Verwaltungsgericht Bayreuth, 31.07.2017, Az.: B 6 K 17.408
§ 6 Abs. 3 AufenthG verlangt für längerfristige Aufenthalte ein vor der Einreise erteiltes nationales Visum, dessen Erteilung sich nach den Vorschriften zur Aufenthaltserlaubnis, Blauen Karte EU, ICT-Karte, Niederlassungserlaubnis und Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU richtet. Die Dauer des Aufenthalts mit einem nationalen Visum wird auf spätere Aufenthaltstitel angerechnet.
Für Ausländer, deren Asylantrag unanfechtbar abgelehnt wurde oder die ihren Antrag zurückgenommen haben, kann ein Aufenthaltstitel vor der Ausreise nur gemäß §§ 22-26 AufenthG erteilt werden (§ 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Ein Ausnahmefall gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG setzt voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die notwendigen Angaben im Visumantrag gemacht hat. Abweichungen von dieser Regelung sind gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur möglich, wenn ein Anspruch auf Erteilung besteht oder besondere Umstände vorliegen.
Das Verwaltungsgericht Bayreuth entschied, dass § 10 Abs. 3 Satz 3 Hs. 1 AufenthG strikt die Einreise mit dem erforderlichen Visum verlangt, wenn ein Asylantrag unanfechtbar abgelehnt wurde. Das Gericht stellte außerdem klar, dass ein Prozesskostenhilfeantrag auch nach einer Erledigung in der Hauptsache noch rückwirkend genehmigt werden kann, sofern der Antrag rechtzeitig und vollständig eingereicht wurde.
1. Sachverhalt und Verfahrenshintergrund
Der Kläger beantragte Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten, nachdem er Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG, erhoben hatte. Die Klage wurde jedoch von beiden Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht Bayreuth lehnte den PKH-Antrag ab, da die Klage unbegründet sei und keine Aussicht auf Erfolg bestehe.
2. Prozesskostenhilfe: Voraussetzungen und Entscheidung des Gerichts
Das Gericht stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorlägen, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Grundsätzlich könnte PKH auch nach einer Erledigungserklärung rückwirkend bewilligt werden, wenn der Antrag rechtzeitig gestellt wurde und die erforderlichen Unterlagen vorliegen. Hier war der Antrag entscheidungsreif, als die Beklagte am 09.06.2017 die Ausländerakte übermittelte und sich zur Klage äußerte. Das Gericht entschied jedoch, dass die Klage keine Erfolgsaussichten hatte.
3. Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 AufenthG
Der Hauptanspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG sei nicht gegeben, da er nicht mit dem nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erforderlichen Visum eingereist sei. Eine Aufenthaltserlaubnis für den Ehegattennachzug setzt gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG grundlegende Deutschkenntnisse voraus, die der Kläger nicht nachwies. Zudem hatte der Kläger nicht geltend gemacht, dass das Erlernen der deutschen Sprache unzumutbar oder unmöglich sei. Auch die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG lagen nicht vor, da der Kläger weder ein erforderliches Visum besaß noch von der Visumspflicht befreit war.
4. Ausschluss des Anspruchs wegen fehlendem Visum
Das Gericht führte aus, dass der Kläger wegen der unanfechtbaren Ablehnung seines Asylantrags gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vor der Ausreise keinen Aufenthaltstitel erhalten könne. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG setze voraus, dass der Kläger mit einem Visum eingereist sei. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt war, scheide ein Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis aus. Die in § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorgesehene Möglichkeit, vom Visumverfahren im Ermessenswege abzusehen, greift nicht, da dies nicht zur Begründung eines Anspruchs genügt. Auch der Verweis auf eine Duldung gemäß § 39 Nr. 5 AufenthV half nicht, da der Kläger bei Antragstellung zwar eine Duldung besaß, diese jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife am 09.06.2017 nicht mehr vorlag.
5. Hilfsantrag: Ermessensentscheidung nach § 25 Abs. 5 AufenthG
Der Hilfsantrag des Klägers, der eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG beantragte, hatte ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Eine solche Erlaubnis könnte nur erteilt werden, wenn eine Ausreise rechtlich oder tatsächlich unmöglich wäre und dies auf absehbare Zeit so bliebe. Weder zielstaatliche noch inlandsbezogene Abschiebungsverbote lagen vor, die einen Verbleib des Klägers im Bundesgebiet rechtfertigen könnten. Die Pflicht zur Einreise mit dem erforderlichen Visum ist zumutbar und dient dazu, die Voraussetzungen für den Familiennachzug vor der Einreise zu prüfen. Das Gericht betonte, dass diese Vorschrift im Einklang mit Art. 6 GG stehe und die Dauer des Visumverfahrens als hinnehmbar angesehen werde.
6. Kostenentscheidung und Verfahrensende
Nachdem die Parteien das Verfahren am 10.07.2017 und 18.07.2017 übereinstimmend für erledigt erklärten, stellte das Gericht das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO ein. Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO entschied das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen und legte diese dem Kläger auf, da seine Klage keine Erfolgsaussichten hatte. Das öffentliche Interesse, das Visumverfahren zu beachten, überwog das Interesse des Klägers, da keine unzumutbare Trennung von seiner Familie zu erwarten war. Die Prozesskostenhilfe wurde abgelehnt, da die Klage zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte.
Quelle: Verwaltungsgericht Bayreuth
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