Ausländerrecht: Auch andere Dokumente als Personenstandsurkunden können ausreichend zur Klärung der Identität sein

Verwaltungsgericht Mainz, Urteil vom 25.03.2022, Az.: 4 K 476/21

Wenn ein Einbürgerungsbewerber nicht die zur Klärung seiner Identität und Staatsangehörigkeit im Sinne des § 10 Abs. 1 StAG erforderlichen amtlichen Dokumente vorlegen kann, so können seine Identität und Staatsangehörigkeit auch mittels anderer Beweismittel hinreichend geklärt werden. Dazu können insbesondere auch Erklärungen bzw. amtliche Dokumente von Familienangehörigen des Einbürgerungsbewerbers dienen, auch wenn diese nicht in Deutschland leben.

In dem hier entschiedenen Fall stellte der seit 2011 in Deutschland lebende Kläger im Jahr 2019 einen Antrag auf Einbürgerung auf Grundlage von § 10 Abs. 1 StAG. Die zuständige Behörde lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass ein Anspruch aus § 10 Abs. 1 StAG nur bestehe, wenn die Identität und Staatsangehörigkeit des Einbürgerungsbewerbers hinreichend geklärt seien. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall. Nachdem der Widerspruch des Klägers gegen die Ablehnung des Einbürgerungsantrags erfolglos blieb, erhob er am 14.06.2021 Klage gegen den Bescheid.

BVerwG Identitäsprüfung

Sachverhalt:

Das Gericht gab der Klage statt und verpflichtete die Behörde, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids, den Kläger in die deutsche Staatsangehörigkeit einzubürgern. Er habe einen Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG. Durch die Erklärungen der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vom Kläger angebotenen Zeugen seien die Identität und Staatsbürgerschaft des Klägers hinreichend im Sinne des § 10 Abs. 1 StAG geklärt.

Persönliche Angaben des Klägers

Nach eigenen Angaben ist der Kläger im Jahr 1987 in Mogadischu geboren und hat die somalische Staatsangehörigkeit. Nach seiner Einreise nach Deutschland im Jahr 2011 stellte er einen Asylantrag bei der zuständigen Behörde und gab an, nicht über einen Pass oder sonstige seine Herkunft nachweisende Dokumente zu verfügen. 2013 wurde ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und 2016 erhielt er eine Niederlassungserlaubnis. Als er 2019 einen Antrag auf Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG stellte, lagen unstreitig alle dazu erforderlichen Voraussetzungen, bis auf die Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit, vor. Der Kläger konnte lediglich eine neu ausgestellte Geburtsurkunde und eine Bestätigung seiner Staatsangehörigkeit nachweisen.

Klärung der Identität durch die somalische Botschaft

Zur Klärung seiner Identität wandte sich der Kläger an die somalische Botschaft in Berlin und erhielt von dieser eine auf den 09.08.2019 datierte Geburtsurkunde, ausweislich derer er am 01.01.1987 in Mogadischu geboren sei, und eine schriftliche Bestätigung, dass er somalischer Staatsbürger sei. Nach Aussage des Klägers hatte der Mitarbeiter der Botschaft die Bestätigung der Staatsbürgerschaft darauf gestützt, dass er sich mit dem Kläger auf Somali unterhalten habe und dieser daher aus Somalia kommen müsse. Diese Dokumente reichte der Kläger bei der Beklagten zum Nachweis seiner Identität und Staatsbürgerschaft ein.

Ablehnung des Einbürgerungsantrags

Nachdem der Kläger bezüglich seines Antrags angehört worden war, lehnte die Beklagte diesen mit Bescheid vom 07.01.2020 ab. Der Kläger widersprach der Ablehnung mit der Begründung, er habe Verwandte, die seine Identität bezeugen könnten.

Zeugenaussagen zur Identitätsklärung

Er reichte daraufhin eine notariell beurkundete Erklärung eines US-amerikanischen Staatsbürgers ein, der angab, sein leiblicher Bruder zu sein, sowie die Erklärung eines Mannes mit schwedischer Staatsbürgerschaft, der angab, sein Onkel mütterlicherseits zu sein. Dieser verfügte neben dem schwedischen Pass auch über ein 1973 in Mogadischu ausgestelltes Identitätsdokument. Beide Erklärungen waren in sich schlüssig und glaubhaft. Der Kläger vertrat die Ansicht, es sei bei unverschuldeter Beweisnot des Klägers nach einem Urteil des BVerwG vom 23.09.2020 (1 C 36/19) zulässig, auf andere Beweismittel zurückzugreifen, wenn keine öffentlichen Urkunden herangezogen werden können.

Zurückweisung des Widerspruchs

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 05.05.2021 zurück. Die Zurückweisung begründete sie damit, dass die angebotenen Zeugen nicht zur Klärung der Identität geeignet seien, da deren Identität und ihre Aussagen nicht in Deutschland überprüft werden könnten, da sie sich im Ausland befänden. Die Identität der Zeugen sei zudem gar nicht nach deutschen Maßstäben überprüft worden. Die Entscheidung des BVerwG vom 23.09.2020 (1 C 36/19) stelle zudem einen absoluten Einzelfall dar, der hier gerade nicht vorläge. Es könnten im vorliegenden Fall daher nicht die angebotenen Beweismittel zur Klärung der Identität und Staatsbürgerschaft herangezogen werden.

Standards der Identitätsprüfung in anderen Ländern

Der Kläger wandte dagegen ein, die Standards zur Klärung der Identität und Staatsbürgerschaft seien in Schweden und den USA vergleichbar zu denen in Deutschland, weshalb die Identität der Zeugen als geklärt anzusehen sei.

Klageerhebung und Urteil des VG Mainz

Am 14.06.2021 erhob er Klage gegen den Ablehnungsbescheid vor dem Verwaltungsgericht Mainz. Das Gericht gab der Klage statt und verpflichtete die Behörde, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids, den Kläger in die deutsche Staatsangehörigkeit einzubürgern. Er habe einen Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG. Durch die Erklärungen der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vom Kläger angebotenen Zeugen seien die Identität und Staatsbürgerschaft des Klägers hinreichend im Sinne des § 10 Abs. 1 StAG geklärt.

Erwägungen des Gerichts

Die Erwägungen des Gerichts beruhen zunächst auf einem Urteil des BVerwG vom 23.09.2020, Az.: 1 C 36/19. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass dem Erfordernis der geklärten Identität und Staatsangehörigkeit im Sinne des § 10 Abs. 1 StAG nicht lediglich durch Vorlage eines Passes entsprochen werden kann. Vielmehr komme es darauf an, die sicherheitsrechtlichen Belange der Bundesrepublik mit den Interessen und Rechten des Einbürgerungsbewerbers in Ausgleich zu bringen. So sei vorrangig zwar ein Pass vorzulegen, sei dies nicht möglich, seien jedoch auch andere öffentliche Urkunden und alle nach § 26 Abs. 1 Satz 1, 2 VwVfG zugelassenen Beweismittel, insbesondere nichtamtliche Urkunden oder andere Dokumente, ausreichend. Als letzte Stufe könne die Identität ausnahmsweise auch lediglich durch das Vorbringen des Einbürgerungsbewerbers nachgewiesen werden.

Voraussetzung dafür sei, dass „dessen Angaben auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls und des gesamten Vorbringens des Einbürgerungsbewerbers feststehen“. Dies sei der Fall, wenn das Gericht im Sinne des § 108 VwGO davon mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, überzeugt ist. Dafür sei es notwendig, dass die vorhandenen Beweismittel in sich stimmig sind und in der Gesamtschau mit den Angaben des Einbürgerungsbewerbers in Einklang stehen.

Anforderungen an die Mitwirkung des Einbürgerungsbewerbers

Von der Notwendigkeit des Vorlegens offizieller Dokumente kann jedoch nur abgesehen werden, wenn der Einbürgerungsbewerber gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 StAG in Verbindung mit § 82 Abs. 1 AufenthG an der Klärung seiner Identität und Staatsangehörigkeit mitgewirkt hat. Er hat die Obliegenheit, bis zur Grenze des objektiv Möglichen und subjektiv Zumutbaren mitzuwirken.

Das Gericht teilt die Auffassung der Behörde, dass der Kläger sich zur Klärung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht auf die von der somalischen Botschaft in Berlin am 06.08.2019 ausgestellten Dokumente berufen kann. Seit 1991 ausgestellte somalische Pässe werden von der Bundesregierung grundsätzlich nicht akzeptiert, da diese in der Regel keine verlässliche Auskunft über die Identität der betreffenden Person erteilen. Im vorliegenden Fall ist dies sogar konkret der Fall, da der Mitarbeiter der Botschaft ja ausdrücklich gesagt hat, er habe die Dokumente aufgrund seiner Unterhaltung mit dem Kläger auf Somali ausgestellt; eine weitergehende Überprüfung hat nicht stattgefunden.

Auch die dem Kläger 2016 erteilte Niederlassungserlaubnis sowie die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft entfalten hinsichtlich der Richtigkeit der dort angegebenen Personalien keine Tatbestandswirkung.

Da dem Kläger wegen der Unbeachtlichkeit der somalischen Dokumente keine weiteren Möglichkeiten zur Verfügung stehen, seine Identität und Staatsangehörigkeit mithilfe amtlicher Dokumente nachzuweisen, steht ihm der Rückgriff auf andere Beweismittel im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1, 2 VwVfG offen. Die schriftlichen Äußerungen von Zeugen, die die Identität des Klägers bestätigen können, stellen solche Beweismittel dar.

Gleichwertigkeit von in- und ausländischen Zeugen

Das Gericht ist der Auffassung, dass in diesen Fällen keine Unterscheidung zwischen in Deutschland und im Ausland lebenden Zeugen gemacht werden muss. Sowohl die USA als auch Schweden haben mit Deutschland vergleichbare Standards zur Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit eines Einbürgerungsbewerbers. Es bestehe daher kein Anlass, an der Identität der angebotenen Zeugen zu zweifeln. Die in dem schwedischen Pass des Onkels des Klägers angegebenen Daten stimmen zudem mit den Angaben in dessen Identitätsdokument aus Somalia überein, was diese Überzeugung

Quelle: VG Mainz

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