Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, 25.09.2014, Az.: 8 LC 163/13
Gemäß § 66 Abs. 1 AufenthG hat ein ausländischer Staatsangehöriger diejenigen Kosten zu tragen, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen.
Diese Regelung findet insbesondere immer dann Anwendung, wenn ein Ausländer nach seiner Abschiebung versucht, nochmals in das Bundesgebiet einzureisen. Grundsätzlich versucht die Behörde dann nämlich immer vor der erneuten Einreise des Ausländers, zunächst die Begleichung der Abschiebungskosten zu erreichen.
Fraglich ist, ob auch ausländische Staatsangehörige, welche zum Zeitpunkt ihrer ersten Einreise und/oder ihrer Abschiebung minderjährig waren, zur Begleichung ihrer Abschiebekosten herangezogen werden können.
Dem könnte nämlich insbesondere § 1629a BGB, die Beschränkung der Minderjährigenhaftung, entgegenstehen.
Diese mit dem Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger vom 25.08.1998 (BGBl I 1998, 2847) in das BGB eingefügte Bestimmung beschränkt die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für ihr Kind begründet haben, auf das Vermögen des Kindes, das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhanden ist.
Ziel des Gesetzes ist es, dem Kind den Start in die Volljährigkeit ohne Schulden zu ermöglichen.
In dem oben genannten Fall des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hatte dieses darüber zu entscheiden, ob eine serbische Staatsangehörige, welche bei ihrer ersten Einreise nach Deutschland neun Jahre und bei ihrer Abschiebung sechzehn Jahre alt war, zur Begleichung der Abschiebekosten herangezogen werden durfte.
Einleitung und Hintergrund
Die Klägerin, eine serbische Staatsangehörige, reiste 1995 im Alter von neun Jahren zusammen mit ihrer Familie in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Nachdem das Asylverfahren negativ verlief, wurde sie im Jahr 2002 im Alter von sechzehn Jahren nach Serbien abgeschoben. Im Jahr 2012 kehrte sie nach Deutschland zurück, heiratete einen deutschen Staatsangehörigen und erhielt eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen. Im Juni 2012 forderte die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen die Klägerin zur Zahlung der Abschiebungskosten in Höhe von etwa 600 Euro auf.
Klage vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg
Die Klägerin legte Klage gegen den Kostenbescheid beim Verwaltungsgericht Oldenburg ein. Sie argumentierte, dass sie zum Zeitpunkt der Einreise minderjährig gewesen sei und keinen Einfluss auf die Einreise oder die spätere Abschiebung gehabt habe. Das Verwaltungsgericht Oldenburg wies die Klage ab und begründete dies mit dem Wortlaut des § 66 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), der besagt, dass ein Ausländer die Kosten seiner Abschiebung tragen muss. Die Kostenpflicht setzt nicht voraus, dass der Ausländer bei der Abschiebung volljährig ist. Auch die Minderjährigenhaftung gemäß § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei hier nicht anwendbar.
Berufung vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht
In der Berufung wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht das Rechtsmittel der Klägerin ebenfalls ab. Es stützte seine Entscheidung auf die §§ 66 Abs. 1, 67 Abs. 1 und 3 AufenthG. Nach § 66 Abs. 1 AufenthG habe der Ausländer die Kosten seiner Abschiebung zu tragen. Die Klägerin wurde am 11. Dezember 2002 abgeschoben, und diese Abschiebung begründet die Kostenpflicht.
Anwendung des § 1629a BGB und Minderjährigenhaftung
Das Gericht stellte fest, dass die Regelung des § 1629a Abs. 1 BGB, die Minderjährige vor fremdverantworteten Verbindlichkeiten schützen soll, im vorliegenden Fall nicht greift. Zwar sieht § 1629a BGB vor, dass die Haftung eines volljährig gewordenen Kindes für Verbindlichkeiten, die während der Minderjährigkeit durch die Eltern begründet wurden, auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen beschränkt werden kann. Diese Regelung findet im vorliegenden öffentlich-rechtlichen Verhältnis jedoch keine unmittelbare Anwendung, sondern nur in analoger Form.
Handlungsfähigkeit und Verantwortlichkeit der Klägerin
Das Gericht erkannte an, dass die Nichtbefolgung der Ausreisepflicht eine „sonstige Handlung“ im Sinne des § 1629a BGB darstellt. Allerdings wurde diese Handlung nicht von den Eltern der Klägerin verantwortet, sondern von der Klägerin selbst. Zum Zeitpunkt der Abschiebung war sie sechzehn Jahre alt und somit gemäß § 80 Abs. 1 AufenthG voll handlungsfähig. Daher traf die Ausreisepflicht die Klägerin selbst und nicht ihre Eltern. Der Schutz des § 1629a BGB greift nicht für Folgen, die aus eigenem Handeln des Minderjährigen resultieren.
Besondere Umstände und Entscheidung des Gerichts
Das Gericht wies darauf hin, dass die Haftungsbeschränkung nach § 1629a BGB nur dann anwendbar sein könnte, wenn die Eltern durch die Ausübung ihres Aufenthaltsbestimmungsrechts eine freiwillige Ausreise der Minderjährigen verhindert hätten. Solche Umstände lagen jedoch im vorliegenden Fall nicht vor. Daher bleibt die Klägerin für die Kosten der Abschiebung verantwortlich.
Schlussfolgerung: Minderjährige war zur Zahlung der Abschiebekosten verpflichtet
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Oldenburg und wies die Berufung der Klägerin ab. Die Klägerin ist somit zur Zahlung der Abschiebungskosten verpflichtet, da die Minderjährigenhaftung gemäß § 1629a BGB in diesem Fall nicht greift. Das Urteil verdeutlicht, dass die Kostenpflicht einer Abschiebung auch dann besteht, wenn die betroffene Person zum Zeitpunkt der Abschiebung minderjährig war und die Verantwortung für die Abschiebung selbst trägt.
Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.
Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine Email an info@mth-partner.de
Rechtsanwälte in Köln beraten und vertreten Sie im Ausländerrecht.