Schulrecht: Cybermobbing in sozialen Netzwerken und schulrechtliche Auswirkungen

VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 12.05.2011, Az.: 9 S 1056/11

 

Das Cybermobbing im Internet (z. B. über die im Internet verfügbaren sozialen Netzwerke wie z. B. Facebook oder StudiVZ) beschäftigt die Gerichte immer öfter.

Insbesondere Jungen werden in zunehmendem Maße Opfer dieser modernen Art des Prangers und sind Bloßstellungen in und außerhalb der Schule ausgesetzt.

Da allerdings die meisten Einträge in die sozialen Netzwerke außerhalb der Schulzeit erfolgen, stellt sich oftmals die Frage, inwiefern die Schule Maßnahmen gegen das Cybermobbing durchführen kann.

In NRW sind die rechtlichen Grundlagen des Schulwesens in NRW im Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Schulgesetz NRW – SchulG) niedergelegt.

§ 53 SchulG enthält die erzieherischen Einwirkungen bzw. Ordnungsmaßnahmen, welche das SchulG NRW bereithält.

Gem. § 53 Abs. 2 SchulG NRW gehören zu den erzieherischen Einwirkungen insbesondere

      • das erzieherische Gespräch
      • die Ermahnung
      • Gruppengespräche mit Schülerinnen, Schülern und Eltern
      • die mündliche oder schriftliche Missbilligung des Fehlverhaltens
      • der Ausschluss von der laufenden Unterrichtsstunde
      • die Nacharbeit unter Aufsicht nach vorheriger Benachrichtigung der Eltern
      • die zeitweise Wegnahme von Gegenständen
      • Maßnahmen mit dem Ziel der Wiedergutmachung angerichteten Schadens und
      • die Beauftragung mit Aufgaben, die geeignet sind, das Fehlverhalten zu verdeutlichen

§ 53 Abs. 3 SchulG NRW hält die folgenden Ordnungsmaßnahmen bereit:

      • den schriftlichen Verweis
      • die Überweisung in eine parallele Klasse oder Lerngruppe
      • den vorübergehende Ausschluss vom Unterricht von einem Tag bis zu zwei Wochen und von sonstigen Schulveranstaltungen
      • die Androhung der Entlassung von der Schule
      • die Entlassung von der Schule
      • die Androhung der Verweisung von allen öffentlichen Schulen des Landes
        durch die obere Schulaufsichtsbehörde
      • die Verweisung von allen öffentlichen Schulen des Landes durch die
        obere Schulaufsichtsbehörde

Außerschulisches Verhalten wie das Cybermobbing kann nur dann zur Verhängung einer Ordnungsmaßnahme führen, wenn dieses unmittelbar störende Auswirkungen auf den Schulbetrieb hat und in einem unmittelbaren Bezug zum Schulbesuch steht.

Ein direkter Zusammenhang zum Schulverhältnis besteht insbesondere, wenn das Fehlverhalten unmittelbar in den schulischen Bereich hineinwirkt.

Dies ist dann der Fall, wenn das Zusammenleben der am Schulleben Beteiligten durch das Fehlverhalten gestört oder gefährdet worden ist und wenn die Ordnungsmaßnahme daher geeignet und erforderlich ist, u.a. auf einen gewaltfreien Umgang der Schüler miteinander hinzuwirken.

In dem oben genannten Beschluss hatte sich der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem Eilverfahren damit zu beschäftigen, ob in der Freizeit erfolgende Internet-Eintragungen schulischen Bezug aufweisen und damit geeignet sein können, einen Schulverweis auszusprechen.

Facts of the Case:

Antragstellerin hatte eine Mitschülerin im Internet beleidigt

Die Antragstellerin hatte im Dezember 2010 auf ihrer Seite im Internet-Forum „kwick.de“ einen Blog-Eintrag eingestellt, in dem sie eine Mitschülerin – wenn auch ohne Namensnennung – als „Punkbitch“, „schon bisschen Asozial“ und „Assi“ (wiederholt) bezeichnete, ihr „Mut zur Hässlichkeit“ attestierte und behauptete dass sie der Betroffenen „schließlich später das Hartz IV finanzieren dürfe“.

Schule hatte Unterrichtsverbot gegen die Antragstellerin ausgesprochen

Aufgrund dieser Beleidigungen sprach die Schule gegenüber der Antragstellerin ein zeitweiliges Unterrichtsverbot aus.

Entscheidung des VGH Baden-Württemberg

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschied, dass in diesem Fall erhebliche Zweifel daran bestünden, dass sämtliche Voraussetzungen dafür gegeben sind, um gegenüber der Antragstellerin einen zeitweiligen Ausschluss vom Unterricht nach § 90 Abs. 6 Satz 1 SchG auszusprechen.

Gericht sah Unterrichtsverbot als zu starke Maßnahme an

Ein zeitweiliger Ausschluss vom Unterricht oder auch dessen Androhung sei nur zulässig, wenn ein Schüler durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten seine Pflichten verletzt und dadurch die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer gefährdet habe.

Zwar sei der Antragsteller ein Fehlverhalten anzulasten, es erscheine jedoch fraglich, ob die Antragstellerin angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falls dadurch die Rechte ihrer Mitschülerin oder die Erfüllung der Aufgabe der Schule in einer ausreichend schwerwiegenden Weise gefährdet habe, die die Verhängung eines zeitweiligen – wenn auch nur eintägigen – Unterrichtsausschlusses rechtfertigen würde.

Die vorliegende Konstellation weise Besonderheiten auf, die Zweifel daran begründen, ob der Verbreitungsgrad der Beleidigung hier den im Allgemeinen vom Einstellen einer Äußerung ins Internet ausgehenden Gefahren entspreche.

Auf die „enorme Verbreitung von Äußerungen im Internet“ sei im Protokoll der Besprechung besonders abgestellt worden.

Dieser Ansatz gelte zweifellos dann, wenn der Adressat entsprechender Äußerungen auch für Dritte klar zu identifizieren sei.

Das Posting der Antragstellerin habe den Namen der Mitschülerin nicht erkennen lassen

Dies sei hier aber nicht der Fall. Der Webblog enthielte weder den Klar- noch den Benutzernamen der Betroffenen und auch mit einer bildlichen Darstellung der Betroffenen seien die Eintragungen der Antragstellerin nicht verknüpft.

Somit sei die Verbreitung der Beleidigungen nicht so groß, dass dies einen Unterrichtsverbot rechtfertigen würde

Damit seien die genannten Beleidigungen allein von denen der Betroffenen zuzuordnen, die diese bereits kennen oder von der Antragstellerin ausdrücklich darauf hingewiesen worden sind und der Eintrag dürfe in seiner Bedeutung somit eher einer Beleidigung im Kreis der Bekannten vergleichbar sein, als dass sich darin gerade die typischen Gefahren der Verbreitung von Beleidigungen an eine unüberschaubare Zahl von Internet-Nutzern realisiert hätten.

Hinzu komme, dass jedenfalls eine über den Bekanntenkreis hinausgehende Wirkung bereits am Tag, an dem die Antragstellerin mit ihrem Fehlverhalten konfrontiert worden sei, durch Löschen des Eintrags durch die Antragstellerin selbst beendet worden sei.

Quelle: VGH Baden-Württemberg

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