Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 16.11.2016, Az.: 14 K 240.15 V
Hintergrund des Falls: Visumantrag für selbständige Tätigkeit
Der Kläger, geboren 1979 und russischer Staatsangehöriger, strebte die Erteilung eines Visums an, um in Deutschland eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen. Er ist Mehrheitseigentümer (90 % des Stammkapitals) und seit 2015 Geschäftsführer der A…-GmbH, die eine Pension in Bad Nenndorf betreibt. Die GmbH wurde 2013 gegründet, wobei der Bruder des Klägers zunächst alleiniger Geschäftsführer war. Die Pension selbst existiert bereits seit den 1990er Jahren, und das Grundstück, auf dem die Pension betrieben wird, erwarb der Kläger von der vorherigen Betreiberin.
Im Juni 2014 beantragte der Kläger beim deutschen Generalkonsulat in Jekaterinburg ein Visum zur Arbeitsaufnahme. Er wollte als zweiter Geschäftsführer der A…-GmbH tätig werden und legte einen entsprechenden Arbeitsvertrag sowie Dokumente zu seiner bisherigen beruflichen Laufbahn in Russland vor, unter anderem Nachweise über seine Tätigkeit als Betriebstechnologe und stellvertretender Direktor einer anderen GmbH in Russland. Die Bundesagentur für Arbeit verweigerte jedoch ihre Zustimmung zur Erteilung des Visums, woraufhin das Generalkonsulat den Antrag ablehnte. Der Kläger legte Widerspruch gegen diesen Bescheid ein und führte an, er strebe eine selbständige Tätigkeit an, wofür keine Zustimmung der Bundesagentur erforderlich sei.
Gutachten und Entscheidung der Behörden
Die Industrie- und Handelskammer sowie die Gewerbebehörde der Samtgemeinde Nenndorf wurden in das Verfahren eingebunden. Die Industrie- und Handelskammer äußerte sich dahingehend, dass zwar grundsätzlich von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen sei, wenn der Kläger als Geschäftsführer der GmbH tätig würde, es jedoch kein hinreichendes wirtschaftliches Interesse an seiner Tätigkeit gebe. Die GmbH sei ein Kleinbetrieb, und der Kläger verfüge weder über Branchenkenntnisse noch über kaufmännische oder unternehmerische Erfahrungen in Deutschland. Ein regionales Bedürfnis für die Tätigkeit sei ebenfalls nicht erkennbar. Auf Grundlage dieser Stellungnahmen verweigerte der Beigeladene im Juli 2015 seine Zustimmung zur Erteilung des Visums, und das Generalkonsulat lehnte den Antrag des Klägers erneut mit Bescheid vom 29. September 2015 ab.
Der Kläger erhob daraufhin Klage und legte weitere Unterlagen vor, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit seines Vorhabens zu belegen. Er präsentierte unter anderem ein Protokoll der Gesellschafterversammlung, das seine Ernennung zum zweiten Geschäftsführer dokumentierte, sowie betriebswirtschaftliche Auswertungen und Steuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015. Der Kläger argumentierte, dass die Pension seit Jahren erfolgreich betrieben werde und es in Bad Nenndorf eine erhöhte Nachfrage nach Beherbergungsbetrieben gebe. Die regionale Wirtschaft werde durch die Beschäftigung von Personal und den Bezug von Waren und Dienstleistungen positiv beeinflusst. Darüber hinaus sei die Finanzierung seiner Tätigkeit durch Eigenkapital gesichert.
Gerichtliche Prüfung: Keine tragfähige Geschäftsidee
Das Verwaltungsgericht prüfte den Fall und entschied, dass die Klage unbegründet sei. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung des Visums, da die Voraussetzungen nach § 21 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht erfüllt seien. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer ein Visum zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis besteht, die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt und die Finanzierung gesichert ist. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger nicht hinreichend dargelegt habe, dass er eine selbständige Tätigkeit im Sinne des Gesetzes ausüben wolle. Zwar sei er als geschäftsführender Gesellschafter der GmbH tätig, jedoch handele es sich dabei eher um die Verwaltung eigenen Vermögens und nicht um eine selbständige unternehmerische Tätigkeit.
Darüber hinaus sah das Gericht kein wirtschaftliches Interesse an der geplanten Tätigkeit des Klägers. Der Betrieb der Pension habe keine wesentlichen positiven Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Die A…-GmbH sei ein Kleinunternehmen mit einem Kapitaleinsatz von 25.000 Euro und Jahresgewinnen von rund 25.000 Euro bei einem Umsatz von 135.000 Euro. Diese wirtschaftlichen Daten seien volkswirtschaftlich unbedeutend. Eine langfristig tragfähige Geschäftsidee, die erwarten lasse, dass sich die Umsätze maßgeblich erhöhen, konnte der Kläger nicht präsentieren. Zudem sei der Gewinn der GmbH im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 24 % gesunken, was ebenfalls Zweifel an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Unternehmens aufwarf.
Weitere Bedenken: Mangelnde Sprachkenntnisse und fehlendes regionales Bedürfnis
Zusätzlich äußerte das Gericht Zweifel an den Fähigkeiten des Klägers, die geplante Tätigkeit als Geschäftsführer effektiv auszuüben. Es wurde festgestellt, dass der Kläger keine ausreichenden Deutschkenntnisse habe, um die für eine leitende Position erforderlichen geschäftlichen Kontakte und Korrespondenzen in Deutschland zu führen. Der Vorschlag, dass sein Bruder als Übersetzer fungieren könnte, wurde als lebensfremd abgelehnt, da dies bedeuten würde, dass sein Bruder seine eigene berufliche Tätigkeit aufgeben müsste. Auch die Tatsache, dass der Betrieb bereits existiere und Gewinne erwirtschafte, befreie den Kläger nicht von der Notwendigkeit, über entsprechende unternehmerische Fähigkeiten zu verfügen.
Ein weiteres wichtiges Argument gegen die Visumerteilung war das Fehlen eines regionalen Bedarfs für die Tätigkeit des Klägers. Das Gericht stellte fest, dass es in Bad Nenndorf bereits zahlreiche Beherbergungsbetriebe gebe und kein besonderer Bedarf an weiteren Einrichtungen dieser Art erkennbar sei. Der Kläger konnte diesbezüglich keine konkreten Nachweise vorlegen. Auch die Anzahl der im Betrieb angestellten Mitarbeiter war zu gering, um von einer wesentlichen Schaffung von Arbeitsplätzen auszugehen. Im Jahr 2016 waren lediglich vier Personen in der Pension beschäftigt, von denen drei geringfügig beschäftigt waren und eine der zweite Geschäftsführer, der Bruder des Klägers, war.
Fazit: Keine Aussicht auf Erfolg für den Kläger
Insgesamt kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Klage unbegründet sei und der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung des Visums habe. Es sah weder ein wirtschaftliches Interesse noch ein regionales Bedürfnis an der Tätigkeit des Klägers. Auch die finanzielle Tragfähigkeit der Geschäftsidee konnte nicht ausreichend dargelegt werden. Die Tatsache, dass der Kläger keine hinreichenden Sprachkenntnisse hatte und die unternehmerische Erfahrung in der Hotelbranche fehlte, verstärkte die Zweifel an der Erfolgsaussicht des Vorhabens. Die Ablehnung des Visumantrags durch das Generalkonsulat war somit rechtmäßig, und die Entscheidung verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten.
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