Ausländerrecht: Tod des deutschen Ehegatten vor der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug.

Verwaltungsgericht Bayreuth, 04.12.2014, Az.: B 4 E 14.786

Beantragt ein Ausländer vor Ablauf der Geltungsdauer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend.

Diese sogenannte Fiktionswirkung ist in § 81 Abs. 3 AufenthG festgelegt. Gemäß § 81 Abs. 5 AufenthG ist dem Ausländer dann eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

Diese Fiktionswirkung hat auch Auswirkungen auf die Auswahl der Antragsart beim einstweiligen Rechtsschutz. Durch die Fiktionswirkung ist nämlich nicht ein Antrag gemäß § 123 VwGO statthaft, sondern vielmehr ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.

In dem hier besprochenen Fall war die Antragstellerin im Besitz eines Schengenvisums, hatte aber bereits die Aussicht auf eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis starb ihr deutscher Ehemann. Dennoch begehrte die Antragstellerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als sogenanntes eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG.

Einreise und Eheschließung einer ukrainischen Staatsangehörigen

Die 1964 geborene Antragstellerin, eine ukrainische Staatsangehörige, reiste am 15. September 2013 mit einem Schengen-Visum, gültig bis zum 14. September 2014, in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) ein. Am 1. Oktober 2013 heiratete sie den deutschen Staatsangehörigen K. Nach der Eheschließung kehrte sie im Oktober 2013 in ihr Heimatland zurück und stellte am 20. November 2013 einen Antrag auf ein Visum zum Zweck des Ehegattennachzugs. Dieser Antrag wurde von der deutschen Botschaft abgelehnt.

Klage und Rücknahme

Die Antragstellerin erhob gegen die Ablehnung Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Während der öffentlichen Sitzung am 23. September 2014 nahm sie die Klage zurück, nachdem die Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland im Einvernehmen mit der Ausländerbehörde anbot, gegen die Klagerücknahme ein Visum zum Ehegattennachzug zu erteilen. Der Aufenthaltstitel sollte jedoch zunächst nur für ein Jahr gewährt werden, mit der Möglichkeit einer Verlängerung nach Überprüfung des ehelichen Zusammenlebens.

Tod des Ehemanns während mündlicher Verhandlung und Visumsverlängerungen

Am selben Tag, dem 23. September 2014, verstarb der Ehemann der Antragstellerin. Das Schengen-Visum der Antragstellerin, das bis zum 14. September 2014 gültig war, wurde zweimal verlängert: zunächst bis zum 30. September 2014 für die Teilnahme an der Gerichtsverhandlung und danach als nationales Besuchs-/Geschäftsreisevisum bis zum 13. Dezember 2014 zur Abwicklung der Nachlassangelegenheiten. Trotz dieser Verlängerungen lehnte die Ausländerbehörde am 19. November 2014 den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab und setzte eine Frist zur Ausreise unter Androhung der Abschiebung fest.

Ablehnung des Antrags und Begründung

Die Ausländerbehörde begründete ihre Entscheidung damit, dass ein eigenständiges Aufenthaltsrecht gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 und § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) voraussetzt, dass der ausländische Ehegatte bereits im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG sei. Die Antragstellerin verfügte jedoch nur über ein Schengen-Visum, das nicht als Ersatz für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gelten könne. Zudem sei das für die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug vorgesehene Zustimmungsverfahren mit der Ausländerbehörde im Inland nicht durchgeführt worden. Auch könne die Zusicherung der Visumerteilung im Rahmen des Vergleichs nicht genutzt werden, um die fehlende Aufenthaltserlaubnis zu umgehen und ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu begründen. Daher liege auch kein schützenswertes Vertrauen auf einen weiteren Aufenthalt der Antragstellerin in Deutschland vor, da sie noch kein ehebedingtes Aufenthaltsrecht erworben habe.

Klage und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz

Gegen diese Ablehnung erhob die Antragstellerin Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Gleichzeitig beantragte sie einstweiligen Rechtsschutz, um die Erlaubnis ihres Aufenthalts bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung sicherzustellen, hilfsweise eine Duldung oder Aussetzung der Abschiebung zu erreichen. Das Verwaltungsgericht Bayreuth wies diesen Antrag ab. Es stellte fest, dass nach der Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch Bescheid vom 19. November 2014 kein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO statthaft sei, sondern nur ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts

Das Gericht entschied, dass der Antrag auf aufschiebende Wirkung der Klage zwar zulässig, aber unbegründet sei. Das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung überwiege nicht das öffentliche Interesse an der Vollziehbarkeit ihrer Ausreisepflicht nach Ablauf des Visums am 14. Dezember 2014. Es sei von der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids auszugehen, da die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt seien.

Die Antragstellerin hatte keine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Ehegattennachzugs, sondern nur ein Schengen-Visum. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts würde eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz nur dann als „Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten“ im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gelten, wenn sie diesem zum Zweck des Ehegattennachzugs erteilt worden sei. Ein Schengen-Visum oder ein nationales Besuchs-/Geschäftsreisevisum erfülle diese Voraussetzung nicht. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wurde daher abgelehnt. Auch der Hilfsantrag auf Aussetzung der Abschiebung blieb erfolglos, da keine ausreichenden Gründe für die Unmöglichkeit der Abschiebung vorlagen.

Zusammenfassung und Ablehnung des Antrags

Das Gericht stellte abschließend klar, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht gegeben waren. Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht setzt voraus, dass der ausländische Ehegatte bereits eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG besitzt, was bei der Antragstellerin nicht der Fall war. Daher sei auch das öffentliche Interesse an der Vollziehbarkeit ihrer Ausreisepflicht höher zu gewichten als ihr privates Interesse am Verbleib in Deutschland.

Auch das Argument der Antragstellerin, dass die Ablehnung ihres Visumantrags unrechtmäßig gewesen sei, rechtfertigte nicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Zusicherung der Visumerteilung durch die Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Berlin stellte keine verbindliche Zusicherung einer Aufenthaltserlaubnis dar, da diese nicht von der zuständigen Ausländerbehörde erteilt worden war. Infolgedessen war der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erfolglos, und die Antragstellerin blieb ausreisepflichtig.

Quelle: Verwaltungsgericht Bayreuth

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4 Antworten

  1. Kann die Aufenthaltserlaubnis für einen verwitweten Ehemann verlängert werden, dessen deutsche Ehefrau nach 8 jahrelanger Ehe verstorben ist Für den Fall, dass er noch kein B1-Zertifikat erhalten hat?

  2. Wie ist denn die Lage bei einer ukrainischen Ehefrau, die ca 20 Jahre in Deutschland verheiratet war und mit dem Ehemann 2 Söhne hat, die nun nach dessen Suicid verwitwet ist?

    MfG, D.K.

    1. Sehr geehrter Herr K.,

      wenn vorher eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG bestanden hat und dies mehr als 3 Jahre, wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG bekommen, wenn die anderen Voraussetzungen gegeben sind.

      Mit freundlichen Grüßen
      Rechtsanwalt Tieben

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