Architektenrecht: Nachhaftung des Architekten ist von der Berufshaftpflichtversicherung umfasst

Oberlandesgericht Karlsruhe, 26.10.2010, Az.: 8 U 115/09

Eine praktisch sehr wichtige und zugleich sehr komplizierte Thematik ist die Nachhaftung von aus einer Architektengemeinschaft ausgeschiedenen Architekten. Architektengemeinschaften sind grundsätzlich als Gesellschaften bürgerlichen Rechts ausgestaltet und unterliegen damit den Regelungen der §§ 705 ff. BGB.

Teilweise sind aber auch die Regelungen über die offene Handelsgesellschaft (OHG) des Handelsgesetzbuches auf die GbR analog anwendbar. Dies gilt auch für die Haftungsregelungen der §§ 128, 160 HGB.

Gem. § 128 HGB haften die Gesellschafter einer OHG für Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern gegenüber als Gesamtschuldner persönlich. Die Regelung gilt dabei für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft, gleich aus welchem Rechtsgrund, z. B. aus Vertrag, ungerechtfertigter Bereicherung, Delikt, Gefährdungshaftung, etc. Diese Haftung besteht auch für ausgeschiedene Gesellschafter, wenn diese zur Zeit der Entstehung der Verbindlichkeit der Gesellschaft angehörten.

Die Begrenzung dieser Nachhaftung ist in § 160 HGB geregelt. Gem. § 160 Abs. 1 S. 1 HGB haftet ein ausgeschiedener Gesellschafter für die von der Gesellschaft bis zu seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten, wenn diese vor Ablauf von fünf Jahren fällig geworden und gegen ihn festgestellt worden sind. Gem. § 160 Abs. 1 S. 2 HGB beginnt diese Frist mit dem Ende des Tages, an dem das Ausscheiden in das Handelsregister des zuständigen Gerichts eingetragen wurde.

Da diese Regelungen, wie oben bereits erwähnt, analog auch auf die GbR und damit auf etwaige Architektengemeinschaften anwendbar sind, müssen ausgeschiedene Architekten also für die Dauer von 5 Jahren damit rechnen, im Umfang ihrer vormaligen Gesellschaftsbeteiligung persönlich von „alten“ Gläubigern der Architektengemeinschaft in Anspruch genommen zu werden.

Dabei ist auch zu beachten, dass bei der GbR die Gesellschafter (und deren Ausscheiden) in keinem Register registriert werden und damit die Frist nur dann zu laufen beginnt, wenn der jeweilige Gläubiger positive Kenntnis von dem Ausscheiden des Architekten hat (und der Architekt dies später vor Gericht auch nachweisen kann). Dies ändert sich auch nicht durch eventuelle Haftungsfreistellungen im Gesellschaftsvertrag der Architektengemeinschaft, da § 160 BGB zwar abdingbar ist, Rechtswirkungen im Außenverhältnis (also im Verhältnis zum Gläubiger) jedoch erst dann begründet werden, wenn die Haftungsfreistellung auch in dem Vertrag mit dem jeweiligen Gläubiger der Gesellschaft vereinbart ist. Dies wird regelmäßig nicht der Fall sein.

Das OLG Karlsruhe hatte nun in dem oben genannten Urteil darüber zu entscheiden, ob die Nachhaftung eines aus einer Ingenieurgemeinschaft ausgeschiedenen Gesellschafters, von der von der Ingenieursgemeinschaft fortgesetzten Berufshaftpflichtversicherung mitversichert war.

Facts of the Case:

Architekt wurde unter anderem mit der Überwachung von Bodenbelegsarbeiten beauftragt

Im Jahr 1997 wurde der Kläger (Architekt) vom Freistaat Sachsen mit Architektenleistungen für ein staatliches Bauvorhaben beauftragt. Zu den übertragenen Architektenleistungen gehörten auch die Leistungen der Objektüberwachung von Bodenbelagsarbeiten eines Drittunternehmens. Diese Überwachungsarbeiten übertrug der Kläger einer Ingenieursgemeinschaft, die aus den Beklagten Ziffer 1-4 gebildet wurde. Bei der Ausführung der Bodenbelagsarbeiten kam es dann zu verschiedenen Mängeln. Daraufhin nahm der Freistaat Sachsen den Kläger auf Zahlung von einer Summe von ca. 500.000 EUR als Gesamtschuldner neben dem ausführenden Unternehmen mit der Begründung mangelnder Überwachungsleistungen in Anspruch.

Nachdem Mängel durch die Drittfirma aufgetreten waren, verklagte der Auftraggeber das Architektenbüro

Der Kläger nahm daraufhin die Beklagten Ziffer 1-4 im Wege der Feststellungsklage auf Freistellung hinsichtlich der vom Freistaat geltend gemachten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche vor dem Landgericht in Anspruch. Das Landgericht gab der Klage statt.

Gegen das Urteil des Landgerichts legte der Beklagte zu Ziffer 1 als einziger Berufung ein. Da die Berufungsfrist bereits verstrichen war, beantragte er ebenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er begründete das Recht zur Wiedereinsetzung damit, dass er bei dem landgerichtlichen Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei, weil der Berufshaftpflichtversicherer der Ingenieursgemeinschaft für ihn keine wirksame Prozessvollmacht an den Rechtsanwalt habe erteilen können. Denn zum Zeitpunkt der Erteilung der Prozessvollmacht sei er bereits lange aus der Ingenieurgemeinschaft ausgeschieden und bei einem neuen Berufshaftpflichtversicherer versichert gewesen. Insofern sei ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Urteil des OLG Karlsruhe

Berufung war unzulässig, da die dem Rechtsanwalt erteilte Prozessvollmacht unwirksam war

Das OLG Karlsruhe folgte der Begründung des Beklagten zu Ziffer 1 nicht und wies die Berufung als unzulässig und unbegründet ab. Die Wirksamkeit der von dem Berufshaftpflichtversicherer der Ing.-Gemeinschaft erteilten Prozessvollmacht zur Vertretung des Beklagten Ziffer 1 durch den Rechtsanwalt werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beklagte Ziffer 1 nach seinem Ausscheiden aus der Ing.-Gemeinschaft einen neuen Versicherungsvertrag abschlossen habe und damit aus dem ehemaligen Versicherungsverhältnis ausgeschieden sei.

Denn die ergänzende Auslegung des Vertrages über die Berufshaftpflichtversicherung von Architekten und Ingenieuren nach §§ 133, 157 BGB ergäbe, dass die gesellschaftsrechtliche Nachhaftung des Beklagten Ziffer 1 nach den §§ 128, 160 HGB von dem Versicherungsschutz des ehemaligen Versicherers ebenfalls umfasst war. Da die Prozessvollmacht des Rechtsanwalts durch die Versicherung somit ordnungsgemäß erteilt und der Beklagte Ziffer 1 somit ordnungsgemäß vertreten gewesen sei, könne ihm hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Die Berufung sei somit bereits unzulässig.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe

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