Verwaltungsgerichtshof München, 14.09.2017, Az.: 10 ZB 17.925
Die Aufenthaltserlaubnis ist nach § 7 AufenthG ein befristeter Aufenthaltstitel, der für verschiedene Zwecke erteilt wird. In bestimmten Fällen kann sie auch für nicht im Gesetz vorgesehene Zwecke erteilt werden. Gemäß § 7 Abs. 2 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis entsprechend dem Aufenthaltszweck befristet. Sollte eine wesentliche Voraussetzung entfallen, kann die Frist nachträglich verkürzt werden.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert werden, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft mindestens drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder der Ehegatte währenddessen verstorben ist. Für türkische Staatsangehörige gilt aufgrund der Stand-still-Klausel nach wie vor die frühere Fassung, die eine zweijährige eheliche Lebensgemeinschaft voraussetzt.
Der Beschluss behandelt die Voraussetzungen für den rechtmäßigen zweijährigen Bestand und dessen Berechnungsbeginn. Außerdem wird klargestellt, dass eine nachträgliche Verkürzung der Frist auch unabhängig von einem Verpflichtungsantrag auf ein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG durch einen selbständigen Anfechtungsantrag geltend gemacht werden kann.
Einleitung – Kläger wendet sich gegen die Verkürzung seiner Aufenthaltserlaubnis
Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, klagt gegen die Verkürzung seiner Aufenthaltserlaubnis und die Ablehnung eines neuen Aufenthaltstitels durch die Ausländerbehörde. Die Behörde verkürzte seine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug und lehnte eine Verlängerung oder Neuerteilung ab, nachdem seine Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen beendet wurde. Nach erfolgloser Klage vor dem Verwaltungsgericht München beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof München.
Sachverhalt und Ausgangssituation
Der Kläger war im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug, die ursprünglich bis zum 18. November 2016 gültig war. Diese Erlaubnis basierte auf seiner Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen, die am 16. Mai 2013 geschlossen wurde. Im Oktober 2015 war die Ehe jedoch beendet, was dazu führte, dass die Ausländerbehörde die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis auf den 10. Februar 2016 verkürzte und eine Verlängerung oder Neuerteilung ablehnte. Zudem drohte die Behörde mit Abschiebung, falls der Kläger nicht fristgerecht ausreise.
Der Kläger erhob Klage gegen diesen Bescheid. Das Verwaltungsgericht München wies seine Klage jedoch ab, da es sie sowohl für unzulässig als auch für unbegründet hielt. Es argumentierte, der Kläger habe keinen Verlängerungsantrag gestellt, weshalb die Aufenthaltserlaubnis regulär am 18. November 2016 abgelaufen sei. Zudem sei der Aufenthaltszweck entfallen, da die Ehe nicht mehr bestand.
Argumente des Klägers im Berufungsverfahren – Kläger behauptet Antragstellung
Im Berufungsverfahren trug der Kläger vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, er habe keinen Verlängerungsantrag gestellt. Er verwies darauf, dass die Ablehnung eines Aufenthaltsrechts nach § 31 AufenthG im Bescheid der Ausländerbehörde einen solchen Antrag impliziere. Darüber hinaus argumentierte der Kläger, dass für türkische Staatsangehörige gemäß der Stand-still-Klausel in Art. 13 des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 (ARB 1/80) weiterhin die frühere Fassung des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG anzuwenden sei. Diese alte Fassung verlangte, dass die eheliche Lebensgemeinschaft mindestens zwei Jahre bestanden habe, um ein unabhängiges Aufenthaltsrecht zu begründen. Der Kläger meinte, diese Voraussetzung sei erfüllt, da seine Ehe mehr als zwei Jahre bestanden habe.
Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs
Der Verwaltungsgerichtshof München entschied, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung zwar zulässig, jedoch unbegründet sei. Der Kläger konnte keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils aufzeigen, wie sie nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderlich wären. Das Gericht stellte fest, dass der Verpflichtungsantrag des Klägers zwar zulässig sei, die Klage jedoch im Ergebnis zu Recht abgewiesen wurde.
Der Kläger hatte nicht substantiiert bestritten, dass die eheliche Lebensgemeinschaft zum Zeitpunkt des Ablaufs der verkürzten Aufenthaltserlaubnis am 10. Februar 2016 nicht mehr bestand. Da der Aufenthaltszweck nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG damit entfallen war, war die Verkürzung der Geltungsdauer rechtmäßig.
Prüfung des Anspruchs auf ein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht
Der Verwaltungsgerichtshof prüfte weiterhin, ob der Kläger ein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG beanspruchen könnte. Er kam jedoch zu dem Schluss, dass der Kläger die Voraussetzungen für ein solches Recht nicht erfüllte. Zwar sei die Verlängerung der Mindestdauer einer ehelichen Lebensgemeinschaft für türkische Arbeitnehmer von zwei auf drei Jahre aufgrund der Stand-still-Klausel nicht anwendbar. Dennoch erfüllte der Kläger auch nicht die Anforderungen der früheren, für ihn günstigeren Fassung des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.
Für ein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht war es erforderlich, dass die eheliche Lebensgemeinschaft mindestens zwei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hatte. Der Kläger erhielt seine Aufenthaltserlaubnis jedoch erst am 18. November 2013. Somit begann sein rechtmäßiger Aufenthalt erst ab diesem Zeitpunkt. Da die eheliche Lebensgemeinschaft bereits im Oktober 2015 endete, wurde die Voraussetzung der zweijährigen Dauer nicht erfüllt. Auch die vorherigen Aufenthaltsgestattungen und Grenzübertrittsbescheinigungen des Klägers konnten keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des § 31 AufenthG begründen.
Schlussfolgerung
Im Ergebnis wies der Verwaltungsgerichtshof München den Antrag auf Zulassung der Berufung als unbegründet zurück. Der Kläger konnte weder die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils noch eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überzeugend darlegen. Da die Voraussetzungen für ein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht vorlagen, war die Abweisung der Klage rechtmäßig. Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis oder die Erteilung eines neuen Aufenthaltstitels.
Der Verwaltungsgerichtshof betonte, dass selbst wenn ein Verlängerungsantrag implizit gestellt worden wäre, der Kläger dennoch nicht die materiellen Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht erfüllte. Auch die Berufung auf die Stand-still-Klausel konnte dem Kläger nicht weiterhelfen, da die Mindestanforderung der zweijährigen rechtmäßigen Lebensgemeinschaft nicht erfüllt war.
Quelle: Verwaltungsgerichtshof München
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