Ausländerrecht: Zur Identitätsfeststellung bei der Einbürgerung

Verwaltungsgericht Stuttgart, 14.02.2017, Az.: 11 K 5514/16

Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist, vgl. § 8 Abs.1 StAG. Zudem legt § 10 StAG weitere Voraussetzungen fest, dies betrifft insbesondere die zeitlichen Voraussetzungen.

BVerwG Identitäsprüfung

 

Identitätsfeststellung ist ebenfalls Voraussetzung der Einbürgerung

Fest steht jedoch, dass dies nur dann gelingen kann, wenn die Identität des Antragsstellers eindeutig geklärt ist. Dies wird im besten Fall durch öffentliche Dokumente seines Heimatsstaates belegt (am geeignetsten sind Personenstandsurkunden mit Lichtbild). Geeignet sind dabei neben der Geburtsurkunde und dem Reisepass aber auch Dokumente wie ein Führerschein, Dienstausweis oder sogar ein Schulzeugnis.

Im nachfolgenden Fall stellt das Verwaltungsgericht Stuttgart klar, dass eine Anerkennung als Flüchtling nur insoweit nach § 4 Satz 1AsylVfG a.F. (jetzt §6 Satz 1 AsylG) Bindungswirkung entfaltet, als alle staatlichen Instanzen von der Asylberechtigung ausgehen müssten, nicht jedoch von einer geklärten Identiät. Gleiches gelte für eine erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Deren Tatbestandswirkung erstrecke sich nur hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des dauerhaften Aufenthalts, nicht jedoch hinsichtlich etwaiger Angaben zur Person.

1. Einreise und Asylstatus des Klägers

Der Kläger, ein eritreischer Staatsangehöriger, wurde nach eigenen Angaben 1968 in Asmara, Eritrea, geboren. Er reiste am 21. April 1980 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er zunächst bei einer Pflegefamilie lebte. Der Kläger beantragte Asyl, doch sein erster Antrag wurde abgelehnt. Nach einem Folgeantrag wurde er jedoch vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch gerichtliche Verpflichtung als Asylberechtigter anerkannt. Am 4. Dezember 1984 erhielt der Kläger schließlich einen positiven Asylbescheid und besitzt seit dem 29. Januar 1985 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Der Bescheid, der ihm den Asylstatus gewährte, wurde jedoch am 7. März 2003 widerrufen. Das Bundesamt stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter nach § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) nicht mehr gegeben seien.

2. Antrag auf Einbürgerung und Schulische Laufbahn

Nach seiner Einreise absolvierte der Kläger die Grund- und Hauptschule im Bundesgebiet und begann eine Lehre, die er jedoch im zweiten Lehrjahr abbrach. Am 10. Februar 2014 stellte der Kläger einen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Laut dem Bundeszentralregister gibt es zum Stichtag, dem 18. Juni 2014, keine Einträge über den Kläger. Im September 2014 legte er gegenüber der Landeshauptstadt Stuttgart eine Bekenntnis- und Loyalitätserklärung ab und informierte im Oktober 2015 darüber, dass er eine Umschulung zur „Fachkraft für Metalltechnik mit der Fachrichtung Montagetechnik“ begonnen habe. Während der Zeit von Juli 2015 bis Juli 2016 bezog er Arbeitslosengeld I. Der Kläger betonte, dass seine Identität eindeutig sei, da er seit seiner Einreise stets die gleichen Personalien angegeben habe. Auch sein Onkel, der mit ihm eingereist war, habe keine abweichenden Angaben gemacht. Er lebe seit über 35 Jahren unter denselben Personalien in Deutschland.

3. Schwierigkeiten bei der Beschaffung einer Geburtsurkunde

Die Landeshauptstadt Stuttgart forderte den Kläger auf, eine Geburtsurkunde aus Eritrea vorzulegen. Der Kläger hielt dies für unzumutbar. Er verwies auf eine Mitteilung der eritreischen Botschaft in Berlin vom 21. Oktober 2014, nach der für die Ausstellung einer Geburtsurkunde ein eritreischer Personalausweis erforderlich sei, den er jedoch nicht besitze. Zudem müsse er drei Zeugen benennen, die mindestens 40 Jahre alt sind und ebenfalls einen eritreischen Ausweis besitzen. Diese Voraussetzungen könnten nicht erfüllt werden. Da er vor der Unabhängigkeit Eritreas geboren sei, gestalte sich die Beschaffung einer Geburtsurkunde als besonders schwierig. Weiterhin erklärte er, dass er nicht getauft sei und daher auch keine Taufurkunde vorlegen könne. Um eritreische Urkunden zu erhalten, müsse er eine rückwirkende „Aufbausteuer“ in Höhe von zwei Prozent seines Nettoeinkommens an den Staat Eritrea zahlen, was er als rechtswidrig bezeichnete.

Am 10. Dezember 2015 gab der Kläger eine eidesstattliche Versicherung ab, in der er erklärte, er heiße J.H. und sei 1968 in Asmara geboren. Die Landeshauptstadt Stuttgart lehnte den Antrag auf Einbürgerung jedoch mit Bescheid vom 18. März 2016 ab. Sie argumentierte, dass der Kläger seit dem Widerruf seiner Asylberechtigung 2004 verpflichtet gewesen sei, sich einen Nationalpass zu beschaffen, was er bislang nicht getan habe. Daher sei seine Identität nicht geklärt.

4. Widerspruch und eidesstattliche Erklärung der Mutter

Am 24. März 2016 legte der Kläger Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid ein. Seine Mutter, die angab, 1933 in Asmara geboren zu sein, erklärte in einer eidesstattlichen Versicherung vom 26. Juli 2016, dass der Kläger ihr Sohn sei, der 1968 in Asmara geboren wurde und aus der Ehe mit Herrn H.A. hervorgegangen sei. Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Widerspruch jedoch mit Bescheid vom 10. August 2016 zurück. Es führte aus, dass die Klärung offener Identitätsfragen eine notwendige Voraussetzung für die Einbürgerung darstelle und unverzichtbar für die Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen gemäß § 10 und § 11 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) sei.

5. Klageerhebung und mündliche Verhandlung

Am 8. September 2016 erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Er führte aus, dass er 1968 in Asmara geboren wurde, als Eritrea noch zu Äthiopien gehörte. Eritrea wurde erst 1993 unabhängig. Der Kläger erklärte, dass er bis 1980 in Asmara lebte, bevor er drei Monate in Khartum, Sudan, verbrachte und schließlich nach Deutschland flüchtete. Er betonte erneut, dass er keine Ausweispapiere aus Äthiopien oder Eritrea besitze und nicht in der Lage sei, solche zu beschaffen. Nur sein Onkel könne seine Identität bestätigen. Seine Mutter sei bereits vor Jahren aus Eritrea geflohen und besitze selbst keinen eritreischen Reisepass.

In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger an, dass er im September 2015 eine Umschulung begonnen habe, die im Januar 2017 endete. Zuvor war er zwei Jahre und drei Monate über eine Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Momentan sei er arbeitslos, habe sich jedoch bei verschiedenen Firmen beworben. Im Jahr 2000 reiste er mit seinem blauen Ausweis nach Asmara, um seine Eltern zu besuchen.

6. Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart

Das Verwaltungsgericht Stuttgart erklärte die Klage für unbegründet. Es stellte fest, dass die Bescheide der Landeshauptstadt Stuttgart und des Regierungspräsidiums Stuttgart den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einbürgerung, da seine Identität nicht geklärt sei, was eine zwingende Voraussetzung gemäß § 8 und § 10 StAG darstelle. Die Identitätsprüfung sei im Gesetz zwar nicht ausdrücklich festgelegt, werde aber vorausgesetzt. Fehlen geeignete Dokumente zum Nachweis der Identität, müsse diese spätestens zum Zeitpunkt der Einbürgerungsentscheidung geklärt sein. Die Identität gelte dann als geklärt, wenn keine Verwechslungsgefahr besteht und die Personalien des Einbürgerungsbewerbers eindeutig feststehen. Der Einbürgerungsbewerber trage die Beweislast für die Klärung seiner Identität.

Die Identität des Klägers sei nicht in einem vorangegangenen Verfahren verbindlich festgestellt worden. Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge von 1984 entfalte keine Bindungswirkung hinsichtlich der Identität. Auch der 1985 erteilte Reiseausweis für Flüchtlinge enthalte keinen Vermerk zur Identitätsprüfung. Daher sei eine Identitätsprüfung im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens zwingend erforderlich. Da der Kläger die notwendigen Dokumente bisher nicht vorgelegt habe, bleibe seine Identität ungeklärt. Die eidesstattlichen Versicherungen des Klägers und seiner Mutter seien keine amtlichen Dokumente und daher unzureichend.

Das Gericht entschied, dass die Einbürgerung aufgrund der ungeklärten Identität nicht erfolgen könne. Der Kläger habe keine rechtlichen Ansprüche auf eine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG oder § 8 Abs. 1 StAG, solange seine Identität ungeklärt sei. Eine Härtefallregelung für die Beschaffung von Identitätsnachweisen sei gesetzlich nicht vorgesehen. Die Klage wurde daher abgewiesen.

Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart

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8 Antworten

  1. Soll den Familienstand für die Einbürgerung geklärt werden ?
    Beim BAMF habe ich gesagt, dass ich ledig bin. Bei der Ausländerbehörde steht aus versehen beim ersten Anmeldeantrag, dass ich Verheiratet bin. Ist die Eidesstattiche versicherung in diesem Fall genuck?

  2. Mein Name ist Kald abdu ,ich habe schon unbefris Aufenthal ,aber ich habe auch für einbürgerung antrag gestellt.Ich habe schon mein Geburserkunden, schule zeugnes ,führschein abgegeben.Die Ausländerbehörder hat mir gesagt das reicht nicht aus.Ich muss aus Eritrea eine Reise pass habe und muss ich zu Boschaft gehen .Ich kann nicht auch zu Eri Boschaft gehen .Mus ich zu Eritrea Boschaft gehen ,um meine Identität zu erklärung?

    1. Sehr geehrter Herr Abdu,

      Sie müssen alles Ihnen Zumutbare machen, um Ihre Identität zu bestätigen. Somit müssen Sie es zumindest bei der Botschaft probieren.

      Mit freundlichen Grüßen
      Rechtsanwalt Tieben

  3. Ich möchte die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen und werde nach einer Geburtsurkunde mit Geburtsort gefragt. Ich habe zwei Geburtsurkunden und auf keiner ist der Geburtsort angegeben. Welche Möglichkeiten habe ich hier?

    1. Sehr geehrter Fragesteller, können Sie irgendwelche anderen offiziellen Urkunden finden, die auf Ihren Geburtsort hinweisen? Ansonsten müssten noch andere Dokumente (eidesstattliche Versicherungen), etc. beigebracht werden.

      Mit freundlichen Grüßen
      Rechtsanwalt Tieben

  4. Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin seit 10 Jahren in Deutschland und möchte die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Einbürgerungsbehörde sagte mir, dass ich noch eine legalisierte Geburtsurkunde benötige, obwohl ich einen gültigen Nationalpass habe. ist dies gesetzlich zulässig? ich bitte um Antwort. Vielen Dank.

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