Verwaltungsgericht Berlin, 15.07.2011, Az.: 35 K 253.10 V
Nach § 16f Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (früher § 16 Abs. 5 Aufenthg) kann auch eine Aufenthaltserlaubnis zur Teilnahme an einem Sprachkurs, der nicht der Vorbereitung auf ein Studium dient, zugelassen werden. Ein besonderer Zweck für das Erlernen der deutschen Sprache ist dabei nicht erforderlich.
In der Praxis ist es für Drittstaatsangehörige, welche bislang noch nie in Deutschland waren, allerdings äußerst schwierig, ein Visum bzw. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 5 AufenthG zu bekommen, da die zuständigen Botschaften bzw. die Ausländerbehörden oftmals davon ausgehen, dass der Sprachkurs nur vorgeschoben ist, um eine illegale Einreise nach Deutschland zu erreichen.
In diesen Fällen bleibt dem Antragsteller nur die Möglichkeit gegen die ablehnende Entscheidung zu remonstrieren oder zu klagen. In dem hier besprochenen Fall des Verwaltungsgerichts Berlin hatte dieses über den Antrag einer kubanischen Staatsangehörigen auf ein Visum zur Durchführung eines Sprachkurses zu entscheiden.
Sachverhalt – Kubanische Klägerin will Sprachkurs machen
Die Klägerin, geboren 1980 in Kuba, erwarb dort ihr Abitur und absolvierte anschließend eine Ausbildung zur Fachangestellten im Hotel- und Gaststättengewerbe. In Kuba arbeitete sie in der Gastronomie. Im Jahr 2003 lernte sie einen deutschen Staatsangehörigen kennen, einen selbstständigen Zahnarzt, der ihr später dabei half, mehrere Aufenthalte in Deutschland zu finanzieren. Diese Aufenthalte erfolgten zunächst im Rahmen von Besuchsvisa, und zwischen 2007 und 2008 absolvierte die Klägerin einen Sprachkurs in Deutschland, den sie erfolgreich mit dem Zertifikat „START DEUTSCH 2“ abschloss.
Im Jahr 2010 stellte die Klägerin einen erneuten Visumantrag, um in Deutschland an einem weiteren Sprachkurs teilzunehmen, der von einer Volkshochschule angeboten wurde und von Februar bis Juli 2010 dauern sollte. Dieser Antrag wurde jedoch von der deutschen Botschaft in Havanna abgelehnt, was die Klägerin dazu veranlasste, Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin einzureichen. Die Klägerin argumentierte, dass der ablehnende Bescheid rechtswidrig sei und sie dadurch in ihren Rechten verletzt werde.
Der Visumantrag und die Ablehnung durch die deutschen Behörden
Der Visumantrag der Klägerin wurde von der deutschen Botschaft in Havanna abgelehnt, ohne dass eine detaillierte Begründung oder eine Rechtsmittelbelehrung erfolgte. Die Ausländerbehörde, die in solchen Fällen eine Zustimmung erteilen muss, lehnte diese ebenfalls ab. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass die Klägerin bereits über ausreichende Deutschkenntnisse für ihren Beruf als Kellnerin in Kuba verfüge und der beantragte Sprachkurs nicht zwingend erforderlich sei. Diese Entscheidung der Botschaft und der Ausländerbehörde stützte sich auf die Annahme, dass die Klägerin nicht ernsthaft an einer Studienaufnahme in Deutschland interessiert sei und der Sprachkurs lediglich vorgeschoben sei, um einen längeren Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen.
Die Klägerin führte in ihrer Klage an, dass sie bereits erfolgreich an einem Sprachkurs in Deutschland teilgenommen und ihr Visum stets rechtzeitig verlängert oder nach Ablauf das Land verlassen habe. Ihr Ziel sei es, ihre Sprachkenntnisse weiter zu verbessern, um ein Bachelorstudium in Gesundheit und Tourismusmanagement an einer deutschen Hochschule aufnehmen zu können. Dieses Studium setze jedoch das kleine deutsche Sprachdiplom (C2) voraus, weshalb der beantragte Sprachkurs notwendig sei.
Rechtliche Grundlagen und Entscheidung des Verwaltungsgerichts
Das Verwaltungsgericht Berlin musste prüfen, ob die Ablehnung des Visumantrags durch die Botschaft und die Ausländerbehörde rechtmäßig war. Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Visums ist § 6 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Für längerfristige Aufenthalte in Deutschland ist ein nationales Visum erforderlich, dessen Erteilung sich nach den Vorschriften für die Aufenthaltserlaubnis richtet. In diesem Fall war der beantragte Aufenthalt für die Teilnahme an einem Sprachkurs gemäß § 16 Abs. 5 AufenthG zu beurteilen, der die Erteilung eines Visums für Sprachkurse ermöglicht, die nicht der direkten Studienvorbereitung dienen.
Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des Visums vorlagen. Die Klägerin hatte durch eine Verpflichtungserklärung des befreundeten Zahnarztes nachgewiesen, dass ihr Lebensunterhalt während des Aufenthalts gesichert war. Zudem konnte davon ausgegangen werden, dass sie eine erforderliche Krankenversicherung nachreichen würde, sobald das Visum erteilt wäre. Die rechtliche Grundlage für die Erteilung des Visums war somit gegeben.
Differenzierung zwischen „isoliertem“ Sprachkurs und studienvorbereitendem Sprachkurs
Ein wesentlicher Punkt in der Entscheidung des Gerichts war die Unterscheidung zwischen einem „isolierten“ Sprachkurs, der nicht der direkten Studienvorbereitung dient, und einem studienvorbereitenden Sprachkurs, der gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG nur erteilt wird, wenn alle Voraussetzungen für ein anschließendes Studium bereits vorliegen. Der von der Klägerin beantragte Kurs fiel in die Kategorie eines „isolierten“ Sprachkurses, da er nur der Verbesserung der Sprachkenntnisse diente, um später einen studienvorbereitenden Kurs absolvieren zu können.
Das Gericht betonte, dass bei einem „isolierten“ Sprachkurs keine zwingende Verknüpfung zwischen dem Sprachkurs und einem anschließenden Studium erforderlich sei. Es sei daher nicht relevant, ob die Klägerin zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits alle notwendigen Voraussetzungen für ein Studium in Deutschland erfüllt habe. Entscheidend sei, dass die Klägerin ihre Sprachkenntnisse verbessern wolle, um in der Zukunft möglicherweise ein Studium aufzunehmen. Das Ermessen der Beklagten sei daher fehlerhaft ausgeübt worden, da die Ablehnung des Visums ohne Berücksichtigung dieser Unterscheidung erfolgte.
Ermessensfehler der Behörde und gerichtliche Vorgaben
Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Botschaft bei der Ablehnung des Visumantrags ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt habe. Der Bescheid enthielt weder eine Begründung noch Ermessenserwägungen, die eine Ablehnung rechtfertigen könnten. Auch die nachträglich im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten Erwägungen reichten nicht aus, um den Ermessensausfall zu heilen.
Das Gericht betonte, dass das öffentliche Interesse an der Verbreitung der deutschen Sprache zu berücksichtigen sei. Nach der Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz solle einem Ausländer, der einen Intensivsprachkurs besuchen möchte und über ausreichende Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts verfügt, grundsätzlich eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Diese Voraussetzungen waren im Fall der Klägerin erfüllt, da sie ausreichend finanzielle Mittel nachgewiesen hatte und die Teilnahme an einem Intensivsprachkurs plante. Darüber hinaus sprach das geringe Risiko einer illegalen Einwanderung für die Erteilung des Visums, da die Klägerin in der Vergangenheit immer fristgerecht nach Kuba zurückgekehrt war.
Schlussfolgerung und weitere Anweisungen des Gerichts
In seiner Entscheidung gab das Verwaltungsgericht der Klage der Klägerin im Wesentlichen statt. Es forderte die Beklagte auf, eine erneute Ermessensentscheidung zu treffen, die die rechtlichen Vorgaben des Gerichts berücksichtigt. Insbesondere müsse geprüft werden, ob die Klägerin die Hochschulzugangsvoraussetzungen für ein Studium in Deutschland erfülle und ob dieses Studium nicht auch in Kuba möglich sei. Das Alter der Klägerin, ihre berufliche Qualifikation und die Dauer des angestrebten Sprachkurses seien ebenfalls in die Ermessensentscheidung einzubeziehen.
Das Gericht betonte jedoch, dass die Ablehnung des Visums nur dann gerechtfertigt sei, wenn nach einer erneuten Prüfung ernsthafte Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Studienabsicht der Klägerin bestehen würden. Diese Zweifel müssten allerdings gut begründet sein, da die bisherigen Indizien eher für die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten sprechen. Das Gericht sah keinen zwingenden Grund, der gegen die Erteilung des Visums sprach, insbesondere angesichts der erfolgreichen Teilnahme der Klägerin an einem vorherigen Sprachkurs in Deutschland und der finanziellen Absicherung durch den Zahnarzt.
Insgesamt stellte das Urteil klar, dass die Ablehnung des Visumantrags nicht rechtmäßig war und die Beklagte verpflichtet ist, ihre Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben des Gerichts erneut zu prüfen.
Quelle: Verwaltungsgericht Berlin
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