VG Berlin, Beschluss vom 04.09.2020, Az.: 12 K 520.19 V
Wer ein Visum zur Einreise nach Deutschland beantragt, muss manchmal viel Geduld aufbringen, da sich der Prozess oft als langwierig erweist. Doch auch hier gibt es eine Grenze der Wartezeit, nach deren Überschreitung eine Untätigkeitsklage eingereicht werden kann, um eine Entscheidung über den Visumantrag zu erzwingen.
Die Untätigkeitsklage ist in § 75 der Verwaltungsgerichtsordnung geregelt. Dieser lautet:
„Ist über einen Widerspruch oder einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit Einlegung des Widerspruchs oder des Antrags auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, es sei denn, besondere Umstände des Falles rechtfertigen eine kürzere Frist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen wurde, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.“
Der Antragsteller kann also eine Untätigkeitsklage erheben, wenn seit der Antragstellung oder der Einreichung der letzten erforderlichen Unterlagen mehr als drei Monate vergangen sind.
Im vorliegenden Fall hat eine Visumsantragstellerin genau dies getan, nachdem sie 12 Monate auf einen Termin bei der zuständigen Botschaft warten musste. Das Verwaltungsgericht Berlin wies die Klage jedoch als unbegründet ab, da die kosovarische Botschaft aufgrund einer Gesetzesänderung unverschuldet überlastet war und angemessene Bemühungen unternommen hatte, um dem Problem zu begegnen.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:
Frau aus dem Kosovo beantragt Visum zur Familienzusammenführung
Die Klägerin begehrte die Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn, die beide in Deutschland leben.
Die Klägerin, kosovarische Staatsangehörige, lebt im Kosovo. Ihr Ehemann, den sie 2005 heiratete, lebt seit 1993 in Berlin und besitzt eine Niederlassungserlaubnis. Der gemeinsame Sohn, geboren 2003, lebt seit 2015 ebenfalls in Deutschland bei seinem Vater.
Im September 2018 reiste die Klägerin nach Deutschland ein und beantragte am 25. September 2018 eine Aufenthaltserlaubnis. Aufgrund ihrer Einreise ohne Visum lehnte die Ausländerbehörde den Antrag jedoch mit Bescheid vom 2. April 2019 ab, da ihr die Nachholung des Verfahrens zumutbar sei. Ein Eilantrag der Klägerin zur Verhinderung ihrer Abschiebung wurde abgelehnt. Am 8. August 2019 reiste die Klägerin aus Deutschland aus.
Botschaft teilt mit, dass die Wartezeit auf einen Termin 12 Monate beträgt
Am 4. Juli 2019 wandte sich die Klägerin an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Pristina, um einen Termin für die Visumsantragstellung zu erhalten. Am 23. August 2019 stellte die Klägerin über ihre Verfahrensbevollmächtigte einen Antrag auf ein Visum zur Familienzusammenführung. Mit E-Mail vom 10. Oktober 2019 teilte die Botschaft mit, dass derzeit eine Wartezeit von 12 Monaten für die Terminvergabe bestehe und die Termine in der Reihenfolge des Eingangs vergeben würden, es sei denn, es liege ein besonderer Notfall vor. Die Klägerin habe zudem einen früheren Termin am 27. Mai 2019 nicht wahrgenommen. Das Auswärtige Amt habe Maßnahmen ergriffen, um die Wartezeiten möglichst zu reduzieren.
Frau erhebt Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Berlin
Am 29. Oktober 2019 erhob die Klägerin eine Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Berlin. Sie argumentierte, die Beklagte habe klar gemacht, nicht innerhalb einer angemessenen Frist über den Visumsantrag der Klägerin entscheiden zu wollen. Dies wiege besonders schwer, da die Ausländerbehörde sowie das Verwaltungsgericht in früheren Verfahren argumentiert hatten, dass ihr eine kurze Ausreise zur Visumseinholung zumutbar sei. Es gebe keinen zureichenden Grund für die Verzögerung der Entscheidung. Die angekündigte Wartezeit von 17 Monaten sei, auch unter Berücksichtigung der anschließenden Bearbeitungszeit, unzumutbar. Sie verwies auf die Familienzusammenführungsrichtlinie, die eine Entscheidung binnen neun Monaten vorschreibe, und argumentierte, dass auch grund- und völkerrechtliche Vorgaben eine zügigere Bearbeitung verlangten.
Deutsche Botschaft verweist auf Überlastung und strenge chronologische Bearbeitung
Die Beklagte erklärte, dass die persönliche Vorsprache der Klägerin im Rahmen des Antragsverfahrens erforderlich sei, um die Identität zu klären und mögliche Einreisesperren zu prüfen. Ein Termin könne voraussichtlich erst Ende 2020 vergeben werden, da die Botschaft in Pristina erheblich überlastet sei. Man habe jedoch verschiedene Maßnahmen ergriffen, um den Antragsstau zu bewältigen.
Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin:
Verwaltungsgericht sah ausreichende Gründe für die Verzögerung
Die zulässige Klage wurde als unbegründet abgewiesen, da gemäß § 75 Satz 3 VwGO ein zureichender Grund für die Verzögerung der Entscheidung vorlag. Das Gericht stellte fest, dass die Überlastung der Botschaft, bedingt durch die Gesetzesänderung, einen zureichenden Grund darstellt und die von der Botschaft ergriffenen Maßnahmen als angemessen anzusehen sind.
Fazit:
Das Verwaltungsgericht Berlin entschied, dass die Klage unbegründet war, da die Überlastung der Botschaft als zureichender Grund für die Verzögerung anzusehen ist und die Behörde im Rahmen ihrer Möglichkeiten angemessene Maßnahmen ergriffen hat, um der Situation zu begegnen.
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