Ausländerrecht: Russischer Staatsangehöriger will als Bauunternehmer in Deutschland leben und arbeiten

Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 25.05.2022 – 12 K 215/21 V

Hintergrund des Falls: Antrag auf Visum zur selbstständigen Tätigkeit

Der Kläger, ein 1974 geborener russischer Staatsbürger, lebt seit 2018 mit seiner Familie auf Mallorca, Spanien. Er ist Unternehmer im Bau- und Hotelbereich und verfügt über einen Aufenthaltstitel in Spanien aufgrund von Immobilieninvestitionen. Seit 2019 ist er zudem Eigentümer eines Hauses in Wuppertal, Deutschland, wo er mit seiner Familie leben möchte. Der Kläger ist Alleingesellschafter und einer der Geschäftsführer der L1 GmbH mit Sitz in Duisburg. Diese Gesellschaft ist im Immobiliensektor tätig und hat in Essen bereits ein denkmalgeschütztes Gebäude, das sogenannte Kupferdreh-Palais, saniert und in ein Wohngebäude umgebaut.

Im September 2017 stellte der Kläger einen Antrag auf ein Visum zur selbstständigen Tätigkeit in Deutschland beim Generalkonsulat in St. Petersburg. Er legte eine Stellungnahme der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer vor, die positive Auswirkungen seiner Projekte auf die regionale Wirtschaft prognostizierte. Zusätzlich wurde ein Businessplan eingereicht, der den Bau weiterer Immobilienprojekte in Essen, darunter ein Mehrfamilienhaus, vorsah. Der Kläger argumentierte, dass seine ständige Anwesenheit in Deutschland notwendig sei, um die Bauvorhaben erfolgreich umzusetzen.

Ablehnung des Visumantrags und Argumentation des Generalkonsulats

Das Generalkonsulat lehnte den Antrag des Klägers im Mai 2018 ab. In der Begründung hieß es, dass die Notwendigkeit einer ständigen Anwesenheit des Klägers in Deutschland nicht nachgewiesen worden sei. Zudem sei unklar, inwieweit die L1 GmbH tatsächlich in das operative Geschäft eingebunden sei. Die Planung des Kupferdreh-Palais sei bereits vom Voreigentümer durchgeführt worden, und das operative Geschäft werde größtenteils von Subunternehmen übernommen. Das Generalkonsulat sah weder ein regionales Bedürfnis noch ein wirtschaftliches Interesse an der Tätigkeit des Klägers, da der Erwerb und die Verwaltung von Immobilien keine selbstständige Tätigkeit im Sinne des Aufenthaltsgesetzes darstelle.

Der Kläger legte daraufhin Widerspruch gegen die Ablehnung ein und argumentierte, dass er nicht nur Investor, sondern auch Herr des gesamten Bauprojekts sei. Er habe zahlreiche Aufträge an regionale Unternehmen vergeben und im Namen der L1 GmbH Verträge abgeschlossen. Zusätzlich legte der Kläger Belege für geschaffene Arbeitsplätze und einen aktualisierten Businessplan vor. Trotz dieser Argumente wurde sein Antrag im Mai 2021 nach erneuter Prüfung abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass die L1 GmbH zwar über ein Bauprojekt verfüge, aber die Notwendigkeit einer dauerhaften Anwesenheit des Klägers in Deutschland weiterhin fraglich sei. Zudem sei unklar, ob der Kläger tatsächlich beabsichtige, seinen wirtschaftlichen Schwerpunkt nach Deutschland zu verlegen, da er auch in anderen Ländern aktiv sei.

Klage des Unternehmers und Gerichtsverfahren

Im Juli 2021 erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht, um sein Anliegen weiterzuverfolgen. Er führte erneut an, dass er bereits erhebliche Eigenkapitalmittel in seine Gesellschaft investiert habe und weitere Bauprojekte plane, darunter ein Mehrfamilienhaus auf dem Grundstück in der Ku… Straße in Essen. Ohne seine ständige Anwesenheit könnten diese Projekte nicht realisiert werden, da nur er die notwendigen Entscheidungen treffen könne. Die Geschäftsführerin seiner Gesellschaft, Frau Zo…, sei nicht in der Lage, die Projekte allein zu leiten. Der Kläger legte dar, dass seine Tätigkeit nicht nur die Verwaltung bestehenden Vermögens umfasse, sondern auch den Bau und die Entwicklung neuer Immobilienprojekte beinhalte, was ein wirtschaftliches Interesse für die Region darstelle.

Das Gericht entschied im Mai 2022 ohne mündliche Verhandlung über den Fall und hörte den Kläger sowie die Geschäftsführerin Zo… im Rahmen eines Erörterungstermins an. Es wurde festgestellt, dass der Kläger eine auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit als Geschäftsführer der L1 GmbH ausübt, die eine selbstständige Tätigkeit darstellt. Allerdings konnte der Kläger nicht ausreichend darlegen, dass die geplanten Projekte tatsächlich umsetzbar seien oder dass seine ständige Anwesenheit in Deutschland erforderlich sei. Insbesondere wurde bemängelt, dass seit Jahren kein Fortschritt bei der Umsetzung der Projekte erkennbar sei, und Zweifel an der Sicherung der Finanzierung blieben bestehen.

Entscheidung des Gerichts: Keine Erteilung des Visums

Das Gericht wies die Klage des Unternehmers ab. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die sachlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums zur selbstständigen Tätigkeit nach § 21 Aufenthaltsgesetz nicht vorlägen. Zwar handele es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine selbstständige Tätigkeit im Sinne des Gesetzes, doch sei die Tragfähigkeit seiner Geschäftsideen nicht nachgewiesen. Der Kläger habe bereits seit mehreren Jahren keine Fortschritte bei der Umsetzung seiner Immobilienprojekte gemacht, und es bestünden erhebliche Zweifel, ob die Finanzierung der Bauvorhaben gesichert sei.

Das Gericht stellte fest, dass der Kläger in der Vergangenheit die Möglichkeit gehabt habe, seine Tätigkeiten im Rahmen von Schengen-Visa fortzuführen, ohne dass hierfür ein Visum für einen dauerhaften Aufenthalt erforderlich gewesen sei. Zudem sei nicht ausreichend dargetan worden, dass die ständige Anwesenheit des Klägers in Deutschland für die Realisierung der geplanten Projekte zwingend notwendig sei. Der Kläger habe in der Vergangenheit die Geschäftsführung seiner Gesellschaft auch aus dem Ausland wahrgenommen.

Auch die positiven Stellungnahmen der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer führten nicht zu einem anderen Ergebnis. Das Gericht war nicht an diese Stellungnahmen gebunden und stellte fest, dass die IHK lediglich auf ältere Prüfungen verwiesen habe, ohne die aktuelle Situation der geplanten Projekte zu bewerten. Letztlich konnte der Kläger das Gericht nicht davon überzeugen, dass seine Tätigkeit in Deutschland ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis rechtfertige.

Zusammenfassend entschied das Gericht, dass der Kläger keinen Anspruch auf das beantragte Visum habe, da die Umsetzung seiner geplanten Projekte fraglich sei und keine ausreichenden Gründe vorlägen, die seine ständige Anwesenheit in Deutschland erforderten.

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