Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.05.2022, Az.: 33 C 2877/21
Eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters nach § 573 Abs.2 Nr.2 BGB ist nur wirksam, wenn ein ernsthafter Wille besteht, einen Angehörigen in die Wohnung einziehen zu lassen. Dieser fehlt, wenn der Vermieter lediglich behauptet, einen Angehörigen einziehen lassen zu wollen, in Wirklichkeit die Wohnung jedoch nicht benötigt und nur einen Auszug des derzeitigen Mieters herbeiführen möchte. Wenn Indizien für solche Absichten bestehen, muss das Gericht besonders strenge Anforderungen daran stellen, zu der Überzeugung zu gelangen, dass ein echter Wille zur Überlassung der Wohnräume an einen Angehörigen besteht.
Dies entschied das Amtsgericht Frankfurt am Main in seinem Urteil vom 25.05.2022. Die Vermieter hatten dort auf Räumung und Herausgabe ihrer Mietwohnung geklagt, nachdem die Mieter einer Kündigung aus Eigenbedarf widersprochen hatten. Unter anderem führten diese an, der Eigenbedarf an den Mieträumen sei lediglich zu dem Zweck angemeldet worden, den Mietvertrag mit den Beklagten kündigen zu können.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens
Die Beklagten sind durch Mietvertrag vom 17.09.1981 Mieter der streitgegenständlichen Wohnung. Die Kläger sind als Vermieter durch Eigentumserwerb in den ursprünglich mit einem Wohnungsunternehmen geschlossenen Mietvertrag eingetreten, sie sind als Eigentümer der Wohnung im Grundbuch eingetragen.
Vermieter kündigten die Wohnung, weil sie Eigenbedarf für den Sohn und die Enkeltochter anmeldeten
Die Kläger kündigten das Mietverhältnis mit Schreiben vom 10.09.2020 wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs.2 Nr.2 BGB. Zur Begründung führten sie aus, ihr Sohn, der aktuell in einer Wohngemeinschaft in einem Zimmer lebe, würde in die Wohnung umziehen wollen, da seine minderjährige Tochter dort mit ihm leben sollte. Diese lebe grundsätzlich bei ihrer, von dem Sohn der Kläger geschiedenen, Mutter, zur Ausübung seines Umgangsrechts solle sie jedoch wöchentlich zwei Tage bei ihrem Vater verbringen.
Dieser Kündigung widersprachen die Beklagten am 10.05.2021.
Mieter machten Depressionen und vorgetäuschten Eigenbedarf geltend
Zur Begründung führten sie aus, die Beklagte zu 2) leide an einer depressiven Störung und befände sich in psychotherapeutischer Behandlung. Ein Umzug würde ihren Gesundheitszustand verschlechtern und die Kündigung stelle daher eine nicht hinnehmbare Härte iSd § 574 Abs.1 BGB dar. Diesbezüglich reichten die Beklagten ein fachärztliches Attest vom 11.11.2021, sowie den Befund einer Diplompsychologin vom 10.05.2021 ein.
Weiterhin wandten sie ein, die Kündigung erfülle nicht die Voraussetzung der §§ 573 Abs.2 Nr.2, 573 Abs.1 S.1 BGB. Danach dürfen nur die Gründe für die Annahme eines berechtigten Interesses Berücksichtigung finden, die bereits in dem Kündigungsschreiben angegeben sind. Zu den dort angegebenen Gründen fügten die Kläger jedoch im Nachhinein hinzu, dass ihr Sohn in die streitgegenständliche Wohnung zusammen mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind einziehen wolle. Außerdem sei der Eigenbedarf vorgetäuscht. Die Kläger hätten den Eigenbedarf zuvor schon auf andere Sachverhalte gestützt.
Schließlich erfülle die Kündigung auch nicht die Voraussetzung der Nr.10 Abs.1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen, wodurch eine Kündigung durch den Vermieter nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist.
Die Beklagten erhoben zudem Widerklage im Hinblick auf eine zwischen den Parteien streitige Betriebskostenabrechnung.
Urteilsgründe des Amtsgerichts Frankfurt am Main
Amtsgericht am Main sah die Eigenbedarfskündigung als wirksam an
Das Gericht verurteilte die Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Mieträume, da das Mietverhältnis durch die wirksame Kündigung der Kläger zum 31.07.2021 beendet worden sei. Es stehe nach der freien Beweiswürdigung iSd § 286 Abs.1 S.1 ZPO zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Kläger ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs.2 Nr.2 BGB haben. Dazu sei keine absolute oder unumstößliche Gewissheit im Sinne des wissenschaftlichen Nachweises notwendig, sondern nur ein für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, Urteil v. 7.4.2021 – VIII ZR 49/19; BGH, Urteil v. 16.4.2013 – VI ZR 44/12). Dieser sei hier erreicht.
Der Sohn habe im Rahmen der Beweisaufnahme den Eigenbedarf nachvollziehbar dargelegt
Diese Überzeugung schöpft das Gericht vornehmlich aus den Aussagen des Sohns der Kläger. Dieser habe seine derzeitige Lebenssituation nachvollziehbar und glaubhaft geschildert. Er konnte zudem detaillierte Angaben zu der Wohnung, in die er beabsichtigt umzuziehen, und deren Lage machen. Dass er den Nachnamen des Freundes, bei dem er derzeit wohne, nicht nennen konnte und an dem angegebenen Gebäude auch kein Klingelschild dieses Freundes zu finden sei, sei nicht relevant genug, um ernsthafte Zweifel an der Überzeugung des Gerichts zu wecken.
Auch die Tatsache, dass die Kläger bereits zuvor mehrfach versucht hatten, das Mietverhältnis aus Eigenbedarf zu kündigen und dies aus verschiedenen Gründen gescheitert war, begründe keine Zweifel. Insbesondere auch nicht die Auseinandersetzung zwischen den Parteien bezüglich der im Rahmen der Widerklage streitgegenständlichen Betriebskostenabrechnungen. Ein Schreiben des Mieterschutzbundes bezüglich dieser Abrechnungen wurde den Klägern erst im Februar 2022, mithin fünf Monate nach Zustellung der Kündigungserklärung, zugestellt. Das Gericht geht daher nicht davon aus, dass diese Auseinandersetzung dazu geführt haben könnte, dass die Kläger das Mietverhältnis mithilfe einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung hätten beenden wollen.
Auch das Nachschieben weitere Gründe habe nicht zu einer formellen Unwirksamkeit der Kündigung geführt
Die Kündigung sei auch formell wirksam. Die Kläger hätten ihren Sohn als berechtigte Person genannt und dessen Lebensumstände angegeben, die einen Bedarf an der Wohnung begründen. Dass zu einem späteren Zeitpunkt noch weitere Gründe angeführt wurden, habe keine Relevanz, da die im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe für sich bereits ein berechtigtes Interesse an der Kündigung des Mietverhältnisses begründen.
Mieter hätten darüber hinaus keine ausreichenden Härtegründe geltend gemacht
Es sei den Beklagten zudem nicht möglich, der Kündigung wegen einer nicht hinnehmbaren Härte iSd § 574 Abs.1 BGB zu widersprechen. Sie hätten keine besondere Verwurzelung an dem Standort der Mietwohnung vorgetragen und die Angaben bezüglich der gesundheitlichen Risiken für die Beklagte zu 2) seien nicht substantiiert genug. Das Attest des Facharztes führe zwar aus, dass ein Umzug zu einer Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands der Beklagten zu 2) führen könnte, jedoch nicht, worin diese Verschlechterungen bestehen. Der Befund der Psychologin sei in seiner Bedeutung dem fachärztlichen Attest nicht gleichzustellen und genüge deshalb ebenfalls nicht zur Annahme einer unzumutbaren Härte.
Zuletzt stehe auch Nr.10 Abs.1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen der Kündigung nicht entgegen. Diese Klausel wurde vor dem Hintergrund der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft in den Vertrag eingefügt und bezieht sich bereits ihrem Wortlaut nach nicht auf private Vermieter, sondern auf das Wohnungsunternehmen. Jedenfalls würde die Geltung der Klausel für private Vermieter, wie die Kläger, die das Eigentum im Wege der Zwangsversteigerung erworben haben, deren Eigentumsrechte unzulässig beeinträchtigen.
Die Räumungsfrist gemäß § 721 Abs.1 S.1 ZPO wurde unter Abwägung der beiderseitigen Interessen auf fünf Monate festgelegt.
Quelle: AG Frankfurt am Main
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