Verwaltungsgericht München, 07.04.2016, Az. M 12 K 15.3847
Nach § 51 Abs. 1 AufenthG erlischt der Aufenthaltstitel mit Ablauf seiner Geltungsdauer, Eintritt einer auflösenden Bedingung, Rücknahme des Aufenthaltstitels, Widerruf des Aufenthaltstitels, Ausweisung des Ausländers, Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist, wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist oder wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG einen Asylantrag stellt. Ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht bei längerer Ausreise.
Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nach § 51 Abs. 2 AufenthG nicht bei längerer Abwesenheit (§ 51 Abs. 1 Nrn. 6, 7 AufenthG), wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 oder Abs. 2 Nrn. 5 bis 7 AufenthG besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.
Hierbei ist zu beachten, dass lediglich kurzfristige Aufenthalte in der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 6 Monaten der Einordung der Verlegung des Lebensmittelpunktes in ein anderes Land nicht entgegenstehen. Im Weiteren ist zu beachten, dass der Lebensunterhalt zum Zeitpunkt der Ausreise gesichert sein muss, da zur Prognose der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu welchen die Aufenthaltserlaubnis bzw. die Niederlassungserlaubnis erlischt.
Im nachstehenden Sachverhalt geht es um die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis trotz mehrjähriger Abwesenheit (Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets) hat.
Einleitung: Sachverhalt und Ausgangslage
Der vorliegende Fall betrifft den Rechtsstreit um die Nichterteilung einer Niederlassungserlaubnis an den Kläger, einen türkischen Staatsangehörigen, der bereits seit 1989 in Deutschland lebte. Der Kläger reiste ursprünglich zum Ehegattennachzug in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die im Verlauf mehrfach verlängert wurde. Nachdem seine erste Ehe gescheitert war, wurde die Aufenthaltserlaubnis in ein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht umgewandelt, das ihm 1995 schließlich eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verschaffte. In der Folgezeit heiratete der Kläger erneut, zunächst eine türkische Staatsangehörige, später eine deutsche Staatsbürgerin. Im Jahr 2010 verlegte der Kläger seinen Lebensmittelpunkt in die Türkei und meldete sich von seiner deutschen Wohnanschrift ab. Die Frage, ob seine Niederlassungserlaubnis aufgrund dieser Umstände erloschen ist, steht im Mittelpunkt des Rechtsstreits.
Verlagerung des Lebensmittelpunkts in die Türkei
Der Kläger beantragte im März 2010 eine Beitragserstattung bei der Deutschen Rentenversicherung, da er seit dem 07. Februar 2010 seinen Wohnsitz in der Türkei hatte und sein letztes Beschäftigungsverhältnis bereits Ende 2005 geendet hatte. Infolgedessen wurden ihm seine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erstattet. Im April 2010 meldete sich der Kläger von seiner deutschen Wohnanschrift ab und kehrte erst im Dezember 2012 wieder zurück, als er sich erneut dort anmeldete. Der Kläger gab an, seit 2010 niemals länger als sechs Monate außerhalb Deutschlands gewesen zu sein. Allerdings belegten seine Papiere, dass er sich in dieser Zeit überwiegend in der Türkei aufhielt und dort auch einer Tätigkeit als Hausverwalter nachging. Zudem bezog er in der Türkei eine Rente, mit der er seinen Lebensunterhalt sicherte.
Entscheidungsgrundlage der Ausländerbehörde
Die Ausländerbehörde lehnte den Antrag des Klägers auf Übertragung der Niederlassungserlaubnis in seinen neuen türkischen Pass ab und stellte fest, dass diese aufgrund seines längeren Auslandsaufenthaltes gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 AufenthG erloschen sei. Diese Bestimmungen sehen das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis vor, wenn der Ausländer das Bundesgebiet für einen längeren Zeitraum verlässt, ohne dass ein nur vorübergehender Grund vorliegt. Da der Kläger seine Rückkehr nach Deutschland erst 2012 vollzog und bis dahin offenbar dauerhaft in der Türkei gelebt hatte, ging die Behörde von einem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis aus.
Argumentation des Klägers und Gegenargumente der Beklagten
Der Kläger wandte sich gegen die Entscheidung und argumentierte, dass seine Ehefrau ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in Deutschland habe und er daher den Schutz des Artikels 6 des Grundgesetzes genieße. Zur Untermauerung seines Antrags legte er Nachweise über den gesicherten Lebensunterhalt in Form von Verdienstnachweisen seiner Ehefrau, Kontoauszügen sowie Grundbuchauszügen und Mietverträgen von Immobilien in der Türkei vor. Die Beklagte entgegnete jedoch, dass der Immobilienbesitz und die Einkünfte in der Türkei nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts im Bundesgebiet ausreichten. Zudem sei unklar, ob und wie lange das gemeinsame Bankvermögen tatsächlich zur Verfügung gestanden habe. Die Abfindung, die die Ehefrau des Klägers erhalten hatte, wurde größtenteils für den Erwerb eines Hauses in der Türkei verwendet, was ebenfalls auf eine Verlagerung des Lebensmittelpunkts in die Türkei hindeutete.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts München
Das Verwaltungsgericht München erklärte die Klage für zulässig, jedoch unbegründet. Das Gericht stellte fest, dass die Niederlassungserlaubnis des Klägers erloschen sei, da er das Bundesgebiet aus einem nicht nur vorübergehenden Grund verlassen habe. Die Ausreise im Jahr 2010 und die Verlagerung seines Lebensmittelpunkts in die Türkei erfüllten die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG. Der Kläger habe durch seine Handlungen, wie etwa die Abmeldung seines deutschen Wohnsitzes und den Kauf einer Immobilie in der Türkei, deutlich gemacht, dass er eine dauerhafte Rückkehr in die Türkei vollzogen habe. Auch die Aufgabe der deutschen Staatsbürgerschaft durch seine Ehefrau spreche für eine dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunkts.
Das Gericht betonte, dass der Kläger sich auch nicht auf den Privilegierungstatbestand des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG berufen könne, wonach eine Niederlassungserlaubnis trotz Ausreise fortbestehen würde, wenn der Lebensunterhalt gesichert sei und der Aufenthalt mindestens 15 Jahre angedauert habe. Zwar habe der Kläger die 15 Jahre erfüllt, jedoch war sein Lebensunterhalt zum Zeitpunkt der Ausreise im Jahr 2010 nicht gesichert. Das Gericht wies darauf hin, dass es keine hinreichenden Nachweise dafür gebe, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt über ausreichende Einkünfte verfügte. Die erst nach der Ausreise abgeschlossenen Mietverträge und der Verkauf der deutschen Immobilie seien für die Beurteilung der Sicherung des Lebensunterhalts unerheblich. Auch die türkische Rente reiche nicht aus, um den Lebensunterhalt in Deutschland zu sichern, da der Kläger sich privat krankenversichern müsste, was zusätzliche Kosten verursachen würde.
Schlussfolgerung und Bedeutung für ähnliche Fälle
Das Urteil zeigt exemplarisch, dass eine Niederlassungserlaubnis erlöschen kann, wenn der Lebensunterhalt nach einer Ausreise nicht gesichert ist und der Lebensmittelpunkt dauerhaft ins Ausland verlegt wurde. Auch wenn der Kläger nach seiner Rückkehr nach Deutschland erneut um eine Niederlassungserlaubnis bemüht war, hatte er aufgrund seiner Handlungen vor der Ausreise seinen Anspruch darauf verwirkt. Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang der Zeitpunkt der Ausreise, da die Sicherung des Lebensunterhalts zu diesem Zeitpunkt nachgewiesen werden muss. Das Urteil verdeutlicht außerdem, dass die Behörde eine umfassende Prognose über die zukünftige Sicherung des Lebensunterhalts treffen muss, wobei die tatsächlichen Umstände am Ausreisezeitpunkt ausschlaggebend sind. Für ähnliche Fälle bedeutet dies, dass eine rechtzeitige und gründliche Planung sowie der Nachweis eines gesicherten Lebensunterhalts von entscheidender Bedeutung sind, um den Verlust der Niederlassungserlaubnis zu verhindern.
Im vorliegenden Fall wurde die Klage des Klägers abgewiesen, und der Bescheid der Ausländerbehörde vom 24.08.2015 wurde als rechtmäßig bestätigt. Der Kläger wurde zur Ausreise aufgefordert, da er keinen gültigen Aufenthaltstitel mehr besaß und sein Lebensunterhalt in Deutschland nicht gesichert war. Das Urteil zeigt somit, dass die Verlagerung des Lebensmittelpunkts ins Ausland erhebliche Auswirkungen auf den Aufenthaltsstatus haben kann, selbst wenn ein jahrelanger rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland bestanden hat.
Quelle: Verwaltungsgericht München
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