Ausländerrecht: Zurückweisung eines russischen Staatsangehörigen wegen Falschangaben bei Visabeschaffung

VG München, 04.12.2013, Az.: M 23 S 13.5250

Gemäß § 15 Abs. 1 AufenthG wird ein Angehöriger eines Staates, der nicht der Europäischen Union angehört, an der Grenze zurückgewiesen, wenn dieser unerlaubt einreisen will. Gemäß § 15 Abs. 2 AufenthG kann ein Ausländer an der Grenze dann zurückgewiesen werden, wenn

1.) ein Ausweisungsgrund vorliegt,

2.) der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient,

2a.) er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4 Abs. 3 Satz 1 eine Erwerbstätigkeit auszuüben oder

3.) er die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien nach Artikel 5 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt.

Die aus diesen Gründen erfolgte Einreiseverweigerung/Zurückweisung ist eine unaufschiebbare Maßnahme von Polizeivollzugsbeamten. Dies wiederum bedeutet, dass gegen eine solche Maßnahme zwar ein Widerspruch möglich ist, diesem Widerspruch jedoch keine aufschiebende Wirkung zukommt. Die Einreiseverweigerung/Zurückweisung kann somit durch die Polizeivollzugsbeamten trotz Widerspruchs sofort vollzogen werden.

Wenn der Ausländer also Widerspruch gegen die Einreiseverweigerung/Zurückweisung einlegen will, muss er darüber hinaus nach § 80 Abs. 5 VwGO den Antrag stellen, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zurückweisung anzuordnen, um nicht sofort zurückgewiesen zu werden.

Über einen solchen Antrag hatte in dem oben genannten Beschluss das Verwaltungsgericht München zu entscheiden.

Einreise des Antragstellers und Vorgeschichte

Der Antragsteller, ein russischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2013 von Moskau nach München ein. Bei der Einreisekontrolle legte er einen russischen Reisepass mit einem griechischen Schengen-Visum der Kategorie C vor. Das Visum war von November bis Dezember 2013 gültig und erlaubte eine einmalige Einreise mit einem 14-tägigen Aufenthalt. Während der Befragung durch die Bundespolizei gab der Antragsteller an, dass er im Auftrag der russischen Regierung reise, um an Verhandlungen in Deutschland teilzunehmen. Ihm sei bewusst gewesen, dass die kurze Vorbereitungszeit für die Reise keinen deutschen Visumantrag zugelassen hätte, weshalb seine Mitarbeiter stattdessen ein griechisches Visum beantragt hätten.

Einreiseverweigerung durch die Bundespolizei

Die Bundespolizei verweigerte dem Antragsteller die Einreise nach § 15 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 – Schengener Grenzkodex (SGK). Die Begründung lautete, dass die Einreise ohne gültiges Visum oder Aufenthaltstitel erfolgt sei. Der Antragsteller reichte daraufhin per Fax einen Antrag beim Verwaltungsgericht München ein, um die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zurückweisung anzuordnen. Das Gericht bat die Bundespolizei, von Vollstreckungsmaßnahmen bis zur Entscheidung abzusehen, doch der Antragsteller wurde dennoch im November 2013 zurückgeführt.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts München

Das Verwaltungsgericht München entschied, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zulässig sei. Der Antrag richtete sich gegen eine unaufschiebbare Maßnahme von Polizeivollzugsbeamten im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), gegen die ein Widerspruch zulässig, aber nicht aufschiebend sei. Die Rückführung des Antragstellers machte den Antrag ebenfalls nicht unzulässig, da die Zurückweisung noch nicht als erledigt angesehen wurde.

Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs

Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss das Gericht eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Antragstellers vornehmen. Diese Abwägung berücksichtigt die Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens. Im vorliegenden Fall kam das Gericht nach summarischer Prüfung zu dem Schluss, dass der Widerspruch offensichtlich erfolglos bleiben würde. Daher überwog das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Zurückweisung.

Rechtswidrigkeit des erlangten Schengen-Visums

Nach Auffassung des Gerichts war dem Antragsteller die Einreise nach § 15 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 SGK zu verweigern, da er unerlaubt einreisen wollte. Zwar besaß der Antragsteller ein griechisches Schengen-Visum, dieses sei jedoch durch falsche Angaben erschlichen worden. Der Antragsteller hatte nie vor, nach Griechenland zu reisen, sondern plante von Anfang an eine Einreise nach Deutschland. Die Bundespolizei durfte daher davon ausgehen, dass das Visum betrügerisch erlangt wurde und somit nach Art. 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 – Visakodex – i.V.m. Art. 13 Abs. 6 und Anhang V Teil A SGK zu annullieren war.

Schlussfolgerung des Gerichts

Das Gericht betonte, dass die Bundespolizei ihre Entscheidung unter Zeitdruck vor Ort treffen musste. Der Antragsteller konnte sich auch nicht darauf berufen, dass er keine Kenntnis von den falschen Angaben hatte, da er den Visumantrag selbst unterschreiben und die Belehrungen zur Kenntnis nehmen musste. Da das Visum durch unrichtige Angaben erlangt worden war, war die Einreise gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG unerlaubt. Folglich war der Antragsteller nach § 15 Abs. 1 AufenthG zwingend zurückzuweisen, und es war irrelevant, ob ein Ausweisungsgrund nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i.V.m. Abs. 6 AufenthG vorlag.

Quelle: Verwaltungsgericht München

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