde wegen fehlender Legalisierung nicht an
Erst im November 2007 teilt die Behörde ihm schließlich mit, dass sie die Geburtsurkunde nicht anerkennt. Zur Anerkennung bedürfe es einer Legalisierung durch die deutsche Botschaft in Khartum (Sudan). Der Mann versucht daraufhin, eine Legalisierung zu erreichen, indem er einen Bekannten im Sudan damit beauftragt. Beim notwendigen Gang zum sudanesischen Außenministerium wird die Urkunde jedoch beschlagnahmt.
Im Juni 2008 fordert die Ausländerbehörde außerdem aktuelle Rentenversicherungsunterlagen, die der Mann einreicht. Zudem reicht er eine Kopie einer Bescheinigung der sudanesischen Botschaft ein, in der seine sudanesische Staatsangehörigkeit bestätigt wird. Die Personalien stimmen erneut mit den zuvor angegebenen überein. Ferner besteht er eine Deutschprüfung mit der Note 1.
Ausländer reicht Klage ein
Die Behörde wird dennoch unter Verweis auf die fehlende Legalisierung der Geburtsurkunde nicht tätig. Deshalb erhebt der Mann Klage vor dem Verwaltungsgericht.
Er beantragt eine Verpflichtung der Behörde, ihn in den deutschen Staatsverband einzubürgern.
Die Ausländerbehörde beantragt dagegen die Abweisung der Klage. Sie beruft sich darauf, dass die Identität des Mannes nicht geklärt sei, da seine Geburtsurkunde nicht legalisiert wurde.
Einem Hinweis der deutschen Botschaft in Khartum, dass eine Geburtsurkunde nicht zwingend legalisiert werden muss, sondern auch im Wege der freien Beweiswürdigung herangezogen werden kann, folgt sie nicht.
Außerdem hält sie die Staatsangehörigkeit des Mannes für ungeklärt, da in der Vergangenheit Nigerianer nachweislich als Sudanesen aufgetreten seien. Bezüglich der Kopie der Bescheinigung der sudanesischen Botschaft hat die Behörde Zweifel, da ihr selbst eine solche Bescheinigung von der Botschaft nicht übermittelt wurde.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hält die Klage für begründet und verpflichtet die Ausländerbehörde zur Einbürgerung des Klägers. Es sieht einen Einbürgerungsanspruch des Klägers nach § 10 I 1 StAG als gegeben an, den auch die Behörde zuvor geprüft hatte.
Das Gericht führt aus, dass der Einzubürgernde acht Jahre rechtmäßig in Deutschland wohnen muss, handlungsfähig nach § 37 I 1 StAG ist und die Voraussetzungen der Nr. 1-7 in § 10 I 1 StAG erfüllt. Diese Voraussetzungen sieht das Gericht als offensichtlich erfüllt an. Zuvor war lediglich streitig, ob der Kläger seine Identität ausreichend nachgewiesen hat. Das Erfordernis der Identitätsklärung ist zwar nicht wortwörtlich festgeschrieben, jedoch nach ständiger Rechtsprechung anerkannt.
Nach Ansicht des Gerichts ist die Legalisierung der Geburtsurkunde nicht zwingend notwendig
Dass jedoch der Identitätsnachweis nur mittels einer legalisierten Geburtsurkunde erbracht werden kann, verneint das Gericht ausdrücklich. Zur Begründung verweist es darauf, dass der Gesetzgeber dies nicht festgelegt hat. Eine von der Behörde erfundene Pflicht, eine legalisierte Geburtsurkunde vorzulegen, widerspräche dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Dennoch sieht das Gericht die Vorlage einer legalisierten Geburtsurkunde als geeignetes Mittel an, betont jedoch, dass es nicht das einzige ist.
In der Summe reichen die eingereichten Nachweise zur Identitätsklärung aus
Nach Auffassung des Gerichts hat der Mann seine Identität auch ohne legalisierte Urkunde nachgewiesen. So hat er immer die gleichen Personalien angegeben und diesbezüglich nie Korrekturen vorgenommen. Sein sudanesischer Arbeitsausweis und seine eidesstattliche Versicherung sind für sich genommen kein Nachweis der Identität. In der Summe jedoch, zusammen mit dem vorgelegten beglaubigten Heiratsvertrag, ausreichend.
Außerdem sei die nicht legalisierte Geburtsurkunde im Rahmen der freien Beweiswürdigung als echt zu bewerten, sodass ein Legalisierungsverfahren unangemessen wäre.
Zuletzt reicht auch die Vorlage einer Kopie der von der sudanesischen Botschaft ausgestellten Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit des Mannes aus, da sie bereits Zweifel an seiner Identität ausräumt. Die Vorlage des Originals ist in diesem Fall nicht erforderlich.
Diese Vielzahl von Nachweisen lässt das Gericht zu dem Schluss kommen, dass die Identität des Mannes geklärt ist und damit die Voraussetzungen des § 10 I 1 StAG gegeben sind. Es verpflichtet die Ausländerbehörde, ihn einzubürgern.
Gericht sieht auch weitere Forderungen der Ausländerbehörde als rechtswidrig an
Etwas untypisch erlaubt sich das Gericht zudem, die Ausländerbehörde für ihr Vorgehen zu kritisieren. So stellt es klar, dass das Fordern der Rentenversicherungsunterlagen im Rahmen des § 10 I 1 StAG nicht vorgesehen ist und das Verfahren unnötig in die Länge gezogen hat. Ein Erfordernis für eine Einbürgerung nach § 9 II 1 Nr. 5 AufenthG dürfe nicht auf den Anspruch nach § 10 I 1 StAG übertragen werden.
Ferner kritisiert es die mehrfache Prüfung, ob ein Widerruf des Asyls möglich ist, da auch dies das Verfahren unnötig hinausgezögert habe. Solch eine Prüfung solle nur als Ausnahme erfolgen, wenn sich die Umstände im Herkunftsland signifikant verändert haben, was im Sudan offensichtlich nicht der Fall war.
Fazit: Oftmals schießen die Ausländer- bzw. Einbürgerungsbehörden über das Ziel hinaus und legen zu strenge Kriterien an. Dann sollte gerichtlich überprüft werden.
Quelle: VG Stuttgart
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