Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss v. 01.12.2022, Az.: W 7 S 22.1368
Hintergrund des Falles: Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis
Der vorliegende Fall dreht sich um einen Staatsangehörigen aus Bangladesch, der im September 2016 mit einem Visum zu Studienzwecken nach Deutschland eingereist war. Der Antragsteller, geboren im Juli 1987, erhielt zunächst eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) zum Zweck des Studiums. Er begann im Sommersemester 2017 ein Masterstudium in Biowissenschaften an der Universität Würzburg und schloss dieses am 28. Juli 2020 erfolgreich ab. Im Anschluss erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche, die bis zum 27. Juli 2021 gültig war.
Am 7. April 2021 beantragte der Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 21 AufenthG zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit als Life-Science-Berater. Er legte ein Geschäftskonzept vor, das einen Kapitalbedarfs- und Finanzierungsplan, eine Marketingstrategie sowie eine Ertragsvorschau beinhaltete. Die zuständige Ausländerbehörde äußerte jedoch Zweifel an der Tragfähigkeit des Vorhabens. Es fehlten Angaben zur Rechtsform des geplanten Unternehmens und zu dessen Finanzierung. Zudem sah die Behörde keinen zwingenden Bedarf, dass der Antragsteller dauerhaft in Deutschland verbleiben müsse, da viele der geplanten Geschäftstätigkeiten auch digital oder durch kurzfristige Aufenthalte mit Schengen-Visa durchgeführt werden könnten.
Die Behörde lehnte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab und forderte den Antragsteller auf, Deutschland binnen eines Monats zu verlassen. Für den Fall der Weigerung drohte sie ihm die Abschiebung nach Bangladesch oder in einen anderen Staat an, in den er legal einreisen könne. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Klage ein und beantragte im Rahmen eines Eilverfahrens die aufschiebende Wirkung der Klage, um seine Ausreise bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu verhindern.
Argumentation des Antragstellers: Lebensunterhalt durch Selbstständigkeit
Der Antragsteller machte in seinem Eilantrag geltend, dass er in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt durch die geplante selbstständige Tätigkeit als Geschäftsführer eines Life-Science-Beratungsunternehmens zu bestreiten. Er legte Finanzplanungen für die Jahre 2022 bis 2024 vor, die Gehälter und Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Berater aufzeigten. Sein Geschäftsführergehalt für das erste Jahr (September 2022 bis August 2023) sollte monatlich 1.800 Euro betragen und im Laufe der folgenden Jahre bis auf 3.000 Euro monatlich steigen.
Darüber hinaus argumentierte der Antragsteller, dass seine Geschäftstätigkeit, die unter anderem Unternehmen in der Life-Science-Branche in Bereichen wie Arzneimittel, Biotechnologie und Medizinprodukte beraten würde, spezifisches Wissen erfordere, das er durch sein Studium in Deutschland erworben habe. Ein persönlicher Kontakt mit Kunden in Deutschland sei unerlässlich, weshalb die Geschäftstätigkeit nicht durch digitale Kommunikation oder kurzfristige Visa-Aufenthalte realisiert werden könne.
Zusätzlich legte er eine E-Mail eines potenziellen Geschäftspartners aus Deutschland vor, die eine mögliche zukünftige Zusammenarbeit betraf. Weiterhin wies er darauf hin, dass er seine Geschäftstätigkeit bereits aufgenommen habe und erste Umsätze erzielt worden seien.
Position der Behörde: Zweifel an der Tragfähigkeit des Geschäftskonzepts
Die Ausländerbehörde hielt an ihrer Einschätzung fest, dass die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 21 AufenthG nicht gegeben seien. Die Beurteilung der fachkundigen Stelle, in diesem Fall der Industrie- und Handelskammer, habe kein wirtschaftliches Interesse im Sinne des § 21 Abs. 1 AufenthG erkennen lassen. Der vorgelegte Businessplan enthielt nach Ansicht der Behörde viele vage Formulierungen und fehlte an Substanz. Auch die finanziellen Mittel des Antragstellers, wie eine Saldenbestätigung über rund 13.000 Euro und ein weiteres Guthaben in Bangladesch, wurden als nicht ausreichend angesehen, um die Tragfähigkeit des Unternehmens zu sichern.
Zudem sei nicht erkennbar, dass der Antragsteller in Deutschland einen dauerhaften Aufenthalt benötige, um seine Geschäftsidee zu verwirklichen. Die Behörde betonte, dass es möglich sei, die angestrebte Beratungstätigkeit auch digital oder durch gelegentliche Aufenthalte mit einem Schengen-Visum durchzuführen. Der Antragsteller habe selbst angegeben, dass er für Treffen mit potenziellen Geschäftspartnern in sein Heimatland Bangladesch reisen werde.
Aufgrund dieser Bedenken lehnte die Behörde nicht nur die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, sondern auch die Erteilung einer neuen Aufenthaltserlaubnis ab und setzte dem Antragsteller eine Frist zur freiwilligen Ausreise.
Entscheidung des Gerichts: Teilerfolg für den Antragsteller
Das Gericht entschied im Eilverfahren zugunsten des Antragstellers in Bezug auf die Abschiebungsandrohung. Es ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage an, was bedeutet, dass der Antragsteller bis zur endgültigen Entscheidung über seinen Aufenthalt nicht abgeschoben werden darf. Das Gericht argumentierte, dass die Erfolgsaussichten der Klage offen seien, da der Antragsteller zumindest einen Anspruch auf erneute, ermessensfehlerfreie Prüfung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 2a AufenthG habe. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der in Deutschland erfolgreich ein Studium abgeschlossen hat, eine Aufenthaltserlaubnis zur selbstständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn diese Tätigkeit einen Bezug zum Studium hat.
Das Gericht stellte fest, dass der Antragsteller sein Studium in einem relevanten Bereich (Biowissenschaften) erfolgreich abgeschlossen habe und die angestrebte Tätigkeit als Life-Science-Berater einen Zusammenhang mit seinem Studium aufweise. Die Prognose, ob der Antragsteller seinen Lebensunterhalt durch die selbstständige Tätigkeit sichern könne, sei jedoch offen. Die vorgelegten finanziellen Nachweise reichten möglicherweise nicht aus, um den Lebensunterhalt langfristig zu sichern. Dennoch müsse die Behörde diesen Aspekt erneut prüfen und eine Ermessensentscheidung treffen.
Die Abschiebungsandrohung wurde bis zur endgültigen Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Ausreisefrist wurde jedoch abgelehnt. Das Gericht begründete dies damit, dass die Ausreisefrist erst nach der endgültigen gerichtlichen Entscheidung zu laufen beginne und dem Antragsteller somit genügend Zeit zur Vorbereitung bleibe.
Insgesamt erreichte der Antragsteller mit seinem Eilantrag einen Teilerfolg, da die Ausreiseverpflichtung vorerst ausgesetzt wurde und die Behörde seinen Antrag erneut prüfen muss.
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