Wie aus einer Pressemitteilung (Nr. 429) des Statistischen Bundesamtes („Destatis“) vom 22.11.2010 hervorgeht, zeigen Modellrechnungen, dass aufgrund des demografischen Wandels in Deutschland die Zahl der Pflegebedürftigen von 2,2 Millionen im Jahr 2007 auf 2,9 Millionen im Jahr 2020 und etwa 3,4 Millionen im Jahr 2030 ansteigen wird. Die Zunahme bis zum Jahr 2020 dürfte somit 29% und bis 2030 rund 50% betragen. In einer langfristigen Betrachtung bis zum Jahr 2050 ergibt sich eine Verdopplung der Zahl der Pflegebedürftigen auf dann 4,5 Millionen.
Diese Entwicklung wird zur Folge haben, dass immer mehr ältere Menschen in Pflegeheimen untergebracht werden müssen, da ihre Kinder oder andere Verwandte aufgrund der veränderten Arbeitswelt und der Familiensituation nicht in der Lage sein werden, die Pflege dieser Bedürftigen selbst zu erbringen.
Gerade wenn die Pflegeversicherung nicht ausreicht, können Verwandte mit der Unterbringung des Pflegebedürftigen in einem Pflegeheim zum Unterhalt herangezogen werden. Zwar wird bei Unterhaltsbedürftigkeit zunächst der Sozialhilfeträger die zur Unterbringung erforderlichen Sozialleistungen erbringen. Da Verwandte in gerader Linie gegeneinander aber einen Unterhaltsanspruch haben, kann die Behörde diesen (aus gem. § 94 SGB XII auf die Behörde übergegangenen Anspruch) gegen die Verwandten geltend machen, sofern dies keine unbillige Härte gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII darstellt.
Die Verpflichtung der Verwandten zum Elternunterhalt ergibt sich in Deutschland aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Gem. § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Anknüpfungspunkt für die Unterhaltspflicht insbesondere von Kindern gegenüber ihren Eltern ist somit die Verwandtschaft (so daß z. B. Schwiegereltern von ihren Schwiegerkindern nicht unterstützt werden müssen).
Verwandte in gerader Linie sind gem. § 1589 BGB Personen, deren eine von der anderen abstammt. Dies sind also Großeltern, Eltern, Kinder, Enkelkinder etc.
Ein Anspruch auf Unterhalt besteht somit nicht nur für Eltern gegenüber ihren Kindern sondern allgemein zwischen Verwandten gerader Linie. An dieser Stelle soll aber nur auf die Verpflichtung der Kinder Ihren Eltern gegenüber eingegangen werden.
Eine Verpflichtung zum Elternunterhalt ist nach den §§ 1601 ff. BGB grundsätzlich dann gegeben, wenn gleichzeitig („zeitlich kongruent“) eine Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern und die Leistungsfähigkeit der Kinder vorliegen.
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I. Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern
Die Voraussetzungen der Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern sind in § 1602 BGB festgelegt. Danach ist derjenige unterhaltsbedürftig, der außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Werden Verwandte aufgrund einer solchen Bedürftigkeit in Anspruch genommen, sind schon an dieser Stelle zahlreiche Fragen zu klären, um eine für alle Seiten angemessene und gesetzeskonforme Lösung zu finden.
Bei Feststellung des Unterhaltsbedarfs der Eltern ist zwischen dem tatsächlichen Unterhaltsbedarf, dem Mehrbedarf und dem Sonderbedarf zu unterscheiden.
Der tatsächliche Unterhaltsbedarf (Elementarbedarf und Vorsorgebedarf) der Eltern umfasst die Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Kleidung, Hausrat etc., einschließlich der Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung. Zum Mehrbedarf gehören u. A. krankheitsbedingte Mehrkosten, Zuzahlungen für Medikamente, Brillen, Hörgeräte, Zahnprothesen und bei Pflegebedürftigkeit die Kosten der Unterbringung in einem Pflegeheim. Der Sonderbedarf umfasst besondere Ausgaben wie z. B. den Kauf einer Waschmaschine, etc.
Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsprechung das Minimum an Unterhaltsbedarf mit den in den am sozialhilferechtlichen Existenzminimum ausgerichteten Eigenbedarfssätzen eines unterhaltsberechtigten Ehegatten gleichsetzt (vgl. Urteil des Bundesgerichtshof vom 19.02.2003, Az.: XII ZR 67/00).
Dem unterhaltsberechtigten Elternteil muss somit zumindest immer ein Lebensbedarf in Höhe dieser Eigenbedarfssätze bleiben, zuzüglich der Kosten für Krankenkassen- und Pflegeversicherung (Der Eigenbedarfssatz eines Nichterwerbstätigen wird durch die Gerichte oftmals nach der Düsseldorfer Tabelle festgelegt, welche eine Unterhaltsleitlinie des Oberlandesgerichts Düsseldorf in Abstimmung mit den anderen Oberlandesgerichten und dem Deutschen Familiengerichtstag ist).
Selbstredend ergeben sich große Unterschiede bei der Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern auch durch die jeweilige Lebenssituation der Eltern. Je nachdem, ob der Elternteil in einem eigenem Haushalt lebt, heimpflegebedürftig, verheiratet oder geschieden ist, ist somit entscheidend für die Berechnung.
An dieser Stelle möchten wir auf einen weiteren Beitrag in Bezug auf ein Gerichtsurteil hinsichtlich Pflegestufen hinweisen:
II. Leistungsfähigkeit der Kinder
Die Leistungsfähigkeit der Kinder richtet sich nach § 1603 BGB. Danach ist derjenige unterhaltspflichtig, der bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen imstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Wie bei § 1602 BGB kommt es bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Kinder somit auf das Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein von Vermögen und Einkommen an.
Dasjenige Einkommen der Kinder, welches zum Unterhalt herangezogen wird, kann aus sämtlichen Einkommensarten dieser folgen, wie z. B. Arbeitseinkommen, Mieterträge, Kapitalerträge, Zinsen, Renten, vermögenswirksame Leistungen etc.
In dem seinem Urteil vom 28.07.2010 (Az.: XII ZR 140/07) hat der Bundesgerichtshof z. B. folgende Formel zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Kindes vorgegeben: „Verfügt der Unterhaltspflichtige über höhere Einkünfte als sein Ehegatte, ist die Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt in der Regel wie folgt zu ermitteln: Von dem Familieneinkommen wird der Familienselbstbehalt in Abzug gebracht. Das verbleibende Einkommen wird um die Haushaltsersparnis vermindert. Die Hälfte des sich ergebenden Betrages kommt zuzüglich des Familienselbstbehalts dem Familienunterhalt zugute. Zu dem so bemessenen individuellen Familienbedarf hat der Unterhaltspflichtige entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten beizutragen. Für den Elternunterhalt kann der Unterhaltspflichtige die Differenz zwischen seinem Einkommen und seinem Anteil am Familienunterhalt einsetzen.“
Viele Gerichtsurteile in diesem Bereich beschäftigen sich auch mit der Frage, ob der Unterhaltsbedürftige seine Unterhaltsbedürftigkeit selbst verschuldet hat oder den Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kind verwirkt hat (sie z. B. Urteil des BGH vom 15.09.2010, Az.: XII ZR 148/09).
III. Fazit
Wird man durch den Sozialhilfeträger in Anspruch genommen, besteht somit kein Grund in Panik zu geraten. In fast allen Fällen berücksichtigen die Sozialhilfeträger die jeweiligen Vermögens- und Einkommensverhältnisse der unterhaltsverpflichteten Kinder in keinster Weise und es besteht meistens die Möglichkeit, die jeweiligen Ansprüche entsprechend zu mindern.
Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.
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3 Antworten
ein kurzer Kommentar:
sehr gut verständlich, es ist in der Regel gut nachvollziehbar, die kritischen Anmerkungen zu bestimmten Entscheidungen sind sehr gut kritisch kommentiert.
Es ist gelungen, auf die Fragen des ´Verbrauchers´ einzugehen, nicht auf Personen des Steuerrechts.