Ausländerrecht: Zu den Mitwirkungspflichten des Ausländers bei der Erstellung von Ausweisersatzpapieren - MTH Rechtsanwälte Köln
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Ausländerrecht
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von: Helmer Tieben

Verwaltungsgericht Stuttgart, 04.11.2015, Az.: 11 K 2263/15

Hintergrund des Falls

Der Kläger, geboren 1992 in Krementschug, Ukraine, reiste 1998 als Kind mit seinen Eltern als Kontingentflüchtling nach Deutschland ein und erhielt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die mittlerweile als Niederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG fortbesteht. Der Kläger hatte nie einen eigenen Pass, sondern war bei der Einreise in den Pass seiner Mutter eingetragen. Nach seiner Einreise nach Deutschland verlor der Kläger seine ukrainische Staatsangehörigkeit gemäß einem Erlass des ukrainischen Präsidenten. Trotz einer Zusicherung der Einbürgerung durch die deutsche Behörde, wurde diese aufgrund mehrerer strafrechtlicher Verurteilungen des Klägers nicht vollzogen.

Antrag auf Ausstellung eines Ausweisersatzes

Im Jahr 2014 beantragte der Kläger die Ausstellung eines Ausweisersatzes, der seine Niederlassungserlaubnis bescheinigen sollte. Dieser Antrag wurde jedoch von der zuständigen Ausländerbehörde abgelehnt, ebenso wie der daraufhin eingelegte Widerspruch. Daraufhin erhob der Kläger Klage und machte geltend, dass es ihm unzumutbar sei, einen ukrainischen Pass zu beantragen, da dies die Wiedereinbürgerung in die Ukraine voraussetzen würde. Er betonte, dass er keine persönlichen oder kulturellen Bindungen zur Ukraine habe.

Entscheidungsgründe des Gerichts

Das Gericht entschied zugunsten des Klägers und stellte fest, dass die Ablehnung der Ausstellung eines Ausweisersatzes rechtswidrig sei. Der Kläger habe Anspruch auf den begehrten Ausweisersatz gemäß § 48 Abs. 2 AufenthG in Verbindung mit § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV. Diese Bestimmungen sehen vor, dass ein Ausweisersatz ausgestellt werden kann, wenn ein Ausländer keinen anerkannten Pass besitzt und diesen auch nicht in zumutbarer Weise erlangen kann, er jedoch im Besitz eines Aufenthaltstitels ist.

Zumutbarkeit der Passbeschaffung

Das Gericht argumentierte, dass es dem Kläger nicht zumutbar sei, einen ukrainischen Pass zu beantragen, da dies eine Wiedereinbürgerung in die Ukraine erfordern würde. Die Mitwirkungspflicht eines Ausländers erstrecke sich gemäß § 48 Abs. 2 AufenthG nicht auf die Beantragung einer Staatsangehörigkeit, die der Ausländer nicht besitzt. Vielmehr sei der Ausländer nur zu ernsthaften Bemühungen verpflichtet, einen Pass oder Passersatz zu erhalten, was im vorliegenden Fall nicht die Beantragung einer neuen Staatsangehörigkeit umfasse.

Das Gericht betonte, dass das Zumutbarkeitskriterium in § 48 Abs. 2 AufenthG und § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV darauf abziele, Nachlässigkeit oder Bequemlichkeit des Ausländers zu verhindern, jedoch nicht dazu dienen könne, ihn zur Beantragung einer Staatsangehörigkeit zu zwingen, die er bereits aufgegeben hat. Eine solche Verpflichtung würde den sachlichen Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes überdehnen und wäre mit dessen ausländerpolizeilicher Zweckrichtung nicht vereinbar.

Vergleich mit früherer Rechtsprechung

Das Gericht stellte klar, dass frühere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu anderen Rechtsgrundlagen ergangen sind und daher nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar seien. Insbesondere wiesen die vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fälle unterschiedliche rechtliche und tatsächliche Voraussetzungen auf, die nicht vergleichbar mit der Situation des Klägers seien.

Fazit

Das Urteil stellt fest, dass der Kläger einen Anspruch auf die Ausstellung eines Ausweisersatzes hat, ohne dass er zuvor eine Wiedereinbürgerung in die Ukraine beantragen muss. Dies sei sowohl rechtlich als auch tatsächlich unzumutbar. Das Gericht hob daher die Verfügung der Beklagten und den Widerspruchsbescheid auf und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger die begehrte Bescheinigung auszustellen.

Dieses Urteil verdeutlicht, dass die Mitwirkungspflicht eines Ausländers bei der Passbeschaffung nicht so weit ausgelegt werden kann, dass er gezwungen wäre, eine Staatsangehörigkeit neu zu beantragen, die er bereits aufgegeben hat, insbesondere wenn der Ausländer keine relevanten Bindungen zu dem betreffenden Staat mehr hat.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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