Verwaltungsgericht München, 22.06.2017, Az.: M 10 K 17.152
Die ehemals erteilte Aufenthaltserlaubnis kann bei Trennung der Eheleute verkürzt werden
Nach § 7 Abs. 2 AufenthG kann die Frist der Aufenthaltserlaubnis nachträglich verkürzt werden, wenn eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen ist. Bei Eheleuten wäre dies zum Beispiel der Fall, wenn die Eheleute sich räumlich trennen, die Scheidung einreichen oder aber niemals eine tatsächliche eheliche Lebensgemeinschaft bestanden hat, wie zum Beispiel bei einer Scheinehe.
Nach Trennung der Eheleute kann unter Umständen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erlangt werden
Nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Für die Berechnung der drei Jahre ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Ausführung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sowie die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entscheidend. Nicht entscheidend ist hingegen der Zeitpunkt der Eheschließung, sofern die Lebensgemeinschaft nicht im tatsächlichen Sinne gelebt wird.
In dem nachfolgenden Urteil geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine befristete Aufenthaltserlaubnis nachträglich gekürzt werden kann und wann ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG bestünde.
Einleitung: Klage auf Erteilung eines eigenständigen Aufenthaltsrechtes nach Trennung
Im vorliegenden Fall klagt ein serbischer Staatsangehöriger gegen die nachträgliche Verkürzung seiner Aufenthaltserlaubnis und die Ablehnung eines Antrags auf deren Verlängerung. Der Kläger strebt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) an. Der Streit dreht sich insbesondere um die Frage, ob die Ehe des Klägers mit Frau V.G., auf deren Grundlage er die Aufenthaltserlaubnis erhalten hatte, als Scheinehe einzustufen ist. Die Ausländerbehörde und das Verwaltungsgericht München gingen von einer Scheinehe aus, was zur Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis führte.
Hintergrund: Aufenthaltserlaubnis durch Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen
Der Kläger reiste im Mai 2012 ohne Visum nach Deutschland ein, um zu seiner damaligen Ehefrau, Frau V.G., zu ziehen. Diese Ehe ermöglichte ihm, eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 30 AufenthG zu beantragen, die ihm im August 2012 für knapp ein Jahr erteilt wurde. In den darauffolgenden Jahren wurde die Erlaubnis zweimal verlängert. Die letzte Verlängerung erfolgte 2015 und war bis Juni 2017 gültig. Die Erlaubnis beruhte darauf, dass die Ehe zwischen dem Kläger und Frau V.G. weiterhin bestand.
Im Oktober 2015 wandte sich jedoch Frau V.G. an die Ausländerbehörde und behauptete, der Kläger habe sie arglistig getäuscht, indem er sie nur aus dem Grund geheiratet habe, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Sie sei bereits ausgezogen und der Kläger habe angeblich schon eine neue serbische Frau, die er heiraten wolle. Daraufhin wurde die Situation neu bewertet und die Ausländerbehörde ging von einer Scheinehe aus, was die Grundlage der Aufenthaltserlaubnis infrage stellte.
Die Ermittlungen der Ausländerbehörde – Ehefrau verpetzt Ehemann
Die zuständige Ausländerbehörde erhielt nach dem Umzug des Klägers in einen anderen Landkreis im Jahr 2015 Kenntnis von den Vorwürfen von Frau V.G. Gegenüber der neuen Ausländerbehörde stellte der Kläger im September 2016 erneut einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, diesmal für sich, seine neue Lebensgefährtin und seinen Sohn. Auf Nachfrage der Behörde gab Frau V.G. an, der Kläger sei bereits im Juni 2015 mit der Bemerkung ausgezogen, dass er sie nach drei Jahren nicht mehr brauche, da er nun eine eigene Aufenthaltserlaubnis habe. Diese Aussage wurde schriftlich bestätigt.
Angesichts der vermuteten Scheinehe und der ermittelten Tatsachen entschied die Ausländerbehörde, die ursprünglich bis Juni 2017 geltende Aufenthaltserlaubnis des Klägers nachträglich zu verkürzen und seinen Antrag auf Verlängerung abzulehnen. Diese Entscheidung stützte die Behörde auf § 7 Abs. 2 S. 2 AufenthG, wonach die Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis verkürzt werden kann, wenn eine wesentliche Voraussetzung für deren Erteilung nicht mehr gegeben ist.
Entscheidungsfindung und Ablehnung des Verlängerungsantrags
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2016 verkürzte die Ausländerbehörde die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis des Klägers nachträglich auf den Tag der Bekanntgabe des Bescheids. Die beantragte Verlängerung wurde abgelehnt und der Kläger wurde aufgefordert, innerhalb von 30 Tagen nach Vollziehbarkeit des Bescheids das Land zu verlassen. Andernfalls drohte ihm die Abschiebung nach Serbien sowie ein Wiedereinreiseverbot für drei Jahre.
In der Begründung des Bescheids führte die Behörde aus, dass die Ehe des Klägers mit Frau V.G. zum Zeitpunkt der Entscheidung faktisch nicht mehr bestanden habe. Da die eheliche Lebensgemeinschaft eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis war, sah die Behörde die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer als verhältnismäßig und notwendig an. Die Behörde betonte, dass der Kläger es versäumt habe, sie unmittelbar nach der Trennung über das Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft zu informieren.
Klage des Klägers und gerichtliche Verhandlung
Der Kläger erhob im Januar 2017 Klage vor dem Verwaltungsgericht München gegen den Bescheid der Ausländerbehörde und beantragte dessen Aufhebung sowie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG. Zur Begründung führte er an, dass die erste Aufenthaltserlaubnis ihm bereits im Juni 2012 erteilt worden sei und die Trennung von Frau V.G. erst nach dem 4. Juli 2015 erfolgt sei. Er legte ein serbisches Scheidungsurteil vor, das bestätigte, dass die Ehe im Oktober 2015 beendet wurde.
Das Verwaltungsgericht München führte zur Klärung des Sachverhalts eine Beweisaufnahme durch, bei der mehrere Zeugen, darunter der Sohn von Frau V.G. und die ehemaligen Vermieter des Klägers, vernommen wurden. Die Aussagen der Zeugen, insbesondere die des Sohnes, der glaubwürdig aussagte, dass die Trennung bereits im Juni/Juli 2015 erfolgte, überzeugten das Gericht, dass die eheliche Lebensgemeinschaft schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestand.
Urteil des Verwaltungsgerichts München: Bestätigung der Behördenentscheidung
Das Verwaltungsgericht München folgte der Argumentation der Ausländerbehörde und bestätigte den Bescheid vom 21. Dezember 2016. Das Gericht stellte fest, dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG nicht vorlagen, da die eheliche Lebensgemeinschaft weniger als drei Jahre bestanden habe. Auch die übrigen Voraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht seien nicht erfüllt.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Kläger nicht nachweisen konnte, dass die Ehe über den maßgeblichen Zeitraum hinaus bestanden hatte, und dass die Ausländerbehörde die nachträgliche Verkürzung der Aufenthaltserlaubnis zu Recht vorgenommen hatte. Die Klage wurde abgewiesen und die Abschiebungsandrohung für den Kläger blieb bestehen.
Das Urteil bestätigt die Rechtsauffassung der Ausländerbehörde und unterstreicht, dass eine Aufenthaltserlaubnis, die auf einer Ehe basiert, nur dann verlängert werden kann, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft tatsächlich fortbesteht. Eine Scheinehe, die ausschließlich zum Zwecke der Aufenthaltsgenehmigung eingegangen wird, bietet keinen rechtlichen Schutz und führt zur Ablehnung der Verlängerung und zur möglichen Ausweisung des Betroffenen.
Quelle: Verwaltungsgericht München
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