Bundesverwaltungsgericht, 11. Januar 2011, Az.: 1 C 1.10
Allgemeines zum Schengenvisum
Im Jahr 1985 vereinbarten einige europäische Staaten das Schengen-Abkommen über den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen zwischen den Vertragsstaaten.
Nach dem Beitritt zahlreicher anderer europäischer Staaten wurde im Jahr 1999 die Schengen-Zusammenarbeit in die Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft einbezogen.
Dabei ging es insbesondere um die Vereinheitlichung der Vorschriften für die Einreise und den kurzfristigen Aufenthalt von Ausländern im sogenannten „Schengen-Raum“ („Schengenvisum“).
Drittstaatsangehörige, die über ein Schengen-Visum verfügen, dürfen sich im Rahmen der Gültigkeit und des Zwecks des Visums auch in den anderen Schengen-Staaten aufhalten und unterliegen beim Passieren der Binnengrenzen ebenfalls keinen Kontrollen.
Für die Erteilung des Schengen-Visums sind grundsätzlich die Botschaften des Ziellandes in den jeweiligen Herkunftsländern zuständig.
Um ein Schengenvisum zu erhalten, müssen Drittstaatsangehörige verschiedene Unterlagen vorweisen und Voraussetzungen erfüllen, die je nach Herkunftsland unterschiedlich sein können.
Notwendige Dokumente für ein Schengenvisum
Notwendige Dokumente sind zum Beispiel:
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- Reisepass
- Inlandspass
- Passbilder
- Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums
- Verwandtschafts- oder Bekanntschaftsnachweise
- Einladung und Verpflichtungserklärung des Gastgebers
- Ausreichender Reisekrankenversicherungsschutz der einreisenden Person mit einer Mindestdeckungssumme von 30.000 Euro
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Die Entscheidung über die Erlaubnis zur Einreise kann dann innerhalb weniger Tage durch die jeweilige Behörde erfolgen.
Rückkehrbereitschaft ist ein kritischer Punkt der Prüfung
Bei der Erteilung des Visums ist insbesondere die Bereitschaft zur Rückkehr der einreisenden Person ein besonders kritischer Punkt.
Positiv beurteilt wird diese oft dann, wenn die einreisende Person eine gewisse Verwurzelung im Herkunftsland nachweisen kann. Dies schließt zum Beispiel die familiäre Verwurzelung, einen festen Arbeitsplatz oder das Bestehen von Grundeigentum im Herkunftsland ein.
Rechtsbehelf („Remonstration“) gegen ablehnende Entscheidung
Wird das Visum dennoch abgelehnt, kann durch die einreisende Person oder einen Bevollmächtigten „Remonstration“ gegen die ablehnende Entscheidung eingelegt werden. Neben den üblichen Identitätsnachweisen sollte diese „Remonstration“ je nach Herkunftsland
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- eine ausführliche Begründung enthalten, warum die Ablehnung nicht gerechtfertigt sei,
- eine ausführliche Darlegung enthalten, zu welchem Zweck die einreisende Person nach Deutschland reisen möchte und aus welchen Gründen der Aufenthalt für sie wichtig sei,
- weitere Unterlagen enthalten, die die Argumentation stützen und bei Antragstellung noch nicht vorgelegen haben.
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Neben der Remonstration besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit zur Klage vor dem Verwaltungsgericht. Die ablehnenden Bescheide der Botschaft sind daher immer mit einer Rechtsbehelfsbelehrung über die Klagemöglichkeiten beim Verwaltungsgericht versehen.
Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin
Da sich die Klage gegen eine Bundesbehörde (Auswärtiges Amt) mit Sitz in Berlin richtet, ist hier grundsätzlich das Verwaltungsgericht Berlin zuständig.
Die Gerichtskosten für ein solches Visumsverfahren richten sich nach dem Streitwert, der bei solchen Verfahren zurzeit auf 5.000 Euro bemessen wird. Nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) sind also für das Gericht 588 Euro anzusetzen.
Weitere Kosten entstehen durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts.
Die Dauer eines solchen Verfahrens kann sich grundsätzlich bis zu zwei Jahren hinziehen.
In Bezug auf die Erteilung von Besuchsvisa wurden insbesondere im Jahr 2005 zahlreiche Missbrauchsfälle bekannt („Visa-Affäre“).
Im Jahr 2000 hatte nämlich das damalige Auswärtige Amt die Auslandsvertretungen im sogenannten Volmer- oder Fischer-Erlass angewiesen, bei der Verteilung von Visa zukünftig unbürokratischer zu verfahren.
So sollte nicht mehr jeder Zweifel an der Rückkehrbereitschaft, sondern erst die hinreichende Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rückkehrbereitschaft die Ablehnung eines Besuchsvisums rechtfertigen.
In den darauffolgenden Jahren kam es aufgrund dieses Erlasses, insbesondere in Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, zu zahlreichen Missbrauchsfällen bei der Visavergabe.
Der Erlass wurde daraufhin zurückgenommen und die Voraussetzungen für die Erteilung wieder verschärft.
Wie bereits erwähnt, wird daher insbesondere die Frage der „Rückkehrbereitschaft“ bei der Visumsbeurteilung besonders kritisch beurteilt und ist immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Entscheidungen.
So auch in der oben genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Januar 2011.
Sachverhalt der Gerichtsentscheidung
Marokkanische Mutter beantragt Schengenvisum zum Besuch ihrer in Deutschland lebenden Kinder
Die das Visum beantragende Person war eine marokkanische Staatsangehörige, deren beide Kinder seit 2005 bei ihrem geschiedenen Ehemann in Deutschland lebten. Einen Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Schengen-Visums zum Besuch ihrer Kinder lehnte die Deutsche Botschaft in Rabat Anfang 2008 wegen fehlender Rückkehrbereitschaft ab.
Zunächst erfolgreiche Klage gegen Ablehnung wird im Berufungsverfahren gekippt
Die hiergegen erhobene Klage beim Verwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 10. Dezember 2008 – VG 7 V 16.08) hatte zunächst Erfolg. Das anschließend mit der Berufung befasste Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg war hingegen der Auffassung, dass sich das Verpflichtungsbegehren auf Erteilung eines Visums mit Ablauf der im Visumantrag angegebenen Reisedaten erledigt habe und die Ablehnung somit nicht rechtswidrig gewesen sei.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte das Urteil des Oberverwaltungsgerichts nur im Ergebnis. Nach Auffassung des Gerichts sei ein Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums für einen kurzfristigen Besuchsaufenthalt bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte dahin auszulegen, dass der Antragsteller auch nach Ablauf der im Antragsformular angegebenen geplanten Reisedaten an seinem Besuchswunsch festhalte.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts habe sich das Verpflichtungsbegehren der Klägerin daher nicht erledigt.
Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf ein Besuchsvisum. Nach der seit April 2010 maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 810/2009 (Visakodex – VK) sei ein Antrag auf Erteilung eines einheitlichen, für den gesamten Schengen-Raum gültigen Besuchsvisums zwingend abzulehnen, wenn begründete Zweifel an der Absicht des Antragstellers bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen (Art. 32 Abs. 1 Buchst. b VK).
Das Bundesverwaltungsgericht sieht aufgrund von Falschangaben der Klägerin ebenfalls eine fehlende Rückkehrbereitschaft
Von solchen Zweifeln sei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Klägerin auszugehen. Denn sie habe im Visumverfahren zunächst falsche Angaben über den wahren Aufenthaltszweck gemacht, und es lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass sie wegen ihrer Kinder auf Dauer im Bundesgebiet bleiben wolle.
Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erteilung eines nur für das Bundesgebiet gültigen Besuchsvisums.
Ein solches Visum werde von einem Mitgliedstaat nur in den in Art. 25 Abs. 1 VK aufgeführten Ausnahmefällen erteilt. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor.
Ausgehend von dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung einer ungesteuerten Einwanderung sei auch mit Blick auf den besonderen Schutz familiärer Bindungen die Erteilung eines Visums nicht erforderlich.
Familiäre Kontakte zwischen Kindern und Mutter können auch anders erfolgen
Die Klägerin habe die bestehende räumliche Trennung von ihren Kindern selbst herbeigeführt, indem sie deren Übersiedlung nach Deutschland zustimmte. Sie und ihre Kinder seien zur Aufrechterhaltung der familiären Kontakte auch nicht zwingend auf einen Besuch der Klägerin in Deutschland angewiesen.
Diese könnten auf andere Weise, etwa über das Internet, Briefe und Telefonate sowie Besuche der Kinder während der Ferien in Marokko, fortgeführt werden.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht
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Eine Antwort
Sehr geehrte Damen und Herren, ich weiß gerade nicht wie ich anfangen soll..
Meine Verlobte hat einen Antrag auf Schengen Visum gestellt und dieser wurde abgelehnt mit der Begründung der berechtigten Zweifel an der Rückkehrbereitschaft.
Kurz zur Geschichte.
Meine Verlobte ist Staatsbürger von Simbabwe, ich bin deutscher Staatsbürger.
Wir sind seit knapp 6 Jahren zusammen und habe wegen dieser Partnerschaft auch meine Familie in Deutschland aufgegeben. Wir haben uns zum letzten mal im Januar 2020 gesehen. Ich habe Sie nach Deutschland eingeladen. Verpflichtungserklärung, Krankenversicherung, Nachweise über unsere Partnerschaft ect. wurden von meiner Verlobten bei Antragstellung in deutschen Botschaft vorgelegt. Nur mit Kauf des Flugtickets wollte ich noch warten bis das Visum genehmigt ist. War das eventuell der Fehler den wir gemacht haben?
Es wurde ebenso erwähnt, dass Sie ledig, keine Kinder, kein Vermögen oder Immobilien im Heimatland besitzt.
Der Hauptgrund meiner Einladung war einfach nur das Wiedersehen mit meiner Verlobten. Eine spätere Heirat ist ebenso Plan unserer gemeinsamen Zukunft.
Jetzt nach der Ablehnung sind wir verzweifelt und haben Bedenken um unsere gemeinsame Zukunft. Macht es in diesem Fall Sinn beim Verwaltungsgericht in Berlin zu klagen?
Mit freundlichen Grüßen