Ausländerrecht: Die Aufenthaltserlaubnis für im EU-Ausland langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige (kleine Freizügigkeit).

Verwaltungsgericht Darmstadt, 05.04.2012, Az.: 6 K 1633/10.DA

Gemäß § 38a Aufenthaltsgesetz kann ein Drittstaatsangehöriger, also ein Ausländer, der nicht aus einem EU-Staat kommt und auch nicht Familienangehöriger eines EU-Bürgers ist, eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland beantragen, wenn er in einem anderen EU-Staat langfristig aufenthaltsberechtigt ist.

Dieses Aufenthaltsrecht wird in Anlehnung an die für EU-Bürger geltende Freizügigkeit auch „kleine Freizügigkeit“ genannt.

Um die Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, muss der Ausländer allerdings auch die allgemeinen Voraussetzungen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 AufenthG erfüllen.

Dazu gehört auch die Voraussetzung, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Verfügt der Ausländer nicht über ausreichend Vermögen um seinen Lebensunterhalt zu sichern, wird er zur Erfüllung dieser Voraussetzung in Deutschland einer Beschäftigung nachgehen müssen.

Dafür wiederum braucht er eine Berechtigung zur Erwerbstätigkeit. Nach § 38a Abs. 3 AufenthG berechtigt der Aufenthaltstitel nach § 38a Abs. 1 AufenthG nur dann zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, wenn die in § 19c oder § 21 AufenthG genannten Voraussetzungen erfüllt sind (§ 38a Abs. 3 AufenthG).

Der Ausländer muss somit in den allermeisten Fällen ebenfalls die Voraussetzungen des § 19c AufenthG erfüllen. Das heißt insbesondere, dass er eine Beschäftigung finden muss und die zuständigen Stellen (Bundesagentur für Arbeit) dabei eine positive Vorrang- und Lohnprüfung vornehmen (Zustimmung nach § 39 Abs. 3 AufenthG).

In dem oben genannten Fall des Verwaltungsgerichts Darmstadt hatte dieses darüber zu entscheiden, ob einen indischen Koch/Kochhelfer zu Recht die Zustimmung nach § 39 AufenthG und damit die Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG versagt worden war.

Hintergrund des Falls – Indischer Koch kommt von Italien

Der Kläger, geboren am 20.02.1967, ist indischer Staatsangehöriger und hatte in Italien ein langfristiges Aufenthaltsrecht erworben. Vor seiner Einreise nach Deutschland lebte er in Italien und beantragte über seinen potenziellen Arbeitgeber in Deutschland die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit als Koch oder Kochhelfer im Restaurant Z. Der Beklagte richtete daraufhin am 05.05.2010 gemäß § 39 AufenthG eine Zustimmungsanfrage an die Bundesagentur für Arbeit. Aus der Stellenbeschreibung des potenziellen Arbeitgebers vom 28.04.2010 ging hervor, dass die angestrebte Beschäftigung des Klägers als Koch/Kochhelfer keinen besonderen Qualifikationen bedurfte. Der Arbeitgeber gab lediglich an, dass keine Ausbildung notwendig sei und ein Führerschein erforderlich wäre. Der monatliche Bruttolohn für diese Vollzeitbeschäftigung sollte 1.800 Euro betragen. Das Einverständnis zur Veröffentlichung des Stellenangebots auf der Webseite der Arbeitsagentur wurde vom potenziellen Arbeitgeber verweigert.

Ablehnung der Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit lehnte die Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die gewünschte Beschäftigung ab, da die Voraussetzungen des § 39 Satz 2 Nr. 1b und letzter Halbsatz AufenthG nicht erfüllt waren. Insbesondere handelte es sich bei dem Restaurant nicht um ein indisches Spezialitätenrestaurant, und es wurde keine spezielle Fachkraft wie ein Spezialitätenkoch benötigt. Zudem lag die angebotene Entlohnung unter dem Tariflohn, der sich auf 2.122 Euro beläuft. Der potenzielle Arbeitgeber, nachdem er von der fehlenden Zustimmung in Kenntnis gesetzt worden war, bat die Bundesagentur am 01.06.2010, die Entscheidung zu überdenken, da der Kläger im Gegensatz zu deutschen Arbeitssuchenden auch die indische Kochkunst beherrsche. Darüber hinaus sei der Kläger persönlich im Restaurant bekannt und könnte viel zur Arbeitsentlastung beitragen, sowohl als Koch als auch als Vertretung in der Restaurantleitung.

Weitere Versuche des Arbeitgebers

Am 23.06.2010 erteilte der Arbeitgeber dem Arbeitsamt einen Vermittlungsauftrag für einen berufserfahrenen Koch mit Kenntnissen der indischen und italienischen Küche. Die Vergütung sollte einer Vereinbarung vorbehalten bleiben. Als Berufsausbildung wurde eine Ausbildung zum Koch/Köchin gefordert, ein Führerschein wurde jedoch nicht mehr verlangt. Auch stimmte der Arbeitgeber nun der Veröffentlichung des Stellenangebots in der Jobbörse und anderen Vermittlungsbörsen zu. Die Anzahl der maximal gewünschten Vermittlungsvorschläge wurde auf 15 beschränkt. Trotz dieser Anpassungen konnte die Stelle jedoch nicht anderweitig besetzt werden. Der Beklagte bat daraufhin die Bundesagentur für Arbeit, die Angelegenheit erneut zu prüfen. Diese hielt jedoch weiterhin an ihrer Ablehnung fest, da die Voraussetzungen des § 39 AufenthG nicht erfüllt seien und genügend bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stünden.

Rechtliche Argumente des Klägers

Am 12.11.2010 erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht und führte zur Begründung an, dass die Ablehnung der Zustimmung ermessensfehlerhaft sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass genügend bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stünden, da die Stelle trotz erheblicher Bemühungen nicht besetzt werden konnte. Nur ein Bewerber habe sich vorgestellt, der sich jedoch als Tellerwäscher erwiesen habe. Der Arbeitgeber habe bereits indische Speisen von der Speisekarte nehmen müssen, da ein Spezialitätenkoch fehlte. Der Kläger argumentierte weiter, dass es im europäischen und außereuropäischen Ausland keine vergleichbare Ausbildung zum Koch/Kochhelfer gebe, wie sie in Deutschland gefordert werde, und dass er aufgrund seiner Herkunft besonders qualifiziert sei, indische Spezialitäten zu kochen. Ein Zeugnis vom Ristorante H. in Brescia wurde als Beweis für seine berufliche Qualifikation vorgelegt. Darüber hinaus machte der Kläger geltend, dass aufgrund der neuen Gesetzeslage seit dem 31.05.2011 § 41 BeschV in seinem Fall greifen würde.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts

Das Verwaltungsgericht Darmstadt folgte der Ansicht des Klägers nicht und entschied, dass die Klage bereits mangels eines Vorverfahrens unzulässig sei. Nach den §§ 68, 75 VwGO sei die Klageerhebung erst zulässig, wenn die Behörde einen Verwaltungsakt erlassen habe oder eine Entscheidung über einen Antrag ausbliebe. Da der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für eine qualifizierte Beschäftigung als Koch beantragt hatte, der Antrag sich jedoch später auf eine unqualifizierte Beschäftigung als Kochhelfer änderte, hätte er vor der Klageerhebung einen neuen Antrag stellen müssen. Selbst wenn auf den ursprünglichen Antrag abgestellt würde, wäre die Klage unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung als Koch/Kochhelfer habe. Die Voraussetzungen des § 38a AufenthG, insbesondere die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, seien nicht erfüllt.

Arbeitsmarktprüfung und Auswirkungen

Das Gericht führte weiter aus, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 AufenthG nicht erfülle und die Zustimmung der Bundesagentur zu Recht verweigert wurde. Die unqualifizierte Beschäftigung als Kochhelfer falle nicht unter die in der Beschäftigungsverordnung genannten Berufsgruppen, die eine Zustimmung rechtfertigen würden. Es sei ausreichend, dass bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stünden, selbst wenn diese nur mit Unterstützung der Arbeitsagentur vermittelt werden könnten. Die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer ohne hinreichende berufliche Qualifikation sei zudem nachteilig für die Arbeitsmarktstruktur. Obwohl der potenzielle Arbeitgeber angab, die Stelle nicht besetzen zu können, habe er selbst erklärt, dass mindestens ein Bewerber vorgesprochen habe, der als Kochhelfer hätte eingestellt werden können. Die Beschäftigung des Klägers hätte somit nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur.

Quelle: Verwaltungsgericht Darmstadt

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