Bundesverwaltungsgericht, 19.04.2011, Aktenzeichen 1 C 2.10
Für den Aufenthalt in Deutschland benötigen Ausländer grundsätzlich einen Aufenthaltstitel, sofern nicht durch das Recht der EU oder aufgrund des Assoziationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei ein Aufenthaltsrecht besteht.
Seit dem 01.01.2005 wird der Begriff des Aufenthaltstitels als Oberbegriff für das Visum, die Aufenthaltserlaubnis, die Niederlassungserlaubnis oder die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG verwendet.
A. Visum
Um nach Deutschland einzureisen, benötigen drittstaatsangehörige Ausländer grundsätzlich ein Visum.
Gemäß § 71 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz sind die Botschaften und Generalkonsulate (Auslandsvertretungen) der Bundesrepublik Deutschland für die Visumerteilung zuständig.
Örtlich zuständig für die Visumerteilung ist die Auslandsvertretung, in deren Amtsbezirk der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. seinen Wohnsitz hat.
Sachlich zuständig ist die Auslandsvertretung desjenigen Schengen-Staates, in dessen Hoheitsgebiet das alleinige oder hauptsächliche Reiseziel liegt.
Für Ausländer bestimmter Staaten bestehen Reiseerleichterungen. So können z. B. EU-Bürger sowie Staatsangehörige von Island, Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz, den USA, Australien, Israel, Japan, Kanada und Neuseeland unabhängig von der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts stets ohne Visum einreisen, auch wenn sie dauerhaft in Deutschland bleiben wollen.
Die Bürger anderer „Drittstaaten“ benötigen unabhängig von der Dauer oder dem Zweck ihres Aufenthaltes stets ein Visum.
Visa für Touristen- oder Besuchsaufenthalte werden in der Regel als sogenannte „Schengen-Visa“ nach den Bestimmungen des Schengener Durchführungsübereinkommens erteilt.
B. Aufenthaltserlaubnis
Um länger in Deutschland zu bleiben, benötigen drittstaatsangehörige Ausländer nach der Einreise eine Aufenthaltserlaubnis.
Die Aufenthaltserlaubnis ist ein zeitlich befristeter Aufenthaltstitel (grundsätzlich für ein Jahr) und wird zu den im Aufenthaltsgesetz genannten Zwecken erteilt (z. B. Aufenthalt zum Zwecke des Studiums, der Ausbildung oder der Forschung, der Ausübung einer Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit, zum Familiennachzug).
C. Niederlassungserlaubnis
Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel und berechtigt ihren Inhaber zum Daueraufenthalt in Deutschland. Neben einem gesicherten Lebensunterhalt und ausreichendem Wohnraum sind der fünfjährige Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Straffreiheit des Antragstellers, ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache sowie Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet Voraussetzung, um die Niederlassungserlaubnis zu erhalten.
D. Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG
Ein neuer Aufenthaltstitel ist die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG, die mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union eingeführt wurde.
Im Gegensatz zur Niederlassungserlaubnis berechtigt die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG zur sogenannten Mobilität ihres Inhabers.
Der Inhaber hat einen Rechtsanspruch darauf, in einem anderen Mitgliedstaat der EU einen längerfristigen Aufenthalt und sogar einen Aufenthalt zur Ausübung einer Beschäftigung zu nehmen.
Die oben genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts behandelte die Frage, ob ein zuvor erteilter Aufenthaltstitel (Niederlassungserlaubnis) nach der Rücknahme einer Einbürgerung wieder auflebt.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens
Der Kläger hatte zunächst eine pakistanische und dann eine deutsche Ehefrau geheiratet.
Der pakistanische Kläger hat sechs Kinder, davon drei mit seiner jetzigen, in Pakistan lebenden Ehefrau und drei mit deutschen Frauen.
Der Kläger reiste erstmals im November 1977 nach Deutschland ein und stellte erfolglos einen Asylantrag. Im März 1982 kehrte er nach Pakistan zurück und heiratete dort im August 1982 seine heutige Ehefrau nach islamischem Ritus.
Im September 1986 erteilte ihm die Deutsche Botschaft in Islamabad ein Visum zum Zweck der Familienzusammenführung, nachdem er unter Vorlage einer Urkunde der „Orthodox Church of Pakistan“ behauptet hatte, eine deutsche Staatsangehörige im August 1986 in Pakistan geheiratet zu haben.
Seine vorausgegangene Eheschließung in Pakistan hatte er dabei nicht angegeben.
1986 reiste er nach Deutschland ein und erhielt zunächst eine befristete, 1989 dann eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Nach der Scheidung heiratete der Kläger eine weitere deutsche Frau.
Die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen wurde 1991 geschieden.
1994 heiratete der Kläger in Dänemark eine weitere Frau deutscher Staatsangehörigkeit.
1998 wurde der Kläger eingebürgert, nachdem er zuvor aus der pakistanischen Staatsangehörigkeit entlassen worden war.
Auch die im Jahr 1994 eingegangene Ehe wurde im Jahr 2000 geschieden.
Basierend auf der Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen wurde der Kläger eingebürgert.
2001 sprach die in Pakistan lebende Ehefrau des Klägers mit ihren drei Kindern bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Islamabad vor und begehrte ein Visum zum Zweck der Familienzusammenführung mit dem Kläger, der ihr Ehemann und Vater der Kinder sei.
Dadurch erhielten die deutschen Behörden Kenntnis von der Ehe in Pakistan. Darüber hinaus wurde bekannt, dass es die „Orthodox Church of Pakistan“ zu keinem Zeitpunkt gegeben hatte.
Die Stadt nahm nach Kenntnis der pakistanischen Ehefrau die Einbürgerung zurück.
Daraufhin nahm die Beklagte die Einbürgerung des Klägers mit Wirkung für die Vergangenheit zurück.
Die hiergegen gerichtete Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.
Daraufhin beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung, woraufhin die Beklagte ihm zunächst einen Reiseausweis für Staatenlose und 2006 eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung des Sorgerechts gegenüber seiner deutschen Tochter erteilte.
Daraufhin beantragte der Kläger die vorherige Aufenthaltsberechtigung (jetzt Niederlassungserlaubnis).
Den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung lehnte die Beklagte jedoch mit der Begründung ab, dass sich die Aufenthaltsberechtigung vom September 1994 durch die Einbürgerung des Klägers nach § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt habe.
Nach Sinn und Zweck der Bestimmung könne sie nicht wieder aufleben. Auch eine neue Niederlassungserlaubnis könne ihm nicht erteilt werden, da er weder seit fünf Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitze, noch sein Lebensunterhalt gesichert sei.
Dies lehnte die Ausländerbehörde wegen Fehlens der Voraussetzungen ab.
Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass die ihm im Jahr 1994 erteilte Aufenthaltsberechtigung als Niederlassungserlaubnis fortgelte, hilfsweise beantragte er die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer (neuen) Niederlassungserlaubnis.
Das Verwaltungsgericht gab der Feststellungsklage zunächst statt, das Oberverwaltungsgericht hob jedoch das mit der Berufung angegriffene Urteil wieder auf.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
Das BVerwG entschied, dass die vorherige Niederlassungserlaubnis die Wirksamkeit verloren hatte.
Das BVerwG folgte der Ansicht des OVG und entschied, dass die dem Kläger erteilte Aufenthaltsberechtigung durch dessen Einbürgerung ihre Wirksamkeit verloren hatte, nicht wieder auflebte und der Kläger keinen Anspruch auf Neuerteilung einer Niederlassungserlaubnis habe.
Nach Ansicht des BVerwG hatte sich die dem Kläger zuvor erteilte Aufenthaltsberechtigung gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Einbürgerung des Klägers im Jahr 1998 auf sonstige Weise erledigt und sei auch durch die Rücknahme der Einbürgerung mit Wirkung für die Vergangenheit nicht wieder aufgelebt.
Für eine neue Niederlassungserlaubnis seien die Voraussetzungen nicht erfüllt.
Auch das Ansinnen des Klägers auf Erteilung einer neuen Niederlassungserlaubnis sei zu Recht abgelehnt worden, da die dafür erforderlichen Voraussetzungen weder in Bezug auf § 27 AuslG 1990 noch in Bezug auf § 38 AufenthG gegeben waren.
Auch gemäß § 9 AufenthG habe der Kläger keinen Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis, da es insoweit schon am fünfjährigen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis fehle, da der Kläger während der Zeit der zurückgenommenen Einbürgerung keine Aufenthaltserlaubnis besessen habe.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht
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