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Ausländerrecht: Zur Reichweite der Verpflichtungserklärung für syrische Flüchtlinge

Verwaltungsgericht Köln, 19.04.2016, Az.: 5 K 79/16

Die Verpflichtungserklärung ist die schriftliche Zusicherung einer Privatperson, für den Unterhalt eines Ausländers aufkommen zu wollen. Es handelt sich dabei um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Verpflichtungserklärung bedarf der Schriftform (§ 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) und ist gegenüber der Ausländerbehörde zu erklären und von dem Gastgeber bei der  Ausländerbehörde persönlich zu unterschreiben.

Mit der Unterschrift haftet der Verpflichtungsgeber für den Lebensunterhalt des Ausländers inklusive allen Grundbedürfnisse, wie Ernährung, Bekleidung und Wohnraum, sowie für die Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit. Die Verpflichtung kann bei Bedarf auch die Ausreisekosten (z. B. Flugkosten) umfassen, wenn der Ausländer diese nicht selber tragen kann.

Darüber hinaus sind von der Verpflichtungserklärung auch die Kosten einer eventuell notwendigen zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung z. B. Abschiebung gem. §§ 66 u. 67 Aufenthaltsgesetz erfasst. Dazu gehören z. B. Beförderungs- und Reisekosten, notwendige Begleiter-, Übersetzungs-, Verpflegungs- und Haftkosten. Unter Umständen können somit ganz erhebliche Kosten von dem Verpflichtungsgeber zu zahlen sein.

Verpflichtungserklärung

In dem hier besprochenen Fall des Verwaltungsgerichts Köln hatte dieses darüber zu entscheiden, ob ein Verpflichtungsgeber, welcher eine Verpflichtungserklärung für zwei syrische Flüchtlinge abgegeben hatte, dem Jobcenter diejenigen Leistungen zu erstatten hatte, welche das Jobcenter an die Flüchtlinge zahlte.

(Ein weitere ganz ähnlicher Fall wurde am 01.03.2016 durch das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschieden (Az.: 22 K 7814/15))

Hintergrund: Verpflichtungserklärung für syrische Flüchtlinge

Der Kläger im vorliegenden Fall gab am 6. Mai 2014 eine Verpflichtungserklärung gemäß § 68 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) bei der Ausländerbehörde der Stadt Leverkusen ab. Mit dieser Erklärung verpflichtete er sich, die Kosten für den Lebensunterhalt von zwei syrischen Staatsangehörigen, K. und C. X., zu übernehmen, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Türkei aufhielten. Die Erklärung war Teil einer humanitären Maßnahme, die darauf abzielte, syrischen Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, sofern ein in Deutschland lebender Verwandter für ihren Lebensunterhalt aufkommt.

Die Verpflichtungserklärung legte fest, dass die finanzielle Verpflichtung des Klägers vom Zeitpunkt der Einreise der syrischen Staatsangehörigen bis zur Beendigung ihres Aufenthalts oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck gelten sollte. Die beiden Syrer reisten am 8. September 2014 mit einem Visum, das von der deutschen Botschaft in Ankara ausgestellt worden war, nach Deutschland ein. Am 15. Dezember 2014 erhielten sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG, die bis zum 14. Dezember 2016 gültig war.

Asylantrag und Anerkennung als Flüchtlinge

Am 5. Mai 2015 stellten die beiden Syrer Asylanträge in Deutschland. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erkannte ihnen in Bescheiden vom 23. Juli 2016 und 11. August 2016 die Flüchtlingseigenschaft zu, was ihnen einen gesicherten Aufenthalt in Deutschland ermöglichte. Infolge dieser Anerkennung erhielten die beiden syrischen Staatsangehörigen Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG, die jedoch zu einer rechtlichen Diskussion über die Dauer und Reichweite der vom Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärung führte.

Im Zeitraum vom 1. September 2015 bis 30. November 2015 gewährte das Jobcenter Leverkusen den beiden Flüchtlingen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) in Höhe von jeweils 1.706,55 Euro. Diese Leistungen dienten der Sicherung ihres Lebensunterhalts, da sie über keine eigenen Mittel verfügten.

Forderung des Jobcenters und rechtliche Schritte

Das Jobcenter Leverkusen forderte den Kläger am 10. Dezember 2015 auf, den Betrag von 1.706,55 Euro, der einem der beiden Flüchtlinge gewährt worden war, zu erstatten. Die Forderung beruhte auf der Verpflichtungserklärung, die der Kläger abgegeben hatte. Nach einer entsprechenden Anhörung des Klägers erging der Bescheid, gegen den der Kläger zunächst Widerspruch einlegte. Später erhob er Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln. Ein weiterer Bescheid vom 8. Januar 2016 forderte den Kläger auf, auch die Leistungen für den zweiten Flüchtling in gleicher Höhe zu erstatten, woraufhin der Kläger seine Klage erweiterte.

Der Kläger argumentierte, dass seine Verpflichtung zur Kostenerstattung mit der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und dem Wechsel der rechtlichen Grundlage für den Aufenthalt der Syrer erloschen sei. Er vertrat die Auffassung, dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG als ein Wechsel des Aufenthaltszwecks zu verstehen sei, der seine Verpflichtung beendete.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln: Verpflichtung bleibt bestehen

Das Verwaltungsgericht Köln entschied zugunsten des Jobcenters und stellte fest, dass die Forderungen rechtmäßig waren. Der Kläger müsse die Kosten für den Lebensunterhalt der beiden syrischen Staatsangehörigen erstatten. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf § 68 Abs. 1 AufenthG, wonach derjenige, der eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, alle öffentlichen Mittel zu erstatten hat, die für den Lebensunterhalt des Ausländers aufgewendet werden. Dies gilt auch, wenn diese Mittel aufgrund gesetzlicher Ansprüche des Ausländers gewährt wurden.

Das Gericht betonte, dass die Verpflichtungserklärung des Klägers im Rahmen der Anordnung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums vom 26. September 2013 abgegeben wurde. Diese Anordnung ermöglichte syrischen Staatsangehörigen die Einreise nach Deutschland, wenn sie aufgrund des Bürgerkriegs geflohen waren und Verwandte in Nordrhein-Westfalen hatten, die bereit waren, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Die Anordnung sah ausdrücklich vor, dass der Lebensunterhalt der Syrer durch ihre in Deutschland lebenden Verwandten gesichert sein musste, was durch die Verpflichtungserklärung gewährleistet wurde.

Wechsel des Aufenthaltstitels: Keine Beendigung der Verpflichtung

Das Gericht stellte klar, dass der Wechsel des Aufenthaltstitels der Syrer von § 23 Abs. 1 AufenthG zu § 25 Abs. 2 AufenthG nicht als „Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck“ im Sinne der Verpflichtungserklärung zu werten sei. Der Kläger argumentierte, dass mit dem Wechsel des Aufenthaltstitels seine Verpflichtung erloschen sei, doch das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Es führte aus, dass bei der Auslegung der Verpflichtungserklärung nicht nur die spezifische aufenthaltsrechtliche Vorschrift, sondern der zugrunde liegende Lebenssachverhalt entscheidend sei.

Das Gericht entschied, dass die Verpflichtungserklärung des Klägers so auszulegen sei, dass er sich grundsätzlich verpflichtet habe, den Lebensunterhalt der Syrer für die gesamte Dauer ihres bürgerkriegsbedingten Aufenthalts in Deutschland zu sichern. Der Wechsel des Aufenthaltstitels stellte demnach keinen neuen Aufenthaltszweck dar, sondern war eine Fortführung des ursprünglichen humanitären Anliegens, das zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis führte.

Keine Ermessensentscheidung erforderlich

Das Verwaltungsgericht sah auch keine Notwendigkeit, dass das Jobcenter eine Ermessensentscheidung über die Heranziehung des Klägers treffen musste. Es stellte fest, dass es ständiger Rechtsprechung entspricht, dass derjenige, der eine Verpflichtungserklärung abgibt, in der Regel zur Erstattung der Kosten herangezogen wird. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Voraussetzungen der Aufenthaltsgenehmigung und die finanzielle Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren geprüft wurden und keine Anhaltspunkte für eine unzumutbare Belastung vorliegen.

Das Gericht betonte, dass im vorliegenden Fall kein besonderer Ermessensspielraum bestand, da die Verpflichtung des Klägers klar und eindeutig war. Die Tatsache, dass die syrischen Staatsangehörigen inzwischen anerkannte Flüchtlinge waren, änderte nichts an der Verpflichtung des Klägers, die Kosten zu tragen, die während des Geltungszeitraums der Verpflichtungserklärung entstanden waren.

Fazit und rechtliche Bedeutung

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln unterstreicht die weitreichenden Verpflichtungen, die mit der Abgabe einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG verbunden sind. Es zeigt, dass eine solche Verpflichtung auch dann bestehen bleibt, wenn sich die aufenthaltsrechtliche Situation des begünstigten Ausländers ändert, solange der ursprüngliche Zweck der Einreise fortbesteht. Für Personen, die in Erwägung ziehen, eine Verpflichtungserklärung abzugeben, ist dieses Urteil ein wichtiger Hinweis auf die potenziellen finanziellen Risiken und die langfristigen Konsequenzen einer solchen Erklärung.

Quelle: Verwaltungsgericht Köln

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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Eine Antwort

  1. Guten Tag ich möchte fragen ob die Verpflichtungerklärung endet für die leute dievor den Datum 15.08.2014 nach Deutschland gekommen sind nach 3 Jahre , weil ich habe bei Kreis Herford nach gefragt die haben mir gesagt diese gesetzt ist nicht in NRW , das ist nur in Niedersachsen , Stimmt das ?

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