Verwaltungsgericht München, 30.03.2017, Az.: M 10 K 16.3087
Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, vgl. § 839 Abs.1 BGB. Art. 34 GG bestimmt dabei, dass die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft trifft, in deren Dienst er steht. Ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Staat oder die öffentlich-rechtliche Körperschaft kann also nur dann bestehen, wenn in Ausübung eines öffentlichen Amtes, bei hoheitlicher Tätigkeit eine Pflichtverletzung begangen wird. Diese Pflichtverletzung kann generell die verschiedensten öffentlichen Rechtsnormen tangieren. Auch die Bearbeitung eines Visumsantrags bildet ein Rechtsverhältnis, in dem es zu solchen Pflichtverletzungen kommen kann. Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist jedoch, dass es einer Drittgerichtetheit bedarf, die dafür sorgen soll, dass es nicht zum Ersatz eines entfernten Drittschadens kommt. Ausgelegt wird diese Drittgerichtetheit danach, ob die Amtspflicht ihren Sinn und Zweck nach den verpflichteten Hoheitsträger und den Bürger in einen näheren Kontakt zueinander bringt. Zudem bedarf es eines Verschuldens des Beamten und einen auf der Pflichtverletzung beruhenden kausalen Schaden.
Im nachstehenden Urteil bestimmt das Verwaltungsgericht München, dass die Drittgerichtetheit nicht den Mann einer Visumsantragstellerin betrifft, sondern allenfalls sie selbst und auch eine Drittwirkung ihm gegenüber ausscheidet. Der Kläger hatte nämlich im vorliegenden Fall Schadensersatz geltend machen wollen, da er der Meinung war, für alle in seinem Glauben bestehende und andere Jahresfeste, die er wegen der Dauer der Antragsbearbeitung nicht mit seiner Frau verbringen konnte, eine Entschädigung in Geld erhalten zu müssen.
Einleitung des Verfahrens: Klage beim Bundesverwaltungsgericht
Der Kläger, ein deutscher Staatsbürger, erhob am 18. Mai 2016 beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Klage. Er begehrte darin ohne förmliche Antragstellung eine verbindliche schriftliche Erlaubnis für seine Ehefrau, eine indische Staatsbürgerin, zu ihm nach Deutschland einreisen zu dürfen. Zusätzlich forderte er Schadensersatz in Höhe von 50.000 Euro von der Bundesrepublik Deutschland für alle entstandenen und noch entstehenden Kosten aufgrund der zögerlichen Behandlung des Visumantrags seiner Ehefrau durch die deutsche Botschaft in Indien.
Verweisung der Klage an das Bayerische Verwaltungsgericht München
Das Bundesverwaltungsgericht verwies den Fall jedoch am 30. Juni 2016 an das Bayerische Verwaltungsgericht München, da es sich für unzuständig erklärte. Der Kläger führte in einem weiteren Schreiben an das Verwaltungsgericht München aus, dass er und seine Frau ein Recht darauf hätten, dass seiner Ehefrau von der deutschen Botschaft in Neu-Delhi ein Visum zum Familiennachzug erteilt werde. Er begründete dies damit, dass er seine Ehefrau am 8. Mai 2016 in Punjab, Indien, nach hinduistischem Ritus geheiratet habe.
Argumentation der Beklagtenseite: Unzulässigkeit und Unbegründetheit der Klage
Der Beklagte, vertreten durch die Bundesrepublik Deutschland, beantragte in seinem Schreiben vom 5. Dezember 2016, die Klage abzuweisen. Er argumentierte, dass die Klage unzulässig sei, da zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 18. Mai 2016 kein Visumsverfahren für die Ehefrau des Klägers anhängig gewesen sei. Ein Antrag auf Visumserteilung sei erst am 21. Juli 2016 gestellt worden. Die Klage sei daher unzulässig, da eine Verpflichtungsklage grundsätzlich einen vorher gestellten und im Verwaltungsverfahren erfolglos gebliebenen Antrag voraussetzt.
Zudem führte der Beklagte an, dass die Klage auch unbegründet sei. Der Visumsantrag sei zusammen mit einer Heiratsurkunde eingereicht worden, die eine Eheschließung nach hinduistischem Ritus am 13. Mai 2016 in Indien dokumentierte. Diese Eheschließung sei jedoch nach indischem Recht ungültig, da sie nach dem Hindu Marriage Act vollzogen worden sei, der nur für Hindus gelte. Weder der Kläger noch seine Ehefrau seien Hindus. Die deutsche Botschaft in Neu-Delhi habe den Kläger und seine Ehefrau darauf hingewiesen, dass eine rechtsgültige Eheschließung nach dem Special Marriage Act erfolgen müsse. Da keine gültige Eheschließung vorlag, habe der Visumsantrag abgelehnt werden müssen.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts München: Abweisung der Klage
Das Verwaltungsgericht München lehnte die Anträge des Klägers auf Verpflichtungserklärung durch den Freistaat Bayern über ein Visum für seine Frau zur sofortigen Einreise nach Deutschland sowie auf eine Eheschließung in Deutschland mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 ab. Es begründete dies damit, dass der Kläger keine weitergehenden Rechte mehr geltend machen könne, da sich seine Ehefrau bereits im Bundesgebiet aufhalte und ein Visum erhalten habe. Der Kläger erklärte in einem Schreiben vom 23. Februar 2017, dass sich das Klageverfahren insoweit erledigt habe, als seine Frau das Visum erhalten habe und sich mittlerweile in Deutschland aufhalte. Eine offizielle Erledigungserklärung in der Hauptsache gab er jedoch auf Bitten des Gerichts nicht ab.
Schadensersatzforderungen des Klägers: Emotionaler Schaden und Entschädigungsanspruch
Der Kläger hielt seine Schadensersatzforderungen in Höhe von insgesamt 127.320 Euro jedoch weiterhin aufrecht. In einem Schreiben vom 13. März 2017 forderte er Schadensersatz wegen der psychischen Belastungen, die ihm durch die von den deutschen Behörden erzwungene Zeit des Alleinlebens entstanden seien. Er verlangte Entschädigung für jede aufgrund der Verzögerungen allein verbrachte Feierlichkeit, darunter 7.320 Euro für die Zeit des Alleinlebens (30 Euro pro Tag), 25.000 Euro für einen allein verbrachten Geburtstag im August 2016, 15.000 Euro für das hinduistische Fest Karwa Chauth, 10.000 Euro für das Lichterfest Diwali, 50.000 Euro für Weihnachten 2016 und 20.000 Euro für Silvester/Neujahr 2016.
Urteil des Verwaltungsgerichts: Unzulässigkeit und Unbegründetheit der Klage
Das Verwaltungsgericht München entschied, dass die Klage insgesamt unzulässig und unbegründet sei. Es stellte fest, dass das Gericht nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2016 zwar örtlich und sachlich zuständig sei, die Klage jedoch am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis scheitere. Da die Ehefrau des Klägers bereits nach Deutschland eingereist sei, könne der Kläger mit seiner Klage keine weitergehenden Rechte mehr durchsetzen.
Auch die Schadensersatzforderungen des Klägers wurden abgelehnt. Das Gericht stellte fest, dass eine Amtspflichtverletzung durch die deutsche Botschaft in Neu-Delhi nicht vorliege. Ein Pflichtenverhältnis gegenüber dem Kläger, das einen Schadensersatzanspruch rechtfertigen würde, existiere nicht. Ein solches Pflichtenverhältnis könnte höchstens gegenüber der Ehefrau des Klägers bestanden haben, nicht jedoch gegenüber dem Kläger selbst. Zudem sei kein bezifferbarer Schaden entstanden, der eine Entschädigung rechtfertigen würde. Das Gericht verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der eine Geldentschädigung nur bei besonders schweren Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Betracht kommt. Ein solcher schwerwiegender Eingriff sei im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben.
Das Gericht stellte fest, dass die deutsche Botschaft korrekt gehandelt habe, indem sie die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums sorgfältig geprüft habe. Da die Eheschließung nach hinduistischem Ritus nach indischem Recht ungültig gewesen sei, habe die Botschaft den Visumsantrag zu Recht abgelehnt. Die Entscheidung der Botschaft habe auf einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung basiert, sodass kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Vorgehen der Botschaft und den vom Kläger geltend gemachten Schäden bestehe.
Da auch keine weiteren Voraussetzungen für einen Amtshaftungsanspruch vorlagen, wurde die Klage des Klägers vollständig abgewiesen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München stellte klar, dass die Klage sowohl unzulässig als auch unbegründet sei.
Quelle: Verwaltungsgericht München
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