Verwaltungsgericht München, 23.02.2017, Az.: M 10 K 16.5371
Nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen.
Diese Regelung stellt die Möglichkeit dar, eine ehegattenunabhängige Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, jedoch nur unter Beachtung der genannten Kriterien. Demnach muss die eheliche Lebensgemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden haben. Maßgeblich für die Berechnung ist der Zeitraum, in dem die Lebenspartnerschaft tatsächlich ausgelebt wurde. Demnach die Ehepartner gemeinsam in einem Haushalt leben, unter den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG fallen und nicht bereits die Voraussetzungen für ein Trennungsjahr (§ 1567 BGB) erfüllen.
Im vorliegenden Urteil begehrt der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG nach der Trennung von seinem Lebenspartner, wobei streitig ist, wann der Ausspruch des Trennungswillens erfolgt ist.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:
Ausländerbehörde verweigert thailändischem Kläger die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
Der Kläger begehrt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.
Der Kläger ist thailändischer Staatsangehöriger und reiste am 06.03.2013 mit einem bis zum 03.06.2013 befristeten Visum zur Begründung einer Lebenspartnerschaft am 22.03.2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 30.04.2013 beantragte der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis wegen einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet. Daraufhin erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis für den Zeitraum vom 30.04.2013 bis zum 11.04.2015 gemäß § 30 AufenthG. Diese wurde anschließend aufgrund der Lebenspartnerschaft bis zum 30.06.2016 verlängert.
Lebenspartner des Klägers informierte die Ausländerbehörde über die Trennung
Am 04.03.2016 sandte der Lebenspartner des Klägers eine E-Mail an die Beklagte, in der er mitteilte, dass die Lebenspartnerschaft zerrüttet sei und er sich dauerhaft vom Kläger getrennt habe. Am 21.04.2016 beantragten der Kläger und sein Lebenspartner persönlich die erneute Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, wobei der Lebenspartner erneut die Zerrüttung betonte. Daraufhin stellte die Beklagte dem Kläger zunächst eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG aus.
In einer E-Mail vom 01.06.2016 teilte der Kläger mit, dass er erst bei Beantragung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis von der E-Mail seines Lebenspartners erfahren habe. Sie würden nach wie vor unter einem Dach leben und aufgrund von Problemen in der Lebenspartnerschaft habe er bereits einen Termin bei einem Paartherapeuten vereinbart.
Kläger sah die Beziehung als fortbestehend an und verlangte die Aufenthaltserlaubnis
Bei einer gemeinsamen persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 11.08.2016 erklärte der Lebensgefährte schriftlich, dass die Lebenspartnerschaft nicht mehr bestehe und die endgültige Trennung am 03.03.2016 erfolgt sei. Der Kläger hingegen erklärte schriftlich, dass die Lebenspartnerschaft fortbestehe und es lediglich normale Probleme und Differenzen innerhalb der Beziehung gebe.
Der Kläger bestätigte, dass er derzeit keiner Beschäftigung nachgehe und seit August 2016 bei der Bundesagentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldet sei.
Mit Bescheid vom 21.10.2016 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 21.04.2016 ab (Nr. 1). Der Kläger habe das Bundesgebiet bis zum 30.11.2016 zu verlassen (Nr. 2). Sollte er die Ausreisefrist schuldhaft und erheblich überschreiten, könne ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von bis zu einem Jahr für die Bundesrepublik Deutschland sowie die Schengener-Staaten angeordnet werden (Nr. 3). Sollte der Kläger nicht fristgerecht ausreisen, werde er nach Thailand abgeschoben. Die Abschiebung könne auch in einen anderen Staat erfolgen, in den der Kläger einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (Nr. 4).
Für die Ausländerbehörde war die Beziehung der Partner zu kurz für eine Verlängerung
Als Begründung führte die Beklagte an, dass nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts des Klägers nach § 31 Abs. 1 AufenthG entfallen seien. Insbesondere habe die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seinem Ehegatten nicht mindestens drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden. Ein Fall der besonderen Härte im Sinne von § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sei nicht anzunehmen.
Der Kläger hat am 28.11.2016 durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage erhoben und beantragt die Aufhebung des Bescheides und die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis durch die Beklagte. Er begründete die Klage damit, dass ein Antrag auf Aufhebung der Lebenspartnerschaft bis heute nicht gestellt sei und sie nach wie vor zusammenleben würden. Sein Lebenspartner leide unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung und versuche, ihn zwanghaft zu kontrollieren, was zu Spannungen in ihrer Beziehung und zu den Angaben gegenüber der Beklagten geführt habe.
Urteil des Verwaltungsgerichts München:
Verwaltungsgericht folgt der Ansicht des Klägers
Die Klage sei zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21.10.2016 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Der Kläger habe einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis bis zum 30.06.2017 aus familiären Gründen.
Nach Ansicht des Gerichts bestehe die eheliche Lebensgemeinschaft des Klägers mit seinem Lebenspartner nicht, weshalb die Voraussetzungen der §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt seien.
Der Kläger hat ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 AufenthG
Allerdings ergebe sich ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aus § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG, wonach die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Fall der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert werde, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden habe und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU gewesen sei.
Nach Überzeugung des Gerichts habe die eheliche Lebensgemeinschaft mehr als drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden.
Die Lebenspartnerschaft sei am 22.03.2013 geschlossen worden, die Trennung sei nach Angaben des Lebenspartners schon am 03.03.2016 erfolgt. Unter Berücksichtigung dieses Trennungszeitpunkts wäre die dreijährige Ehebestandszeit nicht erreicht gewesen.
Dass die Trennung nicht schon am 03.03.2016, sondern erst am 21.04.2016 vorlag, ergebe sich aus den mündlichen Aussagen des Klägers sowie seines Lebenspartners gegenüber dem Gericht. Danach habe der Lebenspartner dem Kläger erst am 21.04.2016 sowie nochmals der Beklagten den Trennungswunsch offenbart. Vorher habe einfach „Funkstille“ zwischen den beiden geherrscht.
Auch der betroffene Partner muss vom Trennungswillen erfahren haben
Da die eheliche Wohnung beibehalten wurde, müsse der Trennungswille nach außen erkennbar sein, und auch der betroffene Partner müsse von diesem ausdrücklichen Trennungswillen erfahren haben. „Funkstille“ zwischen den Lebenspartnern reiche insoweit nicht aus.
Demzufolge gehe das Gericht davon aus, dass die auch nach außen hin und für den Kläger selbst erkennbare dauernde Trennung erst am 21.04.2016 stattgefunden habe. Die dreijährige Ehebestandszeit bei zugleich rechtmäßigem Aufenthalt sei dadurch erreicht.
Der Kläger habe somit einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr bis zum 30.06.2017. Der Bescheid der Beklagten sei aufzuheben.
Quelle: Verwaltungsgericht München
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