Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 06.03.2009, Az.: 10 L 53.09
Verfahren bei Botschaften/Konsulaten dauern immer länger
Bereits seit Jahren ist insbesondere im Ausländerrecht die Tendenz zu beobachten, dass die ausländerrechtlichen Entscheidungen der Ausländerbehörden oder der Botschaften/Konsulate immer länger dauern.
Dies kann, wenn Eile geboten ist, zu erheblichen Nachteilen für Ausländer führen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die in Deutschland lebende Ehefrau schwanger ist und der im Ausland lebende Mann bei der Geburt dabei sein möchte. Es geht also zum Beispiel um ein Visum wegen Schwangerschaft. Um in solchen Fällen einen schnellen Rechtsschutz zu gewährleisten, hat der Ausländer die Möglichkeit, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes in einem Eilverfahren seine Rechte vor Gericht zu sichern. Diese Verfahren werden Eilrechtsschutzverfahren oder Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes genannt.
Bei Eilbedürftigkeit (z. B. Visum wegen Schwangerschaft) kann ein Eilverfahren gestartet werden
Einstweiliger Rechtsschutz unterscheidet sich von normalen Klageverfahren dadurch, dass im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes eine schnelle Entscheidung aufgrund einer nur summarischen Prüfung getroffen wird. Somit können an die Beweisführung nicht dieselben Anforderungen gestellt werden wie im Hauptsacheverfahren. In diesen Verfahren spielt daher auch die eidesstattliche Versicherung eine große Rolle.
Der Eilantrag ist immer dann begründet, wenn es dem Antragsteller gelingt, die Eilbedürftigkeit und den eigentlichen Anspruch, den er durchsetzen möchte, dem Gericht ausreichend glaubhaft zu machen.
In dem hier vorgestellten Fall handelt es sich um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht Berlin. In diesem Verfahren stellte der Vater eines ungeborenen Kindes, das sich in Deutschland befindet, den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, um noch vor der Geburt bei seinem Kind in Deutschland zu sein.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:
Türkischer Vater will zur Geburt seines Kindes in Deutschland sein
Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen türkischen Staatsbürger, dessen Ehefrau die deutsche Staatsangehörigkeit hat und schwanger mit dem Kind des Antragstellers ist. Die Ehefrau befindet sich in Deutschland. Der Ehemann hatte bereits einen Antrag auf Ehegattennachzug zu seiner deutschen Ehefrau gestellt, dieser wurde jedoch abgelehnt, und gegen die Ablehnung lief ein Klageverfahren beim Verwaltungsgericht in Berlin.
Die Schwangerschaft der Ehefrau war jedoch zwischen den Beteiligten im Kontext des Klageverfahrens besprochen worden, und der Antragsgegner (Auswärtiges Amt bzw. Botschaft) hatte vor diesem Hintergrund eine Visumserteilung für den Fall in Aussicht gestellt, dass die Ausländerbehörde ihre Zustimmung erteilt.
Vater stellt Eilrechtsantrag beim Verwaltungsgericht Berlin
Da die Geburt unmittelbar bevorstand, beantragte der Antragsteller den hier entschiedenen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Berlin.
Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin:
Das Verwaltungsgericht Berlin entschied, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe.
Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches zur Einreise
Zwar könne sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG berufen. Danach sei dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe. Der Umstand, dass das Kind als Rechtspersönlichkeit noch nicht vollständig existent sei und derzeit einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland tatsächlich (noch) nicht begründet habe, stehe der Anwendung des § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG entgegen. Die Norm sei auch nicht im Lichte von Art. 6 GG dahingehend auszulegen, dass ein Nachzugsanspruch auch für das noch nicht geborene Kind bestünde. Es handele sich um einen gebundenen Anspruch, der in seiner Gestaltung bereits Ausdruck von Art. 6 GG sei und bei dem kein Auslegungsbedarf bestünde.
Gericht urteilt, dass sich der Vater zwar nicht auf § 28 oder § 22 AufenthG berufen kann
Zwar könne sich der Antragsteller auch nicht mit Erfolg auf § 22 Satz 1 AufenthG berufen. Danach könne einem Ausländer für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Es fehle an den tatbestandlichen Voraussetzungen. Insbesondere liege kein dringender humanitärer Grund vor. Der Begriff der dringenden humanitären Gründe betreffe Menschen, die sich in lebensgefährlichen Situationen bzw. schicksalhaften Notlagen befänden und spezifisch auf die Hilfe Deutschlands angewiesen seien. Dies sei beim Antragsteller nicht der Fall. Dessen Wunsch, bei der Geburt seines Kindes seiner Ehefrau beizustehen und sie unterstützen zu können, stelle tatbestandlich keine existentielle Notlage im beschriebenen Sinne dar.
Vater kann sich aber auf § 7 Abs. 1 S. 3 AufenthG berufen, da der Anspruch auf Nachzug zum ungeborenen Kind nicht ausdrücklich geregelt ist
Der Antragsteller könne sich jedoch mit Erfolg auf § 7 Absatz 1 Satz 3 AufenthG berufen. Danach könne in begründeten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen im Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Der Wunsch des Antragstellers, bei der Geburt des gemeinsamen Kindes anwesend zu sein und seiner Ehefrau beistehen zu können, stelle einen nicht im Aufenthaltsgesetz geregelten Aufenthaltszweck dar.
§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG setze – wie ausgeführt – voraus, dass das Kind bereits auf der Welt ist. Auch § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG berücksichtige nicht die Beziehung zu einem kurz vor der Geburt stehenden Kind. Ein begründeter Fall liege ebenfalls vor. Die Erteilung des Aufenthaltstitels erscheine sachlich gerechtfertigt.
Der Schutzbereich des Grundrechts in Art. 6 Abs. 1 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, umfasse sowohl die Beziehung des Antragstellers zu seiner kurz vor der Entbindung stehenden Ehefrau als auch – damit notwendig und unmittelbar einhergehend – seine Beziehung zu seinem kurz vor der Geburt stehenden Kind. Hier sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei der Geburt eines Kindes um ein – bezogen auf das einzelne Kind – einmaliges und nicht wiederholbares Ereignis im Leben sowohl einer Mutter als auch eines Vaters handele.
Die Botschaft/das Auswärtige Amt müssen im Ermessenswege die Einreise genehmigen
Das der Antragsgegnerin in dieser Norm eingeräumte Ermessen habe sich im vorliegenden Fall bei summarischer Prüfung auch dahin verdichtet, dass allein die Erteilung des Visums an den Antragsteller als ermessensfehlerfreie Ausübung des Ermessens in Betracht komme. Zwar gewähre Art. 6 Abs. 1 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf einen Aufenthaltstitel, sei aber bei der Ausübung des Ermessens zwingend einzubeziehen.
Dabei sei im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass – zusätzlich zu dem in diese Erwägungen einzustellenden, oben ausgeführten Schutzbereich des Grundrechts – hinzukomme, dass der Antragsteller mit der Geburt des dann deutschen Kindes unmittelbar einen Anspruch gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erwerbe. Dies stelle auch die Ausländerbehörde nicht in Abrede, sondern erkläre vielmehr, nach der Geburt des Kindes die Zustimmung zur Visumserteilung erteilen zu wollen. Bei Berücksichtigung dieser Umstände entspräche es nicht dem aus Art. 6 Abs. 1 GG resultierenden staatlichen Schutzauftrag, dem Antragsteller die Einreise zur Geburt seines Kindes zu verwehren. Vielmehr erscheine das Fernhalten des Antragstellers von der Geburt als bloße Schikane.
Diesem Recht des Antragstellers lasse sich schließlich auch nicht die – theoretisch denkbare – Möglichkeit entgegenhalten, dass das Kind die Geburt nicht überlebt. Denn für diesen Fall sei in Ansehung des staatlichen Schutzauftrags zu berücksichtigen, dass dann die Ehefrau des Antragstellers gerade und in besonderem Maße seiner Anwesenheit und seines Beistands bedürfe.
Da die Geburt unmittelbar bevorsteht, besteht auch ein Anordnungsgrund für den Vater
Dem Antragsteller stünde schließlich ein Anordnungsgrund zur Seite, da nach Auskunft des H. Klinikums Krefeld die deutsche Ehefrau des Antragstellers kurz vor der Entbindung stehe. Dem Antragsteller drohe damit der Nachteil, bei der Geburt seines Kindes nicht anwesend zu sein und seiner Ehefrau nicht beistehen zu können (vgl. in diesem Zusammenhang auch VG Berlin, Beschluss vom 28.01.2009 – VG 10 L 11.09 V -). Diesem Nachteil stünden keine vergleichbaren Nachteile der Antragsgegnerin (Auswärtiges Amt bzw. Botschaft) oder der Ausländerbehörde entgegen.
Quelle: Verwaltungsgericht Berlin
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Eine Antwort
Ich bin in der 16.SSW und mein Mann lebt noch in der Türkei leider hat er immernoch nicht Visum bekommen wie komme ich da weiter können sie mir da behilflich sein .
Mit freundlichen Grüßen