Hintergrund des Falls
Der Kläger, ein 1998 geborener afghanischer Staatsangehöriger, beantragte am 20. Juli 2022 ein Visum zum Familiennachzug zu seinem Vater, der seit 2021 mit humanitärer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland lebt. Der Antrag wurde von der zuständigen deutschen Botschaft in Teheran am 7. Mai 2023 abgelehnt. Der Kläger, der nach eigenen Angaben in prekären Verhältnissen im Iran und später in der Türkei lebte, erhob gegen diese Entscheidung Klage. Er argumentierte, dass ihm aufgrund der drohenden Verfolgung durch die Taliban in Afghanistan sowie der prekären Lebensbedingungen im Iran und der Türkei ein Anspruch auf Familienzusammenführung zustehe.
Entscheidung des Gerichts
Das Verwaltungsgericht entschied, dass die Klage des Klägers zwar zulässig, aber unbegründet sei. Der angefochtene Bescheid der Botschaft sei rechtmäßig, und der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung des Visums. Das Gericht stellte fest, dass die Voraussetzungen für einen Familiennachzug nach § 36 Abs. 2 AufenthG nicht vorlägen. Da der Kläger volljährig sei, gelte er als „sonstiger Familienangehöriger“, und es müsse eine außergewöhnliche Härte vorliegen, um ein Visum zu erteilen. Eine solche Härte sei jedoch nicht nachgewiesen.
Prüfung der außergewöhnlichen Härte
Das Gericht führte aus, dass eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 AufenthG nur in seltenen Fällen vorliege, in denen der schutzbedürftige Angehörige auf familiäre Lebenshilfe dringend angewiesen sei. Der Kläger könne ein eigenständiges Leben führen und habe gezeigt, dass er auch in schwierigen Situationen zurechtkomme, zum Beispiel durch seine Arbeit in einer Schneiderei in der Türkei. Auch die schlechten wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in Afghanistan reichten nicht aus, um eine außergewöhnliche Härte zu begründen.
Ablehnung eines Anspruchs aus humanitären Gründen
Das Gericht prüfte auch, ob der Kläger einen Anspruch auf Erteilung eines Visums aus dringenden humanitären Gründen gemäß § 22 AufenthG habe. Es wurde jedoch festgestellt, dass keine Ermessensreduzierung auf null vorliege und die Entscheidung der Beklagten, nur den minderjährigen Kindern des Vaters Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen, sachlich gerechtfertigt sei. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Mutter des Klägers, die möglicherweise einen solchen Anspruch begründen könnte, wurde weder ausreichend dargelegt noch durch ärztliche Atteste belegt.
Berücksichtigung kultureller und familiärer Aspekte
Das Gericht wies das Argument des Beigeladenen zu 2 zurück, wonach es im afghanischen Kulturkreis üblich sei, dass Eltern für ihre Kinder bis zur Verheiratung verantwortlich bleiben, unabhängig vom Alter. Diese kulturellen Gepflogenheiten könnten nicht die gesetzlichen Anforderungen für den Familiennachzug von volljährigen Angehörigen ersetzen. Auch das Interesse des Klägers, sich seiner Familie in Deutschland anzuschließen, rechtfertige keine Ausnahme von den strengen gesetzlichen Vorgaben.
Gesamtwürdigung und abschließende Entscheidung
In der Gesamtbetrachtung der Umstände wies das Gericht darauf hin, dass der Kläger und seine Familie theoretisch die Möglichkeit hätten, eine Zusammenführung durch das Berliner Landesprogramm für afghanische Flüchtlinge zu erreichen. Allerdings sei nicht nachvollziehbar, warum keine Anstrengungen unternommen wurden, um den Lebensunterhalt der Familie eigenständig zu sichern. Da keine außergewöhnlichen Härtefallgründe vorlägen und auch kein Anspruch aus humanitären Gründen bestünde, wies das Gericht die Klage ab.
Fazit
Das Verwaltungsgericht stellte klar, dass ein Familiennachzug für volljährige Kinder nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich ist. In diesem Fall waren weder die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Afghanistan noch die prekären Lebensumstände des Klägers in der Türkei ausreichend, um eine außergewöhnliche Härte oder dringende humanitäre Gründe zu begründen. Somit wurde der Antrag auf Familiennachzug abgelehnt.
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