Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg, 21.06.2022, Az.: OVG 3 B 24/20
Das Urteil betrifft einen Fall, in dem eine ghanaische Staatsangehörige (Klägerin) die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug zu ihrem deutschen Ehemann beantragte. Dieser Antrag wurde von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Accra abgelehnt, da erhebliche Zweifel an der Identität der Klägerin sowie an ihren Deutschkenntnissen bestanden. Der Fall gelangte daraufhin vor das Verwaltungsgericht Berlin, das im ersten Verfahren zugunsten der Klägerin entschied. Die Beklagte, also die Bundesrepublik Deutschland, legte Berufung ein, woraufhin das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das ursprüngliche Urteil änderte und die Klage der Klägerin abwies.
Hintergrund und Antragstellung
Die Klägerin hatte einen Antrag auf Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug gestellt. Dieser wurde zunächst im April 2018 von der deutschen Botschaft in Accra abgelehnt. Die Ablehnung erfolgte mit der Begründung, dass ihre Identität nicht hinreichend geklärt sei und sie sich nicht zumindest auf einfache Weise in deutscher Sprache verständigen könne, wie es für den Ehegattennachzug gemäß § 28 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erforderlich ist. In ihrer Remonstration gegen diese Entscheidung räumte die Klägerin ein, dass der Geburtsort in ihrer Geburtsurkunde falsch angegeben sei. Tatsächlich sei sie in A_____ geboren, was ihr Vater durch eine notariell beglaubigte Erklärung bestätigte.
Zusätzlich führte die Klägerin an, dass sie Analphabetin gewesen sei und seit 2015 versuche, Deutsch zu lernen. Da es ihr finanziell und familiär nicht möglich gewesen sei, einen Sprachkurs am Goethe-Institut zu besuchen, habe sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und ab September 2018 mit Unterstützung einer Nachbarin Deutsch geübt. Als Beleg legte sie unter anderem eine Erklärung ihres Ehemanns sowie handschriftliche Aufzeichnungen vor.
Ablehnung durch die deutsche Botschaft
Trotz dieser Erklärungen wurde der Visumsantrag erneut abgelehnt. In der Begründung vom Januar 2019 hieß es, dass weiterhin Zweifel an der Identität der Klägerin bestünden. Zudem habe sie keine weiteren Dokumente vorgelegt, um ihre Angaben zu untermauern. Darüber hinaus wurde angeführt, dass ihre Geburt erst im Jahr 2015 registriert worden sei und ghanaische Pässe oftmals ohne umfassende inhaltliche Prüfung ausgestellt würden. Schließlich sei der notwendige Sprachnachweis nicht erbracht worden.
Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin
Daraufhin erhoben die Klägerin und ihr Ehemann Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin und verpflichtete die Beklagte, ihr das Visum zu erteilen. Es sah die Identität der Klägerin als ausreichend geklärt an, da der Ehemann in der mündlichen Verhandlung die Umstände des falschen Geburtsorts nachvollziehbar erklärt habe und die Aussagen der vom Vertrauensanwalt befragten Personen den Namen der Klägerin bestätigt hätten. Auch hinsichtlich der Deutschkenntnisse entschied das Gericht, dass die Klägerin ausreichende Bemühungen unternommen habe, um einfache Deutschkenntnisse zu erwerben.
Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Die Beklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Sie argumentierte, dass die Identität der Klägerin nach wie vor ungeklärt sei. In Ländern mit einem unzuverlässigen Urkundenwesen wie Ghana sei es den Betroffenen grundsätzlich möglich, ihre Identität nachzuweisen, insbesondere durch die Vorlage verlässlicher Dokumente. Hier sei es jedoch zu Lasten der Klägerin, dass sie und ihre Familienangehörigen nachweislich falsche Angaben gemacht hätten, insbesondere bezüglich ihres Geburtsorts. Darüber hinaus habe die Klägerin die notwendigen Deutschkenntnisse nicht nachgewiesen und keine ernsthaften Bemühungen unternommen, diese über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr zu erlernen, wie es gefordert sei.
Entscheidungsgründe des Oberverwaltungsgerichts
Das Oberverwaltungsgericht gab der Berufung der Beklagten statt und hob das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin auf. Es stellte fest, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug habe. Dies wurde vor allem damit begründet, dass die Klägerin weder ihre Identität noch ihre Deutschkenntnisse ausreichend nachgewiesen habe.
Zweifel an der Identität der Klägerin
Hinsichtlich der Identität der Klägerin führte das Gericht aus, dass die vorgelegten Dokumente nicht ausreichten, um die Zweifel auszuräumen. Die Angabe eines falschen Geburtsorts in der Geburtsurkunde sowie widersprüchliche Aussagen zu ihrem Geburtsdatum und anderen persönlichen Angaben trugen zu diesen Zweifeln bei. So wurde beispielsweise festgestellt, dass der Vater der Klägerin gegenüber dem von der Beklagten beauftragten Vertrauensanwalt einen falschen Geburtsort und ein möglicherweise inkorrektes Geburtsdatum angegeben hatte. Auch die Tatsache, dass die Klägerin erst im Jahr 2015 registriert wurde, warf zusätzliche Fragen auf.
Der Klägerin war es nicht gelungen, durch weitere Unterlagen oder Dokumente, wie etwa eine Taufbescheinigung, ihre Angaben zu untermauern. Das Gericht führte außerdem aus, dass die Angaben der Klägerin zu ihrer Kindheit und ihrem Aufenthaltsort nicht mit den Informationen übereinstimmten, die sie im Visumsverfahren angegeben hatte. Diese widersprüchlichen Angaben verstärkten die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin und ihrer Familie.
Unzureichender Sprachnachweis
Das Gericht betonte, dass die Klägerin die erforderlichen Deutschkenntnisse nicht nachgewiesen habe. Zwar sei es grundsätzlich möglich, dass nachzugswillige Personen die notwendigen Sprachkenntnisse im Selbststudium oder mit Hilfe von Laien erwerben. In diesem Fall sei jedoch fraglich, ob die Bemühungen der Klägerin tatsächlich geeignet waren, die geforderten Sprachkenntnisse systematisch und zeitgerecht zu erwerben. Besonders hervorzuheben sei, dass die Klägerin aufgrund ihrer Analphabetisierung und mangelnden Englischkenntnisse professionelle Unterstützung benötigt hätte. Der von ihr angeführte Unterricht durch die Nachbarin wurde als nicht ausreichend substantiiert angesehen.
Zudem stellte das Gericht fest, dass die von der Klägerin vorgelegten handschriftlichen Aufzeichnungen über ihren Lernfortschritt keinen ausreichenden Nachweis für ernsthafte Bemühungen darstellten. Auch die Aussage des Ehemannes, dass die Klägerin fast alles Gelernte wieder vergessen habe, untermauerte die Schlussfolgerung, dass die Bemühungen der Klägerin nicht ausreichend waren.
Ergebnis und Schlussfolgerung
Letztlich kam das Oberverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass die Klägerin weder ihre Identität ausreichend nachweisen noch die geforderten Deutschkenntnisse belegen konnte. Die vorgelegten Dokumente und Aussagen waren widersprüchlich, und die Bemühungen der Klägerin um den Spracherwerb wurden als nicht systematisch und nachhaltig bewertet. Daher wurde ihre Klage abgewiesen, und sie hatte keinen Anspruch auf das begehrte Visum zum Ehegattennachzug.
Das Urteil verdeutlicht die hohen Anforderungen, die an den Nachweis von Identität und Sprachkenntnissen im Rahmen eines Visumverfahrens gestellt werden. Besonders in Fällen, in denen Unsicherheiten hinsichtlich der Herkunft und der persönlichen Daten des Antragstellers bestehen, sind verlässliche Dokumente und ernsthafte Bemühungen zum Spracherwerb unerlässlich.
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