Verwaltungsgericht Stuttgart, 02.12.2011, Az.: 11 K 839/11
Die deutsche Staatsangehörigkeit kann neben dem Erwerb durch die Geburt oder aufgrund eines gesetzlichen Erwerbstatbestandes durch Einbürgerung erworben werden.
Die wesentlichen Rechtsgrundlagen über Erwerb und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit enthält das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) in der derzeit geltenden Fassung.
Das Staatsangehörigkeitsgesetz unterscheidet grundsätzlich zwischen der Anspruchseinbürgerung (§ 10 StAG) und der Ermesseneinbürgerung (§§ 8, 9 StAG):
Im Rahmen der Anspruchseinbürgerung besteht ein Anspruch, wenn der Anspruchssteller seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
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- sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt,
- zum Zeitpunkt der Einbürgerung ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
- seinen Lebensunterhalt und den seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder XII bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
- nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist,
- über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt und
- Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse in Deutschland besitzt.
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Die Voraussetzungen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG entsprechen weitgehend denen einer Anspruchseinbürgerung.
Allerdings setzt die Ermessenseinbürgerung darüber hinaus die Feststellung eines öffentlichen Interesses an der Einbürgerung voraus.
Ehegatten oder Lebenspartner Deutscher sollen nach § 9 StAG unter den Voraussetzungen des § 8 eingebürgert werden, wenn sie einen rechtmäßigen und gewöhnlichen Inlandsaufenthalt von drei Jahren nachweisen und die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem deutschen Ehegatten oder Lebenspartner mindestens seit zwei Jahren im Inland besteht (keine Scheinehe).
Ansonsten gelten auch hier die allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte nun in der oben genannten Entscheidung darüber zu richten, ob ein Einbürgerungsbewerber einen Anspruch auf Einbürgerung hat, auch wenn er über die von § 10 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 StAG geforderten ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache und der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Deutschland nicht verfügt.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:
Die Klägerin, eine türkische Staatsangehörige, wurde im Jahr 1949 geboren und reiste 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Aufgrund gesundheitlicher Probleme stand sie unter gesetzlicher Betreuung.
Nach ihrer Ankunft in Deutschland beantragte sie Asyl und wurde 1994 vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als Asylberechtigte gemäß § 51 Abs. 1 AuslG anerkannt. Seit 1994 besaß die Klägerin eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Mit Bescheid aus dem Jahr 2006 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die 1994 erfolgte Anerkennung als Asylberechtigte sowie die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorlägen. Gleichzeitig stellte das Bundesamt fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorlägen.
Ab 2010 wurde für die Klägerin eine ehrenamtliche gesetzliche Betreuerin bestellt, da das Betreuungsgericht festgestellt hatte, dass die Klägerin aufgrund einer psychischen Erkrankung und körperlichen Behinderung in Form eines apoplektischen Insults sowie zentraler Gehstörungen nicht in der Lage war, die ihr übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich zu erledigen.
Zum Aufgabenbereich der Betreuerin gehörten unter anderem auch die Vertretung der Klägerin bei Gerichten, Behörden und anderen öffentlichen Einrichtungen.
Das städtische Gesundheitsamt stellte bei der Klägerin einen Zustand nach apoplektischem Insult, ein reflektierendes hirnorganisches Psychosyndrom, eine zentrale Gehstörung und primären Analphabetismus fest. Aufgrund dieser schweren geistigen und körperlichen Behinderung attestierte das Gesundheitsamt der Klägerin eine absolute Geschäftsunfähigkeit im Sinne des BGB, da gravierende Einschränkungen hinsichtlich der Gedankenführung, Urteils- und Kritikfähigkeit sowie des Einsichtsvermögens festgestellt wurden.
Antrag auf Einbürgerung durch die Betreuerin:
Anfang 2010 beantragte die Klägerin durch ihre Betreuerin die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Eine Auskunft aus dem Zentralregister ergab, dass keine Eintragungen über die Klägerin vorlagen. Sie bezog gemeinsam mit ihrem Ehemann Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.
Mit Bescheid Anfang 2011 lehnte die Stadt Heilbronn den Antrag auf Einbürgerung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass aufgrund des Betreuungsverhältnisses davon auszugehen sei, dass die Klägerin handlungsunfähig im Sinne des § 80 AufenthG sei. Zwar habe die Klägerin die für die Einbürgerung notwendige Bekenntnis- und Loyalitätserklärung unterschrieben, doch wurde bezweifelt, dass sie den Inhalt verstanden habe.
Von den Voraussetzungen nach § 10 S. 1 Nr. 1 StAG (Bekenntnis- und Loyalitätserklärung) und § 10 S. 1 Nr. 7 StAG (Kenntnisse zur Rechts- und Gesellschaftsordnung) sei abzusehen, da die Klägerin handlungsunfähig sei. Nicht abzusehen sei jedoch von der Voraussetzung des § 10 S. 1 Nr. 6 StAG (ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache), welche die Klägerin nicht erfülle. Die Behörde stellte fest, dass die mündliche Verständigung mit der Klägerin bereits in den Jahren 2003 und 2007 sehr schwierig gewesen sei und dass die Klägerin sowie ihr Ehemann angegeben hätten, in der Türkei keine Schule besucht zu haben.
Gerichtliches Verfahren:
Im Jahr 2008 erlitt die Klägerin einen Schlaganfall, unter dessen Folgeerscheinungen sie weiterhin litt. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin jedoch keine Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache gemacht. Aufgrund der ärztlichen Atteste könne davon ausgegangen werden, dass die Klägerin nicht an einem Deutschtest teilnehmen könne. Zudem sei nicht ersichtlich, dass sie sich zuvor ausreichend bemüht hätte, die deutsche Sprache zu erlernen.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin Anfang 2011 Widerspruch ein, nachdem sie bereits aufgrund der langen Verfahrensdauer eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Im Rahmen dieser Klage beantragte sie, den Bescheid der Stadt Heilbronn aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Hilfsweise beantragte sie, die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart:
Das Verwaltungsgericht Stuttgart gab der Klägerin teilweise recht und entschied, dass der Bescheid der Stadt Heilbronn rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze. Die Klägerin habe jedoch nur Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung, ihrem Hilfsantrag folgend.
Das Gericht führte aus, dass der geltend gemachte Anspruch auf Einbürgerung sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beurteile. Einer Anspruchseinbürgerung stünde die Vorschrift des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG entgegen, wonach Voraussetzung der Einbürgerung sei, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall, da sie weiterhin die türkische Staatsangehörigkeit besitze.
Die Klägerin habe ihre türkische Staatsangehörigkeit bislang auch nicht aufgegeben. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 1 StAG, wonach von der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit abgesehen werden könne, wenn diese nur unter besonders schwierigen Bedingungen möglich ist, lägen ebenfalls nicht vor.
Einbürgerungszusicherung:
Der Hilfsantrag der Klägerin auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung sei jedoch zulässig und habe Erfolg. Die Einbürgerungszusicherung sei ein dem allgemeinen Verfahrensrecht entlehntes Institut, welches in Einbürgerungsverfahren regelmäßig angewendet werde, um die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit zu erleichtern.
Das Ermessen der Behörde reduziere sich auf eine Pflicht zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung, wenn dadurch ein Einbürgerungsanspruch ermöglicht oder erleichtert werde. Die notwendigen Voraussetzungen eines Einbürgerungsanspruchs lägen – abgesehen vom Erfordernis der Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit – vor.
Leistungen nach SGB II:
Entgegen der Ansicht der Beklagten seien auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StAG erfüllt. Zwar beziehe die Klägerin seit jeher Leistungen nach dem SGB II, dies sei ihr jedoch nicht vorzuwerfen. Zu Beginn ihres Aufenthalts sei ihr die Aufnahme einer Arbeit wegen der Betreuung ihrer sechs Kinder nicht zumutbar gewesen. Später habe sie aufgrund fehlender Qualifikation und ihres Alters keine zumutbare Beschäftigung finden können. Auch sei die Klägerin Analphabetin und spreche die deutsche Sprache nicht.
Die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung nicht darlegen können, dass es vor dem Schlaganfall Vermittlungsmöglichkeiten auf dem deutschen Arbeitsmarkt gegeben habe.
Fehlende Sprachkenntnisse:
Hinsichtlich der fehlenden Deutschkenntnisse könne sich die Klägerin auf die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 6 StAG berufen, da sie aufgrund ihrer Krankheit nicht mehr in der Lage sei, die geforderten Kenntnisse zu erwerben. Maßgeblich sei, ob die Klägerin zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 und 7 StAG wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen könne.
Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart
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Eine Antwort
Hallo mein anliegen ich bin hier geboren lebe seit meiner Geburt auch in Deutschland also 33 Jahre und habe selbst die Niederlassungserlaubnis und habe 2 Kinder eine 8 Jahre und eine 5 Jahre beide haben die Deutsche Staatsbürgerschaft allerdings beziehe ich derzeit Arbeitslosengeld 2 und habe auch Eintrag in der Bundeszentralregister. Wollte heute den Antrag auf Einbürgerung stellen wurde mir gesagt das es ein Problem währe da ich keine Leistung vom Staat erhalten dürfte Meine frage worauf sollte ich mich einstellen ob es da doch besser währe den schritt mit einen Anwalt zur machen und was würde es mich kosten wen ich den schritt doch mit einen Anwalt machen möchte. Danke schon mal im Voraus für eine Antwort.